Pompeius blinzelte und wandte sich an Marius. »Ist er ein Narr?«
Marius lachte. »Nein. Er weiß nur nicht, ob ich dir vertraue oder nicht. Ich vermute, er hat meine Pläne schon lange erraten.«
»Was wird dein Onkel tun, wenn Sulla zurückkehrt?«, flüsterte Pompeius nah an Gaius’ Ohr.
»Er wird die Tore schließen. Wenn Sulla mit Gewalt einzudringen versucht, wird ihn der Senat zum Feind Roms erklären. Er wird entweder eine Belagerung beginnen oder sich zurückziehen müssen. Ich vermute, er wird sich Marius’ Befehl unterstellen, wie es jeder Feldgeneral dem Konsul von Rom gegenüber tun würde.«
Pompeius stimmte ihm ungerührt zu. »Ein gefährlicher Weg, wie ich schon sagte. Ich kann dich nicht öffentlich unterstützen, aber privat werde ich mein Möglichstes für dich tun. Glückwunsch zu deinem Triumphzug. Du hast prächtig ausgesehen.« Er gab seinen beiden Begleitern ein Zeichen, und sie gingen davon.
Gaius blickte sich um und sah ein paar von Sullas Senatoren in der Nähe stehen, die mit unverhohlener Feindseligkeit hinüberblickten. Er folgte Marius hinaus aufs Forum, wo sie sich an einer Stelle auf die Steinstufen setzten, an der niemand ihre Gespräche belauschen konnte. Nicht weit von ihnen standen die Erstgeborenen immer noch stramm. In ihren glänzenden Rüstungen sahen sie unbesiegbar aus. Es war ein merkwürdiges Gefühl, in der Gegenwart von Tausenden ganz entspannt mit seinem Onkel auf den Stufen des Senats zu sitzen.
Gaius konnte nicht länger an sich halten.
»Wie hast du es geschafft, die Abstimmung zu deinen Gunsten zu entscheiden?«
Marius fing an zu lachen und wischte sich den plötzlich auftretenden Schweiß von der Stirn.
»Mit Planung, mein Junge. Ich habe von der Landung des Mithridates’ praktisch in dem Augenblick erfahren, als sie stattgefunden hat. Tage vor Sulla. Ich habe das älteste Hilfsmittel der Welt benutzt, um die Zauderer im Senat dazu zu bringen, für mich zu stimmen, und trotzdem ging es knapper aus, als mir lieb war. Das Ganze hat mich ein Vermögen gekostet, aber ab morgen früh habe ich die Kontrolle über Rom.«
»Er wird zurückkehren«, warnte ihn Gaius.
Marius schnaubte. »In sechs Monaten vielleicht. Er könnte auf dem Schlachtfeld fallen oder sogar gegen Mithridates verlieren; ich habe gehört, dass er ein gerissener Legat ist. Selbst wenn ihn Sulla im Eiltempo schlägt und auf dem Hin- und Rückweg nach Griechenland günstige Winde hat, bleiben mir mehrere Monate zur Vorbereitung. Abziehen kann er ohne jede Schwierigkeiten, aber wieder hinein wird er nicht ohne Kampf kommen.«
Gaius schüttelte bei dieser Bestätigung seiner Gedanken ungläubig den Kopf.
»Und was passiert jetzt? Kehren wir in dein Haus zurück?«
Marius lächelte traurig, als er antwortete. »Nein. Ich musste es für die Bestechungsgelder verkaufen. Sulla war bereits dabei, sie zu bestechen, also musste ich in den meisten Fällen sein Angebot verdoppeln. Es hat mich meinen gesamten Besitz gekostet, außer meinem Pferd, meinem Schwert und meiner Rüstung. Ich bin vielleicht der erste mittellose Legat, den Rom je hatte.« Er lachte leise.
»Hättest du die Abstimmung verloren, wäre alles dahin gewesen«, flüsterte Gaius, entsetzt über den Einsatz.
»Aber ich habe nicht verloren! Ich habe Rom, und meine Legion steht vor uns.«
»Trotzdem . was hättest du getan, wenn du verloren hättest?«
Marius blies verächtlich Luft zwischen den Lippen hervor. »Ich wäre natürlich losgezogen, um gegen Mithridates zu kämpfen. Bin ich denn kein Diener der Stadt? Allerdings müsste jemand schon sehr mutig sein, um mein Bestechungsgeld anzunehmen und dann gegen mich stimmen, wenn meine Legion draußen vor der Tür wartet, oder nicht? Wir müssen dankbar sein, dass der Senat das Gold so hoch schätzt. Diese Senatoren denken an neue Pferde und Sklaven, aber sie waren nie so arm, wie ich es gewesen bin. Für mich ist Geld nur das, was es mir bringt, und hier hat es mich hergebracht, auf diese Stufen, mit der größten Stadt der Welt im Rücken. Kopf hoch, Junge, heute ist ein Tag der Freude, nicht des Bedauerns.«
»Nein, da hast du Recht. Ich musste nur gerade an Marcus und Renius denken, die nach Osten unterwegs sind, um sich der Vierten Makedonischen anzuschließen. Es ist durchaus möglich, dass sie auf diesen Mithridates treffen, der aus der anderen Richtung kommt.«
»Ich hoffe nicht. Die beiden würden diesen Griechen zum Frühstück verspeisen, und ich finde, Sulla sollte wenigsten noch ein bisschen was zu tun haben, wenn er dort ankommt.«
Gaius lachte, dann erhoben sich beide. Marius blickte auf seine Legion, und Gaius konnte die Freude und den Stolz förmlich spüren, den er versprühte.
»Das war ein guter Tag. Du hast die Mächtigen dieser Stadt kennen gelernt, und ich bin von den Menschen gefeiert und vom Senat unterstützt worden. Ach, übrigens, wegen deiner Sklavin ... diesem hübschen Ding? Ich an deiner Stelle würde sie verkaufen. Es ist eine Sache, wenn man ein Mädchen ein paarmal flachlegt, aber du scheinst sie gern zu haben, und das verheißt nichts als Ärger.«
Gaius wendete sich ab und biss sich auf die Lippen. Gab es denn nirgends mehr Geheimnisse? Ohne das Unbehagen seines Begleiters zu bemerken, fuhr Marius vergnügt fort: »Hast du sie denn überhaupt schon mal ausprobiert? Nein? Vielleicht schlägst du sie dir dann ja aus dem Kopf. Ich kenne ein paar gute Häuser, falls du vorher ein paar Erfahrungen sammeln willst. Frag mich einfach, wenn du so weit bist.«
Gaius antwortete nicht, aber seine Wangen glühten.
Marius ließ den Blick mit unverhohlenem Stolz über die Primigenia-Legion schweifen, die immer noch in Reih und Glied vor ihnen stand.
»Sollen wir mit den Männern zur Stadtkaserne marschieren, mein Junge? Ich glaube, sie könnten nach dem ganzen Marschieren und dem Herumstehen in der Sonne eine anständige Mahlzeit und ein paar Stunden Schlaf vertragen.«
18
Marcus blickte hinaus aufs Mittelmeer und atmete die warme Luft mit dem leichten Salzgeschmack ein. Nach einer Woche auf See hatte ihn die Langeweile überkommen. Er kannte inzwischen jeden Zoll des kleinen Handelsschiffs und hatte sogar schon im Frachtraum geholfen, die Amphoren mit dem dickflüssigen Öl und die Ebenholzplanken aus Afrika zu zählen. Eine Weile hatten die Hunderte von Ratten unter Deck sein Interesse geweckt, und bewaffnet mit einem Dolch und einem Briefbeschwerer aus Marmor, den er aus der Kabine des Kapitäns gestohlen hatte, hatte er zwei Tage damit verbracht, in der Dunkelheit zu ihren Nestern zu kriechen. Nachdem er Dutzende von ihren kleinen Leibern über Bord geworfen hatte, kannten sie seinen Geruch oder seinen vorsichtigen Schritt und zogen sich in Ritzen tief im Leib des Schiffes zurück, sobald er den Fuß auf die Leiter setzte, die unter Deck führte.
Seufzend betrachtete er den Sonnenuntergang. Die Farben der im Meer versinkenden Sonne schlugen ihn immer noch in ihren Bann. Als Passagier hätte er die ganze Reise über in seiner Kabine bleiben können, so wie Renius es offensichtlich vorhatte, doch der winzige, beengte Raum bot keinerlei Unterhaltung, und Marcus benutzte ihn schon bald nur noch zum Schlafen. Der Kapitän hatte ihm erlaubt, eine Wache zu übernehmen, und er hatte sich sogar an den beiden großen Steuerrudern versucht, die sich hinten oder am Heck, wie er gelernt hatte, befanden, aber sein Interesse war schnell erlahmt.
»Noch ein paar Wochen, und ich bin reif für den Selbstmord«, murmelte er vor sich bin, während er mit dem Messer seine Initialen in die hölzerne Reling ritzte. Hinter sich hörte er ein schlurfendes Geräusch, doch er drehte sich nicht um, sondern lächelte nur und betrachtete weiter den Sonnenuntergang. Eine Weile blieb es still, dann ertönte wieder ein Geräusch, so wie es ein kleiner Körper macht, wenn er eine bequemere Position sucht.
Marcus wirbelte herum und warf sein Messer von unten, so wie es ihm Renius einmal beigebracht hatte. Es schlug dumpf in den Mast und blieb dort zitternd stecken. Ein erschrockener Aufschrei war die Folge, und schmutzige weiße Füße blitzten auf, als sich irgendetwas tiefer in den Schatten verkroch und dabei auch noch leise zu sein versuchte.