Cabera schien das nicht weiter zu stören.
»Aus einem Bergdorf tausend Meilen östlich von Aegyptus. Ich habe es als Junge verlassen und seinen Namen vergessen. Auch ich bin seitdem weit gereist.«
Der flammende Blick zuckte schlagartig fort, als Marius das Interesse verlor. Wieder sah er die beiden Jungen an.
»Von jetzt an ist mein Haus euer Zuhause. Ich nehme an, Tubruk wird auf dein Gut zurückkehren?«
Gaius nickte.
»Gut. Sobald ich ein paar eigene Probleme geklärt habe, arrangiere ich deine Einführung in den Senat. Kennst du Sulla?«
Gaius war sich schmerzhaft bewusst, dass er geprüft wurde. »Er hat im Augenblick die Kontrolle über Rom.«
Marius runzelte die Stirn, doch Gaius fuhr fort: »Seine Legion patrouilliert in den Straßen, und das verschafft ihm eine Menge Einfluss.«
»Da hast du Recht. Ich sehe schon, das Leben auf einem Gehöft hat dich über die Geschehnisse in der Stadt nicht vollkommen im Dunkeln gelassen. Kommt und setzt euch. Trinkt ihr Wein? Nein? Dann ist jetzt ein ebenso geeigneter Zeitpunkt wie jeder andere, es zu lernen.«
Als sie sich auf den Liegen um den Tisch niederließen, auf dem sich die Speisen türmten, beugte Marius den Kopf und begann laut zu beten: »Großer Mars. Lass mich in den schwierigen Tagen, die da kommen, die richtigen Entscheidungen treffen.« Er richtete sich wieder auf, grinste sie an, und auf sein Zeichen hin schenkte einer der Sklaven Wein ein.
»Dein Vater hätte ein großer Legat werden können, wenn er gewollt hätte«, sagte Marius. »Er hatte den schärfsten Verstand, dem ich je begegnet bin, aber er hat sich dafür entschieden, sein eigenes Interesse klein zu halten. Er hat die Realität der Macht nicht begriffen, nämlich die, dass sich ein starker Mann über die Regeln und Gesetze seiner Nächsten erheben kann.«
»Er hatte eine hohe Meinung von den Gesetzen Roms«, erwiderte Gaius nach kurzem Nachdenken.
»Ja. Das war sein einziger Fehler. Weißt du, wie oft ich zum Konsul gewählt worden bin?« »Dreimal«, warf Marcus ein.
»Trotzdem erlaubt das Gesetz nur eine Amtszeit. Ich werde wieder und wieder gewählt werden, bis mir das Spiel zu langweilig wird. Ich bin ein zu gefährlicher Mann, als dass man mir etwas verweigern könnte, versteht ihr. Darauf läuft es letztlich hinaus, trotz aller Gesetze und Bestimmungen, die den alten Männern im Senat so viel bedeuten. Meine Legion steht treu zu mir, und nur zu mir. Ich habe den Landbesitz als Voraussetzung zum Eintritt in die Legion abgeschafft, deshalb verdanken mir viele Legionäre ihren einzigen Lebensunterhalt. Es stimmt schon, viele von ihnen stammen aus der Gosse Roms, aber trotz ihrer Herkunft und ihrer niederen Geburt sind sie stark und mir treu ergeben.
Fünftausend Männer würden diese Stadt auseinander nehmen, würde ich ermordet werden, deshalb kann ich unbehelligt durch die Straßen gehen. Sie wissen, was geschehen wird, wenn ich sterbe, versteht ihr?
Wenn sie mich nicht umbringen können, müssen sie mir gefällig sein, nur dass jetzt endlich auch Sulla bei diesem Spiel mitspielt, mit einer Legion, die nur ihm treu ergeben ist. Ich kann ihn nicht umbringen und er kann mich nicht umbringen, also knurren wir uns im Senat gegenseitig an und warten auf eine Schwäche. Im Augenblick ist er im Vorteil. Seine Männer stehen in den Straßen, wie du gesagt hast, während meine außerhalb der Stadtmauern lagern. Eine Pattsituation. Spielst du Latrunculi? Ich habe hier ein Brett.«
Diese letzte Frage war an Gaius gerichtet, der blinzelte und den Kopf schüttelte.
»Ich werde es dir beibringen. Sulla ist ein Meister darin, ebenso wie ich. Es ist ein gutes Spiel für Generäle. Es geht darum, den gegnerischen König umzubringen oder ihm seine Macht zu rauben, sodass er hilflos ist und aufgeben muss.«
Ein Soldat trat in kompletter, glänzender Rüstung ein und salutierte mit steifem rechtem Arm. »Legat, die Männer, die du verlangt hast, sind hier. Sie haben die Stadt aus verschiedenen Richtungen betreten und sich hier versammelt.«
»Ausgezeichnet! Weißt du, Gaius, ein weiterer Zug in diesem Spiel steht kurz bevor. Fünfzig meiner Männer befinden sich hier in meinem Haus. Falls Sulla nicht an jedem Tor Spione hat, weiß er nicht, dass sie die Stadt betreten haben. Wenn er ahnt, was ich vorhabe, wartet bei Tagesanbruch eine Zenturie seiner Legion vor meinem Haus, aber schließlich ist das ganze Leben ein Spiel, oder nicht?«
Er wandte sich an den Wachtposten.
»Wir brechen im Morgengrauen auf. Sorg dafür, dass sich meine Sklaven um die Männer kümmern. Ich komme bald nach.«
Der Soldat salutierte wieder und ging.
»Was hast du vor?«, fragte Marcus, der völlig verwirrt war.
Marius erhob sich und reckte die Schultern. Er rief einen Sklaven herbei und trug ihm auf, seine Uniform vorzubereiten, damit sie bei Tagesanbruch bereit lag.
»Habt ihr schon einmal einen Triumphzug gesehen?«
»Nein. Ich glaube, es hat seit Jahren keinen mehr gegeben«, antwortete Gaius.
»Es ist ein Recht, das jedem Legaten zusteht, der neue Länder erobert hat: seine Legionen durch die Straßen seiner geliebten Hauptstadt zu führen und die Liebe der Menge und den Dank des Senats entgegenzunehmen.
Ich habe weite Gebiete fruchtbaren Ackerlands in Nordafrika erobert, so wie Scipio vor mir. Trotzdem ist mir von Sulla, der den Senat im Augenblick unter seiner Fuchtel hat, ein Triumphzug verweigert worden. Er sagt, die Stadt hätte zu viel Umwälzungen erlebt, aber das ist nicht der eigentliche Grund. Was aber ist der eigentliche Grund?«
»Er will deine Männer nicht in der Stadt haben, unter welchem Vorwand auch immer«, sagte Gaius schnell.
»Gut. Was soll ich also tun?«
»Sie trotzdem in die Stadt bringen?«, riskierte Gaius eine Antwort.
Marius erstarrte. »Nein. Das hier ist meine geliebte Hauptstadt. Noch nie ist eine feindliche Streitmacht durch ihre Tore eingedrungen. Ich will nicht der Erste sein. Das wäre rohe Gewalt, und die ist immer riskant. Nein, ich werde darum bitten! In sechs Stunden bricht der Tag an. Ich würde vorschlagen, ihr schlaft ein wenig, meine Herren. Sagt nur einem der Sklaven Bescheid, wenn ihr in eure Gemächer gebracht zu werden wünscht. Gute Nacht.« Er lachte trocken auf, ging davon und ließ die vier allein zurück.
»Er ...«:, setzte Cabera an, doch Tubruk hielt warnend einen Finger in die Höhe und machte mit den Augen eine Bewegung zu den Sklaven hin, die unauffällig bereit standen.
»Das Leben hier dürfte nicht langweilig werden«, sagte er leise.
Gaius und Marcus nickten und grinsten sich an.
»Ich würde gerne sehen, wie er darum >bittet<«, meinte Marcus.
Tubruk schüttelte rasch den Kopf. »Zu gefährlich. Das geht bestimmt nicht ohne Blutvergießen ab, und ich habe euch nicht nach Rom gebracht, damit ihr gleich am ersten Tag getötet werdet! Wenn ich gewusst hätte, dass Marius etwas Derartiges plant, hätte ich den Besuch noch eine Weile hinausgezögert.«
Gaius legte ihm eine Hand auf den Arm. »Du warst ein guter Beschützer, Tubruk. Aber das will ich sehen. Das lassen wir uns nicht verbieten.«
Seine Stimme war ruhig, aber Tubruk starrte ihn an, als hätte Gaius geschrieen. Dann entspannte er sich.
»Dein Vater war nie so tollkühn, aber wenn du fest entschlossen bist und Marius zustimmt, komme ich mit, um auf euch aufzupassen, so wie ich es immer getan habe. Cabera?«
»Wo sollte ich denn sonst hingehen? Ich wandele immer noch auf dem gleichen Pfad wie du.« Tubruk nickte. »Dann bei Morgengrauen. Ich würde vorschlagen, dass ihr mindestens ein oder zwei Stunden vor Tagesanbruch aufsteht, um Dehnübungen zu machen und ein leichtes Frühstück einzunehmen.« Er stand auf und verbeugte sich vor Gaius. »Herr?«
»Du kannst gehen, Tubruk«, sagte Gaius mit ausdrucksloser Miene.
Tubruk ging.