»Was passiert ... damit?« Er deutete auf den Arm, der immer noch am Stuhl festgebunden war. Primus zuckte die Achseln. »Es kommt mir nicht richtig vor, das ganze Ding den Hunden zu geben. Wahrscheinlich vergrabe ich ihn irgendwo im Wald. Wenn ich es nicht tue, fängt er nur an zu faulen und zu stinken, aber viele Männer wollen so etwas behalten. An einer Hand hängen so viele Erinnerungen. Ich meine, diese Finger haben Frauen gehalten und Kinder gestreichelt. Es ist ein großer Verlust, aber mein Bruder ist stark. Ich hoffe nur, er ist auch stark genug hierfür.« »Unser Schiff legt in vier Tagen bei Flut ab«, sagte Marcus leise.
Primus kratzte sich am Kinn. »Er kann auf einem Pferd sitzen. Er wird noch ein paar Tage geschwächt sein, aber er ist stark wie ein Bulle. Das größte Problem wird das Gleichgewicht sein. Er wird den Umgang mit dem Schwert neu lernen, wird fast ganz von vorne anfangen müssen. Wie lange dauert die Seereise?«
»Einen Monat, bei gutem Wind«, antwortete Marcus.
»Nutze die Zeit. Übe jeden Tag mit ihm. Von allen Männern wird es meinem Bruder am wenigsten gefallen, nicht mehr zu allem in der Lage zu sein.«
17
Marius blieb vor der Tür zur inneren Senatskammer stehen.
»Du darfst erst eintreten, wenn du offiziell als Bürger aufgenommen bist, und auch dann nur als mein Tagesgast. Ich werde dich vorschlagen und eine kurze Rede zu deinen Gunsten halten. Das ist eine reine Formalität. Warte, bis ich zurückkomme und dir zeige, wo du sitzen darfst.«
Gaius nickte ruhig und trat zurück, während Marius an die Tür klopfte und eintrat, als sie sich öffnete. Der junge Mann blieb alleine im Vorraum zurück und ging eine Weile auf und ab.
Als ihm die Wartezeit nach zwanzig Minuten zu lang wurde, ging er hinüber zu den Türen, die nach draußen führten und offen standen. Von dort aus blickte er auf die Soldatenmassen hinab, die auf dem Forum standen. Sie boten einen beeindruckenden Anblick, wie sie trotz der Hitze des Tages unbeweglich strammstanden. Von der Höhe der Türen zum Senat aus, den ganzen riesigen Platz zu Füßen, hatte Gaius einen guten Blick auf die dahinter liegende geschäftige Stadt. Er war ganz in diesen Anblick vertieft, als er hinter sich die Angeln der Innentür knarren hörte und Marius heraustrat.
»Willkommen in der Nobilitas, Gaius. Du bist jetzt ein Bürger Roms, und dein Vater wäre stolz auf dich. Nimm neben mir Platz und höre dir die heutigen Themen an. Sie dürften dich wahrscheinlich sehr interessieren.«
Gaius folgte ihm und begegnete den Blicken der Senatoren, die seinen Eintritt beobachteten. Der eine oder andere nickte ihm zu, und er fragte sich, ob sie seinen Vater gekannt hatten. Er merkte sich ihre Gesichter, falls sich später die Gelegenheit ergeben sollte, mit ihnen zu reden. Unauffällig blickte er sich in dem Saal um und versuchte niemanden anzustarren. Die Welt hörte auf das, was diese Wenigen zu sagen hatten.
Die Anordnung ähnelt einem Circus im Miniaturformat, dachte er, als er sich auf den Platz setzte, den ihm Marius anwies. Fünf treppenartig ansteigende Reihen umringten einen freien Platz in der Mitte, von dem aus jeweils ein Redner zu den anderen sprechen konnte. Gaius erinnerte sich daran, von seinen Tutoren gelernt zu haben, dass die Rednerbühne aus dem Bug eines karthagischen Kriegschiffs bestand, und der Gedanke an ihre Geschichte faszinierte ihn.
Die Sitze waren in die geschwungenen Reihen eingelassen, mit Armlehen aus dunklem Holz, die überall dort hervorstanden, wo sie nicht von sitzenden Männern verdeckt wurden. Alle trugen weiße Togen und Sandalen, und es entstand der Eindruck, in einem Arbeitsraum zu sein, einem Ort, der vor Energie nur so knisterte. Die meisten Mitglieder waren weißhaarig, doch es waren auch ein paar jüngere, kräftige Männer darunter. Einige Senatoren standen. Gaius vermutete, dass das als Zeichen dafür diente, ein Argument vorbringen oder zur aktuellen Debatte beitragen zu wollen. Sulla selbst stand in der Mitte und redete über Steuern und Getreide. Als er Gaius sah, der zu ihm herüberblickte, lächelte er dem jungen Mann zu, und Gaius spürte die Macht, die hinter diesem Lächeln steckte. Hier war noch jemand wie Marius, stellte er in diesem Augenblick fest, aber gab es in Rom genug Platz für zwei von dieser Sorte? Sulla sah aus wie damals, als er ihn bei den Spielen gesehen hatte. Er war in eine einfache weiße Toga gehüllt, mit einem roten Band als Gürtel. Sein Haar war geölt und glänzte in dunkelgoldenen Locken. Er strahlte Gesundheit und Lebenskraft aus und schien vollkommen entspannt. Als Gaius den Platz neben seinem Onkel einnahm, hustete Sulla taktvoll in eine Hand.
»Ich denke, wegen der heute anstehenden ernsteren Dinge kann diese Steuerdebatte auf die kommende Woche vertagt werden. Gibt es Einwände dagegen?« Die, die gestanden hatten, setzten sich wieder und sahen nicht verärgert aus. Sulla lächelte erneut und zeigte seine weißen, ebenmäßigen Zähne.
»Ich heiße den neuen Bürger willkommen und möchte der Hoffnung des Senats Ausdruck verleihen, dass er der Stadt ebenso gut dienen wird wie sein Vater.« Zustimmendes Gemurmel ertönte, und Gaius neigte dankend den Kopf.
»Unsere offizielle Begrüßung muss allerdings im Augenblick noch warten. Ich habe heute Morgen ernste Nachrichten von einer Gefahr erhalten, die der Stadt droht.« Er machte eine Pause und wartete höflich, bis die Senatoren aufhörten zu reden. »Im Osten hat ein griechischer General namens Mithridates eine unserer Garnisonen in Kleinasien überrannt. Hinter ihm könnten bis zu achttausend Aufständische stehen. Sie haben offensichtlich bemerkt, wie dünn gestaffelt unsere Truppen standen und setzen jetzt darauf, dass wir nicht in der Lage sind, das Gebiet zurückzuerobern. Wenn wir jedoch nichts unternehmen, um ihn zurückzuschlagen, laufen wir Gefahr, dass seine Armee an Stärke zunimmt und die Sicherheit unserer griechischen Besitzungen bedroht.«
Mehrere Senatoren sprangen auf, und sofort entspannen sich lebhafte Wortgefechte in den Reihen. Sulla hob die Hände und bat um Ruhe.
»Es muss eine Entscheidung getroffen werden. Die Legionen, die bereits in Griechenland stehen, sind damit beschäftigt, die unsicheren Grenzen zu bewachen. Sie haben nicht genug Männer, um dieser neuen Bedrohung entgegenzutreten. Wir dürfen die Stadt nicht ohne Schutz lassen, vor allem nicht nach den jüngsten Aufständen, aber ebenso wichtig ist es, eine Legion zu entsenden, die Mithridates im Felde entgegentritt. Griechenland erwartet mit Spannung unsere Reaktion. Sie muss rasch und heftig sein.«
Mehrere Köpfe nickten eifrig. Rom war nicht auf Behutsamkeit und Kompromissen erbaut worden. Gaius kam plötzlich ein Gedanke, und er sah Marius an. Der Legat hatte die Hände vor sich zu Fäusten geballt; sein Gesicht war angespannt und kalt.
»Marius und ich kommandieren jeder eine Legion. Wir sind Mithridates um Monate näher als jede andere Legion aus dem Norden. Die Entscheidung, die ich zur Abstimmung bringen möchte, betrifft die Frage, welche von den beiden sich einschiffen soll, um der feindlichen Armee zu begegnen.«
Er blickte kurz zu Marius hinüber, und zum ersten Mal sah Gaius die Bosheit in seinen Augen leuchten. Marius erhob sich, und schlagartig wurde es still im Saal. Diejenigen, die gestanden hatten, setzten sich wieder, um dem anderen Konsul die Möglichkeit zu geben, als Erster zu antworten. Marius legte die Hände auf den Rücken, und Gaius sah, wie die Knöchel weiß hervortraten.
»Ich habe an Sullas Vorschlag nichts auszusetzen. Die Situation ist klar: Unsere Streitkräfte müssen sich aufteilen, um Rom und unsere fernen Besitztümer zu verteidigen. Ich muss ihn fragen, ob er sich freiwillig als derjenige meldet, der die Eindringlinge vertreiben wird.«