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Enttäuscht schob sie die Scheibe in die Tasche zurück.

»Tut mir Leid«, sagte er.

Dann sah er sie an und fuhr fort: »Ich heiße Tabbic. Du kennst mich nicht, aber ich habe einen Ruf zu verlieren. Ich bin für meine Ehrlichkeit bekannt, und vielleicht auch für meinen Stolz.« Er hielt eine andere Metallscheibe hoch, eine, die grausilbern schimmerte.

»Das ist Zinn. Es ist weicher als Bronze. Es lässt sich leichter bearbeiten. Man kann es hübsch polieren, und es verfärbt sich nicht so hässlich, sondern wird nur stumpf. Nimm es mit und gib es mir zurück, wenn du etwas daraus gemacht hast. Dann hefte ich eine Nadel daran und verkaufe es als Mantelspange für einen Legionär. Wenn sie genauso gut wird wie die bronzene, bekomme ich womöglich eine Silbermünze dafür. Davon ziehe ich den Preis für das Zinn und die Nadel ab, so bleiben für dich sechs, vielleicht sieben Quadranten übrig. Ein Vermittlungsgeschäft, verstehst du?«

»Wo ist dein Profit bei diesem Geschäft?«, fragte Alexandria, die bei dieser Wendung des Schicksals große Augen machte.

»Bei diesem ersten Geschäft verdiene ich nichts. Ich investiere ein wenig in das Talent, das du meiner Meinung nach besitzt. Grüße Bant von mir, wenn du ihn wieder siehst.«

Alexandria steckte die Zinnscheibe ein und musste erneut gegen die Tränen ankämpfen. So viel Freundlichkeit war sie nicht gewöhnt.

»Ich danke dir. Und die Bronze werde ich Marius geben.«

»Das solltest du auch, Alexandria.«

»Woher ... woher weißt du, wie ich heiße?«

Tabbic nahm den Ring, an dem er gearbeitet hatte, als sie hereinkam.

»Wenn ich Bant treffe, redet er kaum noch von etwas anderem.«

Alexandria musste sich sputen, wenn sie vor Ablauf der zwei Stunden zurück sein wollte, aber ihre Füße waren leicht und am liebsten hätte sie laut gesungen. Sie würde aus der Zinnscheibe etwas Schönes schaffen, und Tabbic würde sie für mehr als eine Silbermünze verkaufen und weitere bei ihr in Auftrag geben, bis ihre Arbeit ihr Goldstücke einbrachte, und eines Tages würde sie ihr gesamtes Geld nehmen und sich damit freikaufen. Frei. Was für ein Schwindel erregender Traum!

Als sie in Marius’ Haus eingelassen wurde, drangen die Düfte des Gartens in ihre Lunge, und sie blieb einen Augenblick lang stehen, um einfach nur die köstliche Abendluft einzuatmen. Carla kam ihr entgegen und nahm ihr die Taschen und die Münzen ab, wobei sie wie üblich angesichts der Summe der Ersparnisse nickte. Falls die Frau eine Veränderung an Alexandria festgestellt hatte, so ließ sie es sich nicht anmerken, nur ein kurzes Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie die Einkäufe in die kühlen Kellerräume schaffte, wo sie nicht so rasch verderben würden.

Allein mit ihren Gedanken, bemerkte Alexandria Gaius zunächst überhaupt nicht. Sie hatte ihn auch nicht erwartet. Er verbrachte fast den ganzen Tag damit, den mörderischen Zeitplan seines Onkels einzuhalten und kam nur ins Haus, um etwas zu essen und zu schlafen. Die Torwachen ließen ihn kommentarlos ein; sie waren an sein Kommen und Gehen gewöhnt. Als er Alexandria im Garten stehen sah, hielt er kurz inne und erfreute sich einfach nur an ihrem Anblick. Der Abend brach mit spätsommerlicher Trägheit herein, die die Luft weich machte und dem Licht Stunden vor seinem endgültigen Schwinden einen zarten Graustich verlieh.

Als er auf sie zukam, drehte sie sich um und lächelte ihn an.

»Du siehst glücklich aus«, sagte er und erwiderte ihr Lächeln.

»Das bin ich auch«, antwortete sie.

Seit damals im Stall auf dem Landgut hatte er sie nicht mehr geküsst, doch er spürte, dass die Zeit dafür endlich gekommen war. Marcus war fort, und das Stadthaus schien verlassen zu sein. Er beugte sich zu ihr hinunter, und sein Herz klopfte schmerzhaft, fast so, als hätte er Angst.

Er spürte ihren warmen Atem, ehe sich ihre Lippen berührten, und dann schmeckte er sie und zog sie wie selbstverständlich in seine Arme. Ihre Körper schienen mühelos zusammenzupassen.

»Ich kann dir gar nicht sagen, wie oft ich daran gedacht habe«, murmelte er.

Sie sah ihm in die Augen und wusste, dass es etwas gab, das sie ihm schenken konnte, und sie wusste, dass sie ihm dieses Geschenk machen wollte.

»Komm mit in meine Kammer«, flüsterte sie und nahm seine Hand.

Wie im Traum folgte er ihr durch den Garten in ihre Unterkunft.

Carla sah die beiden gehen.

»Wurde aber auch verdammt noch mal Zeit«, murmelte sie.

Zuerst befürchtete Gaius, er würde sich ungeschickt anstellen, oder schlimmer noch, zu hastig, doch Alexandria lenkte seine Bewegungen, und ihre Hände fühlten sich auf seiner Haut kühl an. Sie nahm eine kleine Flasche mit parfümiertem Öl von einem Regal, und er sah zu, wie sie ein paar Spritzer auf ihre Handflächen tropfen ließ. Der schwere Duft drang in seine Lunge, als sie rittlings auf ihm saß und das Öl zärtlich auf seiner Brust verrieb. Dann rieb sie weiter unten, und er keuchte auf. Er nahm etwas davon von seiner Haut und streckte die Hand nach ihren Brüsten aus, erinnerte sich daran, wie er ihre sanfte Wölbung zum ersten Mal vor so langer Zeit im Hof des Landguts gesehen hatte. Er presste den Mund zuerst auf die eine, dann an die andere, schmeckte ihre Haut und bewegte die Lippen über die öligen Brustwarzen. Sie öffnete leicht den Mund und schloss bei seiner Berührung die Augen. Dann beugte sie sich herab und küsste ihn, und ihr offenes Haar fiel über sie beide herab.

Als der Abend dunkler wurde, vereinigten sie sich ungestüm, und dann noch einmal, verspielter und mit mehr Wonne. Ohne die Kerzen war nur wenig Licht in ihrer Kammer, aber ihre Augen leuchteten, und ihre Gliedmaßen waren wie dunkles Gold, als sie sich unter ihm bewegte.

Als er kurz vor Tagesanbruch erwachte, sah er, dass sie ihn beobachtete.

»Das war mein erstes Mal«, sagte er leise. Etwas riet ihm, ihr die Frage nicht zu stellen, doch er musste es wissen. »War es auch für dich das erste Mal?«

Sie lächelte, doch es war ein trauriges Lächeln.

»Ich wünschte, es wäre so«, sagte sie. »Ehrlich.«

»Hast du . mit Marcus?«

Ihre Augen weiteten sich ein wenig. War er wirklich so unschuldig, dass er die Beleidigung nicht bemerkte?

»Das hätte ich wohl, ganz bestimmt«, erwiderte sie schnippisch, »aber er hat nicht gefragt.« »Entschuldige«, sagte er errötend. »Ich wollte nicht .«

»Hat er das behauptet?«, wollte Alexandria wissen.

»Ja«, antwortete Gaius mit ernstem Gesicht. »Er hat ziemlich damit angegeben.«

»Bei den Göttern!«, rief Alexandria wütend und suchte ihre Kleider zusammen. »Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, ramme ich ihm einen Dolch ins Auge!«

Gaius nickte und versuchte bei dem Gedanken, wie Marcus nichtsahnend zurückkehrte, nicht zu grinsen.

Sie zogen sich in aller Eile an. Keiner von beiden wollte, dass er von den Klatschmäulern gesehen wurde, wie er vor Sonnenaufgang aus ihrer Kammer kam. Sie verließ mit ihm die Sklavenunterkünfte, und sie setzten sich in den Garten, ließen sich von dem warmen Wind fächeln, der durch die Stille strich.

»Wann sehe ich dich wieder?«, fragte er leise.

Sie schaute weg, und er dachte schon, sie wollte ihm nicht antworten. Er bekam es mit der Angst zu tun.

»Gaius ... ich habe jede Sekunde der vergangenen Nacht genossen. Dich zu berühren, dich zu spüren, und dich zu schmecken. Aber du wirst eine Tochter Roms heiraten. Weißt du, dass ich keine Römerin bin? Meine Mutter kam aus Karthago, sie wurde als Kind von dort verschleppt und in die Sklaverei verkauft, und dann zur Hure gemacht. Ich bin spät zur Welt gekommen. Sie hätte mich niemals so spät bekommen dürfen. Danach kam sie nie wieder richtig zu Kräften.« »Ich liebe dich«, sagte Gaius, der wusste, dass es zumindest in diesem Augenblick stimmte, und dabei hoffte, es möge genügen. Er wollte ihr etwas geben, das ihr zeigte, dass sie ihm mehr bedeutete als eine Nacht der Lust.