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Unten angekommen drohte sein Lunge zu platzen. Es gelang ihm, sich ein paar Sekunden lang zu halten, während seine Hände in dem Schleim herumsuchten, aber er spürte nichts, was sich wie eine der von Crixus beschriebenen Muscheln anfühlte. Fluchend tauchte er mit strampelnden Beinen wieder an die Oberfläche. Da er sich nicht an den Rudern festhalten und ausruhen konnte, spürte er, wie ihn seine Kräfte rasch verließen.

Wieder holte er Luft und tauchte hinab in die Finsternis.

Crixus spürte die Gegenwart des alten Gladiators, noch ehe dieser neben ihn trat und auf das zitternde Tau hinabstarrte, das zwischen den Rudern ins Wasser führte. Als er seinem Blick begegnete, konnte Crixus die verhaltene Wut sehen und wich automatisch einen Schritt zurück. »Was machst du da?«, fragte Renius ruhig.

»Er überprüft die Ruder und schneidet Entenmuscheln ab«, erwiderte Crixus.

Renius’ Lippen verzogen sich vor Missmut. Selbst einarmig strahlte er Gewalttätigkeit aus, obwohl er vollkommen still dastand. Crixus sah den Gladius, der an seinem Gürtel hing, und wischte sich die Hände an seinen zerlumpten Beinkleidern ab. Gemeinsam beobachteten sie, wie Marcus dreimal an die Oberfläche kam und wieder hinabtauchte. Seine Arme schlugen ziellos im Wasser unter ihnen umher, und beide Männer konnten sein erschöpftes Husten hören.

»Zieh ihn jetzt hoch. Ehe er sich ertränkt«, sagte Renius.

Crixus nickte schnell und begann, Hand über Hand das Seil einzuholen. Renius bot ihm seine Hilfe nicht an, doch die Art und Weise, wie er dastand, die Hand auf den Griff seines Schwertes gelegt, war Ansporn genug.

Crixus war schweißgebadet, als Marcus die Höhe des Decks erreichte. Er hing beinahe leblos an dem Seil, und seine Glieder waren so müde, dass sie ihm nicht mehr gehorchen wollten.

Crixus zerrte ihn wie einen Stoffballen an Deck und drehte ihn mit dem Gesicht nach oben. Marcus hatte die Augen geschlossen und atmete schwer. Crixus lächelte, als er den Dolch sah, den der junge Mann immer noch umklammert hielt. Kaum streckte er die Hand danach aus, da vernahm er ein leises, singendes Geräusch hinter sich und erstarrte, als Renius ihm das Schwert vor das Gesicht hielt.

»Was hast du denn jetzt vor?«

»Ich nehme mir den Dolch! Er ... er sollte eine Muschel mitbringen ...«:, stotterte Crixus.

»Sieh in seiner anderen Hand nach«, brummte Renius.

Marcus konnte ihn durch das Geräusch von Wasser in seinen Ohren und den Schmerzen in seiner Brust und seinen Gliedern kaum hören, aber er öffnete die linke Faust. Dort lag, umgeben von Kratzern und Schnitten, eine runde Muschel, in deren Innern ihr Bewohner nass glänzte.

Crixus’ Kiefer klappte nach unten, und Renius winkte ihn mit seinem Schwert fort.

»Der zweite Maat soll die Männer zusammenrufen . Parus hieß er. Das hier ist weit genug gegangen.«

Nach einem kurzen Blick auf das Schwert und das Gesicht des Mannes verzichtete Crixus auf Widerworte. Renius kniete sich neben Marcus und schob das Schwert zurück in die Scheide. Er schlug dem Jungen ein paarmal mit der flachen Hand in das bleiche Gesicht und brachte etwas Farbe zurück. Marcus hustete jämmerlich.

»Ich dachte, du hörst endlich auf, nachdem du fast von der Rah gefallen bist. Ich weiß nicht, was du damit beweisen willst, aber bleib jetzt hier und ruh dich aus, während ich mich um die Männer kümmere.«

Marcus wollte etwas sagen, aber Renius schüttelte den Kopf.

»Sei still. Mit solchen Männern habe ich mein ganzes Leben lang zu tun gehabt.«

Ohne ein weiteres Wort stand er auf, ging hinüber zu der versammelten Mannschaft und baute sich so vor ihnen auf, dass alle ihn sehen konnten. Obwohl er durch fest zusammengebissene Zähne sprach, konnten alle seine Stimme vernehmen.

»Sein Fehler war es, von Abschaum wie euch ehrenhaftes Verhalten zu erwarten. Ich für mein Teil habe nicht vor, euer Vertrauen oder euren Respekt zu gewinnen. Ich stelle euch jetzt einfach vor die Wahl. Erledigt eure Aufgaben ordentlich. Arbeitet hart, geht eure Wachen und sorgt dafür, dass alles glatt geht, bis wir den Hafen erreichen. Ich habe mehr Männer getötet, als ich zu zählen vermag, und ich werde jedem Mann, der mir in dieser Angelegenheit nicht gehorcht, die Eingeweide aufschlitzen. Und jetzt seid Männer! Falls einer von euch jetzt noch mit mir darüber streiten will, dann möge er sich ein Schwert nehmen, seine Freunde holen und mich angreifen.« Seine Stimme wuchs zu einem Brüllen an. »Verzieht euch nicht einfach wie alte Weiber in der Sonne, um in irgendwelchen Ecken finstere Pläne zu schmieden! Sprecht jetzt, kämpft jetzt, denn wenn ihr es nicht tut, spalte ich jedem, den ich später beim Flüstern erwische, den Schädel, das schwöre ich!«

Er funkelte sie wütend an, und die Männer starrten auf ihre Füße. Keiner sagte etwas, und auch Renius schwieg. Sein Schweigen hielt an, bis es schmerzte. Niemand rührte sich; wie Statuen standen sie an Deck. Endlich atmete der alte Gladiator tief ein und knurrte sie an.

»Nicht ein Einziger von euch besitzt den Mut, gegen einen alten, einarmigen Mann zu kämpfen? Dann macht euch wieder an eure Arbeit. Und macht sie gut, denn ich behalte jeden Einzelnen von euch im Auge, und ab jetzt wird keiner mehr gewarnt.«

Er schritt durch sie hindurch, und sie machten ihm schweigend Platz. Crixus blickte Parus an und zuckte kurz die Achseln, während er mit den anderen zurückwich. Die Lucidae segelte ruhig weiter über das kalte Meer.

Renius ließ sich gegen die Kabinentür fallen, nachdem er sie hinter sich zugemacht hatte. Er spürte die Nässe unter seinen Achseln und fluchte leise vor sich hin. Er war es nicht gewohnt, Männer durch leere Worte zum Gehorsam zu bringen, doch seine Balance war schrecklich, und er wusste, wie schwach er noch war. Er wollte schlafen, musste aber zuerst seine Übungen zu Ende bringen. Seufzend zog er seinen Gladius und ging die Streiche durch, die er vor einem halben Jahrhundert gelernt hatte, schneller und schneller, bis die Klinge in dem kleinen Raum die Decke traf und stecken blieb. Renius fluchte wütend, und die Männer, die sich in der Nähe seiner Tür befanden, hörten ihn und sahen sich mit weit aufgerissenen Augen an.

In dieser Nacht stand Marcus allein am Bug, blickte auf die vom Mond angestrahlten Wellen hinaus und fühlte sich elend. Alle Bemühungen des Tages hatten ihm nichts eingebracht, und das Bewusstsein, dass Renius alles für ihn hatte in Ordnung bringen müssen, lastete wie ein Eisengewicht auf seiner Brust.

Er hörte leise Stimmen hinter sich, wirbelte herum und sah schwarze Gestalten um die Kabinenaufbauten herumkommen. Er erkannte Crixus und Parus und den Mann aus der Takelage, dessen Namen er nicht kannte. Er wappnete sich gegen die Schläge, denn er wusste, dass er es nicht mit allen auf einmal aufnehmen konnte, doch Crixus hielt ihm einen Lederbecher mit einer dunklen Flüssigkeit hin. Er lächelte unsicher, weil er nicht wusste, ob Marcus ihm den Becher aus der Hand schlagen würde.

»Hier. Ich habe versprochen, dir einen auszugeben, wenn du eine Muschel mitbringst. Ich halte meine Versprechen.«

Marcus nahm den Becher, und die drei Männer entspannten sich sichtlich. Sie kamen näher, lehnten sich über die Reling und blickten hinaus auf das schwarze Wasser, das unter ihnen hinwegrauschte. Alle drei hatten ähnliche Becher in den Händen, und Crixus füllte sie aus einem weichen Lederbeutel, der gurgelte, als er sein Gewicht unter seinem Arm verlagerte.

Marcus roch die bittere Flüssigkeit, als er den Becher zu seinem Mund führte. Er hatte noch nie etwas Stärkeres als Wein getrunken und nahm einen großen Schluck, ehe er merkte, dass das Zeug, was immer es auch sein mochte, auf den Wunden an Lippen und Zahnfleisch brannte. Unwillkürlich schluckte er es hinunter, nur um den Mund zu leeren, und begann sofort zu husten, als das Feuer in seinem Magen explodierte. Er schnappte nach Luft und Parus klopfte ihm mit gleichmütigem Gesicht auf den Rücken.