Cornelia wurde rot, und Clodias Augenbrauen schossen in freudiger Überraschung in die Höhe. Der Triumphzug zog noch weitere zwei Stunden an ihnen vorbei, für Cornelia jedoch war das alles nur noch Zeitverschwendung.
Farben und Gesichter verschwammen miteinander, die Männer waren mit Blumen bedeckt, und die Sonne hatte ihren höchsten Stand erreicht, als sie Einzug auf dem Forum hielten. Marius gab seinem Wagenlenker ein Zeichen, die Kutsche nach ganz vorne zu manövrieren, vor die Stufen des Senats. Der weite Platz hallte von den Hufschlägen auf Stein wider, und langsam ließen sie den Lärm der Straßen hinter sich. Zum ersten Mal bemerkte Gaius Sullas Soldaten, die die Zugänge zum Platz und dahinter die brodelnde Menge der Zuschauer bewachten.
Nach dem farbenprächtigen Tumult während der Fahrt ins Zentrum der Stadt war es hier beinahe friedlich.
»Hier anhalten«, befahl Marius und erhob sich von seinem Thron, um den Einzug seiner Männer zu beobachten. Sie waren hervorragend gedrillt, kamen in exakt gebildeten Reihen anmarschiert und stellten sich eine nach der anderen auf, von der hintersten Ecke bis vor die Stufen des Senats, bis das gesamte Forum mit den schimmernden Reihen seiner Soldaten gefüllt war. Keine menschliche Stimme hätte alle Männer erreichen können, deshalb gab ein Trompetensignal das Kommando, Haltung anzunehmen. Mit einem Donnerhall fuhren die Hacken zusammen. Marius lächelte stolz und legte die Hand auf Gaius’ Schulter.
»Erinnere dich immer daran. Deshalb schleppen wir uns tausend Meilen von der Heimat entfernt über die Schlachtfelder.«
»Den heutigen Tag werde ich nie vergessen«, erwiderte Gaius ehrlich, und Marius’ Griff verstärkte sich einen Augenblick, ehe er losließ.
Marius ging zu einem weißen Bullen hinüber, den vier seiner Männer festhielten. Ein großer schwarzborstiger Eber wurde ebenfalls festgehalten, wehrte sich aber noch verzweifelt gegen seine Fesseln.
Marius bekam eine dünne Wachskerze gereicht und entzündete den Weihrauch in einer goldenen Schale. Seine Männer neigten die Köpfe, als er mit seinem Dolch vortrat und leise vor sich hin sprechend beiden Tieren die Kehle durchschnitt.
»Führe uns durch Krieg und Seuchen sicher zurück nach Hause in unsere Stadt«, sagte er. Er wischte die Klinge am Fell des Bullen ab, während dieser zu Boden sank und vor Angst und Schmerz brüllte. Dann schob er den Dolch in die Scheide zurück, legte einen Arm um Gaius’ Schulter, und gemeinsam stiegen sie die breiten weißen Stufen des Senatsgebäudes hinauf.
Hier war der Sitz der größten Macht der Welt. Säulen, die drei große Männer nicht umspannen konnten, trugen ein zu beiden Seiten schräg abfallendes Dach, auf dem sich wiederum Statuen erhoben. Am oberen Ende der Treppe befanden sich Bronzetüren, die sogar Marius klein erscheinen ließen. Sie waren verschlossen. Aus ineinander greifenden Füllungen hergestellt, wirkten sie, als hätte man sie erbaut, um anstürmende Armeen aufzuhalten, doch als das Paar die Treppe hinaufstieg, wurden die Türen langsam von innen aufgezogen. Marius nickte, und Gaius schluckte seine Ehrfurcht hinunter.
»Komm, mein Junge, lass uns zu unseren Herren gehen. Es schickt sich nicht, den Senat warten zu lassen.«
16
Auf der Straße zum Meer fragte sich Marcus, warum Renius so angespannt aussah. Vom Morgengrauen bis zum späten Nachmittag waren sie auf der gepflasterten Strecke schweigend abwechselnd im Trab und im Schritt geritten. Er hatte Hunger und fürchterlichen Durst, wollte es aber nicht zugeben. Mittags hatte er beschlossen, dass er nicht als Erster aufgeben würde, wenn Renius den ganzen Weg bis zum Hafen ohne Pause zurücklegen wollte.
Als schließlich der Geruch von totem Fisch und Algen die saubere Landluft verpestete, machte Renius Halt, und Marcus sah zu seiner Überraschung, wie bleich er war.
»Ich mache hier eine Pause, um einen Freund zu besuchen. Du kannst zum Hafen vorausreiten und dir dort ein Zimmer nehmen. Es gibt dort ein Gasthaus .«
»Ich komme mit dir«, sagte Marcus kurz.
»Wie du willst«, murmelte Renius mit zusammengebissenen Zähnen und bog von der Hauptstraße in einen kleineren Weg ab.
Verwundert folgte Marcus dem ehemaligen Gladiator auf dem Pfad, der sich meilenweit durch einen Wald schlängelte. Er fragte nicht, wohin der Weg führte, lockerte aber sein Schwert in der Scheide, für den Fall, dass sich im Laubwerk Banditen verbargen. Obwohl ein Schwert nicht viel gegen einen Bogen auszurichten vermochte, fiel ihm ein.
Die Sonne war dort, wo man sie durch das Blätterdach überhaupt sehen konnte, nicht mehr weit vom Horizont entfernt, als sie endlich ein kleines Dorf erreichten. Es bestand aus nicht mehr als zwanzig Häusern, machte jedoch einen gepflegten Eindruck. Neben den meisten Wohnhäusern sah man Hühner in Hühnerställen und angepflockte Ziegen. Marcus spürte keine Gefahr. Renius stieg vom Pferd.
»Kommst du mit rein?«, fragte er und ging auf eine Tür zu.
Marcus nickte und band die beiden Pferde an einem Pfahl fest. Als er damit fertig war, war Renius bereits hineingegangen, und mit gerunzelter Stirn legte Marius eine Hand auf den Dolch, als er eintrat. Drinnen war es ziemlich dunkel, nur eine Kerze und ein Feuer in der Feuerstelle spendeten Licht, doch er konnte sehen, wie Renius einen uralten Mann mit seinem guten Arm umarmte.
»Das ist mein Bruder Primus. Primus, das ist der Junge, von dem ich erzählt habe. Der mit mir nach Griechenland reist.«
Der Mann musste achtzig Jahre zählen, aber sein Händedruck war fest.
»Mein Bruder hat mir von den Fortschritten geschrieben, die du und der andere, Gaius, gemacht haben. Er mag niemanden, aber ich glaube, gegen euch beide hat er eine geringere Abneigung als gegen die meisten anderen Menschen.«
Marcus brummte etwas.
»Setz dich, Junge. Wir haben eine lange Nacht vor uns.« Er ging hinüber zu dem kleinen Holzfeuer und schob einen langen eisernen Schürhaken mitten in die Glut.
»Was ist denn los?«, fragte Marcus.
Renius seufzte. »Mein Bruder war früher Feldscher. Er wird mir den Arm abnehmen.«
Marcus spürte, wie ihn ein würgendes Grauen überfiel, als ihm klar wurde, was er zu sehen bekommen würde. Schuldgefühle meldeten sich und ließen ihn erröten. Er hoffte, Renius würde nicht erzählen, wie er verletzt worden war. Um seine Verlegenheit zu überspielen, sagte er: »Das hätten doch bestimmt auch Lucius oder Cabera machen können.«
Renius brachte ihn mit erhobener Hand zum Schweigen.
»Viele hätten es tun können, aber Primus war ... ist der Beste.«
Primus lachte gackernd und öffnete dabei einen Mund, in dem sich nur noch wenige Zähne befanden.
»Mein Bruder hat die Leute in Stücke gehauen, und ich musste sie wieder zusammenflicken«, sagte er fröhlich. »Dafür brauchen wir mehr Licht.« Er drehte sich zu einer Öllampe um und zündete sie mit einer Kerze an. Als er sich wieder umdrehte, musterte er Renius mit zusammengekniffenen Augen.
»Ich weiß, meine Augen sind nicht mehr so gut wie früher, aber hast du dir die Haare gefärbt?« Renius lief rot an. »Ich will von dir eigentlich nichts über deine schlechten Augen hören, ehe du an mir herumschneidest, Primus. Ich habe mich nur gut gehalten, das ist alles.«
»Verdammt gut«, pflichtete Primus bei.
Er leerte einen Lederbeutel mit Werkzeugen auf einer Tischplatte aus und wies seinen Bruder an, sich hinzusetzen. Als Marcus die Sägen und Nadeln erblickte, wünschte er sich, er hätte den Rat befolgt und wäre zum Hafen vorausgeritten, doch jetzt war es zu spät. Renius setzte sich.