Cabera und Renius traten aus der Dunkelheit und setzten sich mit auf Marcus’ Bank.
»Da bist du ja!«, sagte Renius. »Ich dachte schon, ich würde dich nicht mehr finden, um dir Lebewohl zu sagen.«
Erneut fiel Gaius die frische Stärke des Mannes auf. Er sah nicht älter aus als vierzig, oder gut erhaltene fünfundvierzig. Gaius ergriff seine ausgestreckte Hand und spürte den Händedruck des Alten, kräftig wie eine Schlagfalle.
»Wir werden uns alle wiedersehen«, sagte Cabera.
Sie sahen ihn an.
Er hielt die Handflächen hoch und lächelte. »Das ist keine Prophezeiung, aber ich habe so ein Gefühl. Unser Pfad ist noch nicht zu Ende.«
»Ich bin froh, dass wenigstens du bleibst. Jetzt, wo Tubruk wieder auf dem Gut ist und die beiden hier nach Griechenland verschwinden, wäre ich in Rom sonst ganz allein«, sagte Gaius und lächelte ein wenig schüchtern.
»Pass auf ihn auf, du alter Schurke«, brummte Renius. »Ich habe mir nicht all die Mühe gemacht, ihn auszubilden, nur um dann zu hören, er sei von einem Pferd getreten worden. Halte ihn von verkommenen Weibern und zu viel Wein fern.« Dann wandte er sich an Gaius und hob den Finger. »Jeden Tag üben. Dein Vater hat sich nie gehen lassen, und das solltest du auch nicht tun, wenn du unserer Stadt nützlich sein willst.«
»Das werde ich. Was hast du vor, nachdem du Marcus abgeliefert hast?«
Renius’ Gesicht verfinsterte sich einen Augenblick.
»Ich weiß es nicht. Mir fehlen die Mittel, um mich zur Ruhe zu setzen, also werden wir sehen ... Es liegt in den Händen der Götter, wie immer.«
Ein paar Sekunden lang machten alle traurige Gesichter. Nichts blieb je so, wie es war.
»Kommt jetzt«, sagte Renius schroff. »Zeit zum Schlafen. In ein paar Stunden wird es hell, und wir haben alle einen langen Tag vor uns.«
Ein letztes Mal reichten sie sich schweigend die Hände und kehrten in ihre Zelte zurück.
Als Gaius am nächsten Morgen erwachte, waren Marcus und Renius schon fort.
Neben ihm lag, ordentlich zusammengefaltet, die Toga virilis, das Gewand des erwachsenen Mannes. Er sah sie lange an und versuchte sich daran zu erinnern, was ihm Tubruk über das richtige Anlegen dieses Kleidungsstücks beigebracht hatte. Die Tunika eines Jungen war viel einfacher anzuziehen, und der tiefe Saum der Toga würde schnell schmutzig werden. Die Botschaft dahinter war einfach und unmissverständlich: Ein Mann kletterte nicht auf Bäume und stapfte nicht durch schlammige Flüsse. Die Tollheiten des Halbwüchsigen musste er jetzt hinter sich lassen.
Bei Tageslicht konnte man sehen, wie sich die großen Zehnmannzelte bis weit in die Ferne erstreckten. Die ordentlichen Reihen zeigten die Disziplin der Männer und ihres Legaten. Marius hatte fast einen ganzen Monat damit zugebracht, eine sechs Meilen lange Route durch die Stadt auszuarbeiten, die vor den Stufen des Senats endete. Aller Unrat war vom Pflaster der Straßen gewaschen worden, doch es war trotzdem eine enge und gewundene Strecke, auf der nur sechs Legionäre oder drei Pferde nebeneinander Platz hatten. Damit ergaben sich fast elfhundert Reihen von Männern, Pferden und Ausrüstung. Nach einem langen Streit mit seinen Pionieren hatte Marius zugestimmt, die Belagerungsmaschinen im Lager zu lassen - man hätte sie einfach nicht um die schmalen Ecken herumbekommen. Schätzungen zufolge würde der Marsch drei Stunden dauern, und das nur, falls es nirgendwo Staus oder sonstige Verzögerungen gab.
Als Gaius gewaschen und angezogen war und etwas gegessen hatte, war die Sonne bereits über den Horizont gestiegen. Die gewaltige, glänzende Menge der Soldaten hatte ihre Positionen eingenommen und war fast abmarschbereit. Gaius hatte die Anweisung erhalten, sich eine vollständige Toga und Sandalen anzuziehen und seine Waffen im Lager zu lassen. Nachdem er so lange das Rüstzeug eines Legionärs mit sich herumgetragen hatte, fühlte er sich so ganz ohne Ausrüstung etwas wehrlos, aber er gehorchte. Marius selbst würde auf einem Thron sitzen, der auf einer offenen flachen Kutsche stand, die von sechs Pferden gezogen wurde. Er wollte eine purpurne Toga tragen, eine Farbe, die nur einem Legaten während eines Triumphzuges zustand. Der Farbstoff war unglaublich teuer, weil er aus seltenen Muscheln gewonnen und destilliert wurde. Diese Toga war ein Kleidungsstück, das man nur ein einziges Mal trug, zudem war Purpur die Farbe der alten Könige von Rom.
Wenn er durch das Tor der Stadt fuhr, würde ein Sklave einen vergoldeten Lorbeerkranz über seinen Kopf recken und ihn dort während der restlichen Fahrt halten. Vier Worte mussten während des Triumphzuges geflüstert werden, die Marius fröhlich ignorieren würde: »Bedenke, du bist sterblich.«
Die Kutsche war von den Pionieren der Legion so gebaut worden, dass sie genau zwischen die Trittsteine der Straßen passte. Die schweren Holzräder waren mit einem Eisenband beschlagen und die Achsen frisch gefettet worden. Der Oberbau war vergoldet und glänzte in der Morgensonne, als wäre er aus massivem Gold.
Als Gaius näher kam, war der Legat gerade dabei, mit ernstem Gesicht seine Truppen zu inspizieren. Er sprach mit vielen seiner Männer, die ihm auch antworteten, dabei jedoch die Augen trotzdem streng geradeaus gerichtet hielten.
Endlich schien der Legat zufrieden zu sein und bestieg die Kutsche.
»Die Bewohner unserer Stadt werden diesen Tag niemals vergessen. Euer Anblick wird die Kinder dazu bringen, der Armee beizutreten, die uns alle beschützt. Auswärtige Botschafter werden uns beobachten und in ihren Beziehungen zu Rom noch vorsichtiger handeln, das Bild unserer Reihen stets im Hinterkopf. Kaufleute werden uns sehen und erkennen, dass es auf der Welt noch etwas anderes gibt als Geldverdienen. Frauen werden uns betrachten und ihre kleinen Männer mit den Besten Roms vergleichen! Seht euer Spiegelbild in ihren Augen, wenn wir vorbeiziehen. Ihr gebt den Menschen heute mehr als Brot und Münzen! Ihr zeigt ihnen, was Ruhm bedeutet!«
Die Männer jubelten bei den letzten Worten, und Gaius merkte, dass auch er einstimmte. Er ging zu der Kutsche mit dem Thron hinüber, und Marius erblickte ihn.
»Wo ist mein Platz, Onkel?«, fragte er.
»Hier oben, mein Junge. Stell dich auf meine rechte Seite, damit alle dich als Liebling meines Hauses kennen lernen.«
Gaius grinste, kletterte hinauf und nahm seine Position ein. Von seinem neuen erhöhten Standpunkt aus konnte er in die Ferne blicken, und ein Schauer der Erwartung durchfuhr ihn. Marius ließ den Arm fallen. Die Trompeten hallten entlang der langen Reihen. Die Legionäre machten ihren ersten Schritt auf der harten Erde.
Zu beiden Seiten des großen, goldenen Gefährts erkannte Gaius Gesichter von ihrem ersten blutigen Ausflug zum Senat wieder. Selbst an diesem Tag der Freude hatte Marius seine handverlesenen Männer um sich geschart. Nur ein Narr würde es riskieren, ein Messer zu werfen, während die Legion auf den Straßen war; sie würden die Stadt in einer grausamen Raserei zerstören. Trotzdem hatte Marius sie gewarnt, dass es immer wieder Narren gäbe, und seine Männer lächelten nicht.
»Einen solchen Tag erleben zu dürfen ist ein kostbares Geschenk der Götter«, verkündete Marius mit tönender Stimme.
Gaius nickte und ließ die Hand auf dem Thron ruhen.
»In der Stadt leben sechshunderttausend Menschen, und keiner von ihnen wird heute seinen Geschäften nachgehen. Schon jetzt fangen sie an, in den Straßen Spaliere zu bilden und sich Plätze an den Fenstern zu kaufen, um uns unterwegs zuzujubeln. Die Straßen sind mit frischen Binsen bestreut, einem Teppich, auf dem wir jeden Schritt der sechs Meilen gehen werden. Nur das Forum wird freigehalten, damit dort die gesamten fünftausend Mann Aufstellung nehmen können. Ich werde Jupiter einen Stier und Minerva einen Eber opfern, und dann, Gaius, werden du und ich, werden wir beide den Senat betreten, wo du deiner ersten Abstimmung beiwohnen wirst.«