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Er schloss die Augen und hoffte, seine Beine würden ihm nicht vorzeitig den Dienst versagen. Mithridates lag auf den Knien und spuckte Blut über seinen Bart auf den Boden. Er hielt den Kopf geneigt. Er war ein Stier von einem Mann und hatte in der Schlacht am Morgen viele Soldaten getötet. Sogar jetzt noch, da seine Arme gefesselt und ihm seine Waffen genommen waren, hielten die römischen Legionäre respektvollen Abstand. Er lachte immer wieder auf, doch das Lachen klang bitter. Im weiten Umkreis lagen Hunderte von Männern, die seine Freunde und Anhänger gewesen waren, der Geruch nach Blut und offenen Eingeweiden hing in der Luft.

Seine Frau und seine Töchter waren aus seinem Zelt gerissen und von kaltäugigen Soldaten abgeschlachtet worden. Seine Generäle waren gepfählt worden, ihre leblosen Körper wurden von mannshohen Spießen aufrecht gehalten. Es war ein trostloser Tag, an dem er alles so enden sah. Seine Gedanken eilten durch all die Monate zurück, kosteten noch einmal die Freuden der Rebellion, den Stolz, als starke Griechen aus allen Städten unter sein Banner geströmt kamen, angesichts eines gemeinsamen Feindes wieder vereint. Eine Zeit lang schien alles möglich, doch jetzt schmeckte er nur noch Asche im Mund. Er erinnerte sich an die erste gefallene Festung, an die Ungläubigkeit und die Scham in den Augen des römischen Präfekten, der mit ansehen musste, wie sie niederbrannte.

»Sieh dir die Flammen an«, hatte ihm Mithridates zugeflüstert. »So wird es Rom ergehen.« Der Römer hatte etwas antworten wollen, aber Mithridates hatte ihn mit einem raschen Schnitt durch die Kehle und unter dem Jubel seiner Männer zum Schweigen gebracht.

Jetzt war er als Letzter der Freunde übrig, die gewagt hatten, das Joch der römischen Regentschaft abzuwerfen.

»Ich bin frei gewesen«, murmelte er durch das Blut, doch die Worte munterten ihn nicht mehr auf, so wie sie es ehedem getan hatten.

Trompeten erschallten, und Pferde kamen durch eine frei gemachte Gasse zu der Stelle galoppiert, wo Mithridates wartend auf den Fersen hockte. Er hob den zottigen Kopf, das lange Haar fiel ihm über die Augen. Die Legionäre neben ihm nahmen schweigend Haltung an. Da wusste er, wer es sein musste. Ein Auge war mit Blut verklebt, aber durch das andere sah er eine goldene Gestalt von einem Hengst steigen und die Zügel einem anderen Mann übergeben. Die makellose weiße Toga wirkte unpassend auf diesem Feld des Todes. Wie war es möglich, dass irgendetwas auf der Welt vom Elend eines derartig grauen Nachmittags unberührt blieb?

Sklaven streuten Binsen auf den Schlamm, bildeten einen Weg zu dem knienden König. Mithridates reckte den Rücken. Sie sollten ihn nicht gebrochen und als Bittsteller sehen, nicht jetzt, da seine Töchter nicht weit von hier in friedlicher Stille lagen.

Cornelius Sulla schritt auf den Mann zu und musterte ihn interessiert. Als hätte er es mit den Göttern so abgesprochen, wählte die Sonne diesen Augenblick, um hinter den Wolken hervorzukommen, und sein dunkelblondes Haar schimmerte, als er einen glänzenden, silbernen Gladius aus einer einfachen Scheide zog.

»Ihr habt mir sehr viel Unannehmlichkeiten bereitet, Hoheit«, sagte Sulla ruhig.

Bei seinen Worten sah ihn Mithridates scheel an.

»Ich habe mich redlich bemüht«, erwiderte er grimmig und hielt dem Blick des Mannes mit seinem gesunden Auge stand.

»Aber jetzt ist es vorbei. Deine Armee ist zerschlagen. Die Rebellion ist beendet.«

Mithridates zuckte die Achseln. Was nützte es, das Offensichtliche zu bestätigen?

»Ich habe nichts mit der Ermordung deiner Frau und deiner Töchter zu tun«, fuhr Sulla fort. »Die Soldaten, die daran teilgenommen haben, sind auf meinen Befehl hingerichtet worden. Ich führe keinen Krieg gegen Frauen und Kinder, und es tut mir Leid, dass sie dir entrissen wurden.« Mithridates schüttelte den Kopf, als wolle er die Worte und die plötzlich aufblitzenden Erinnerungsbilder verscheuchen. Er hatte seine geliebte Livia seinen Namen schreien hören, doch er war von mit Keulen bewaffneten Legionären umgeben gewesen, die ihn lebendig gefangen nehmen sollten. Er hatte seinen Dolch in der Kehle eines Mannes verloren, und sein Schwert steckte in den Rippen eines anderen fest. Mit ihren Schreien in seinen Ohren hatte er sogar einem Mann, der sich auf ihn stürzen wollte, den Hals umgedreht, aber als er sich bückte, um ein Schwert vom Boden aufzuheben, hatten ihn die anderen bewusstlos geknüppelt, und als er aufwachte, war er zerschunden und gefesselt gewesen.

Er starrte Sulla an, suchte nach Anzeichen von Spott. Stattdessen fand er nichts als Aufrichtigkeit. Er glaubte diesem Mann und wich seinem Blick nicht aus. Erwartete dieser Römer, dass Mithridates, der König, lachte und sagte, alles sei vergeben? Die Soldaten waren Soldaten Roms gewesen, und diese goldene Gestalt war ihr Herr und Meister. War der Jäger nicht für seine Hunde verantwortlich?

»Hier ist mein Schwert«, sagte Sulla und hielt ihm die Waffe hin. »Schwöre bei den Göttern, dass du dich Zeit deines Lebens nicht mehr gegen Rom erheben wirst, und ich lasse dir dein Leben.« Mithridates blickte auf den silbernen Gladius und versuchte, sich die Überraschung nicht anmerken zu lassen. Er hatte sich darauf eingestellt, sterben zu müssen. Jetzt so unvermittelt noch einmal das Leben angeboten zu bekommen, war, als risse man Schorf von versteckten Wunden. Es war Zeit, seine Frau zu begraben.

»Warum?«, grunzte er durch das trocknende Blut.

»Weil ich glaube, dass du ein Mann bist, der sein Wort hält. Heute hat es schon genug Tote gegeben.«

Mithridates nickte schweigend, und Sulla reichte mit der unbefleckten Klinge um ihn herum, um die Fesseln zu durchschneiden. Der König spürte, wie die Soldaten sich anspannten, als sie sahen, wie ihr Feind wieder befreit wurde, doch er ignorierte sie, streckte die Hand aus und ergriff die Klinge mit seiner vernarbten rechten Handfläche. Das Metall lag kalt auf seiner Haut.

»Ich schwöre es.«

»Du hast Söhne. Was ist mit ihnen?«

Mithridates sah den römischen Legaten an. Er wunderte sich, wie viel er wusste. Seine Söhne waren im Osten, sammelten Unterstützung für ihren Vater. Sie würden mit Männern, Ausrüstung und einem neuen Anlass zur Rache zurückkehren.

»Sie sind nicht hier. Ich kann nicht für meine Söhne antworten.«

Sulla hielt die Klinge ganz ruhig im Griff des Mannes.

»Nein. Aber du kannst sie warnen. Wenn sie zurückkehren und Griechenland gegen Rom aufwiegeln, werde ich Kummer und Leid über das Land bringen, wie es noch nirgendwo gesehen wurde.«

Mithridates nickte und ließ die Hand von der Klinge fallen. Sulla schob sie wieder in die Scheide, drehte sich um und ging zu seinem Pferd zurück, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Jeder Römer in Sichtweite entfernte sich mit ihm. Mithridates blieb allein auf den Knien zurück, umgeben von den Toten. Er erhob sich steif und zuckte endlich bei dem Schmerz zusammen, den ihm seine vielen Wunden bereiteten. Mit kaltem, verwirrtem Blick sah er zu, wie die Römer ihre Zelte abbrachen und nach Westen abzogen, zum Meer.

Die ersten Wegstunden ritt Sulla schweigend dahin. Seine Freunde wechselten stumme Blicke, aber lange Zeit wagte keiner von ihnen, das grimme Schweigen zu brechen. Schließlich streckte Padacus, ein gut aussehender Jüngling aus Norditalien, die Hand aus und berührte Sullas Schulter. Der Legat zügelte sein Pferd und sah ihn fragend an.

»Warum hast du ihn am Leben gelassen? Wird er sich im nächsten Frühling nicht abermals gegen uns erheben?«

Sulla zuckte die Achseln. »Möglicherweise. Aber wenn er das tut, weiß ich wenigstens, dass ich es mit einem Mann zu tun habe, den ich besiegen kann. Sein Nachfolger wird sich hüten, die gleichen Fehler zu begehen. Ich hätte noch weitere sechs Monate damit verbringen müssen, seine Anhänger in winzigen Lagern in den Bergen ausfindig zu machen und zu vernichten, aber was hätte uns das außer ihrem Hass eingebracht? Nein, der eigentliche Feind, die eigentliche Schlacht .« Er unterbrach sich und richtete den Blick auf den westlichen Horizont, als könnte er bis zu den Toren Roms schauen. »Die eigentliche Schlacht muss noch geschlagen werden, und wir haben schon jetzt viel zu viel Zeit hier verbracht. Reitet weiter. Wir sammeln die Legion an der Küste. Und treten unverzüglich die Überfahrt nach Hause an.«