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Ein etwa siebzehnjähriger Bursche in einem hübschen rosa Kattunhemd stellte vor ihnen Karaffen mit Fruchtwässern aller Farben und aller Sorten auf; die einen waren dick wie Öl, die anderen schäumten wie Brauselimonade. Nachdem er die Karaffen aufgestellt hatte, griff er nach einem Spaten, der an einem Baum lehnte, und ging in den Garten. Die Brüder Platonow hatten genau so wie ihr Schwager Kostanschoglo keine eigentlichen Dienstboten: alle waren Gärtner, und das ganze Gesinde mußte dieses Amt der Reihe nach versehen. Bruder Wassilij behauptete immer, die Dienstboten stellten keinen eigenen Stand dar: ein Tablett hereinbringen könne ein jeder, und es lohne sich nicht, dazu besondere Leute zu halten; der Russe sei nur so lange ordentlich, geschickt und kein Faulenzer, als er ein Hemd und einen Bauernmantel trage; sobald er aber einen deutschen Rock anziehe, werde er sofort plump, ungeschickt und ein Faulenzer; er wechsle sein Hemd nicht mehr, gehe nicht mehr ins Bad, schlafe in seinem Rock und züchte unter seinem deutschen Rock eine Menge von Wanzen und Flöhen. Vielleicht hatte er auch recht. Auf dem Gute, das ihm und seinem Bruder gehörte, kleideten sich die Bauern besonders schön: der Kopfputz der Weiber war reich mit Gold besetzt, und die Ärmel ihrer Hemden glichen auf ein Haar den Rändern von türkischen Schals. »Diese Fruchtwässer sind schon seit langer Zeit ein Ruhm unseres Hauses«, sagte Bruder Wassilij.

Tschitschikow schenkte sich ein Glas aus der ersten Karaffe ein: es schmeckte genau wie jener Lindenmet, den er einst in Polen getrunken hatte: es schäumte wie Champagner, und das Gas schoß angenehm aus dem Munde in die Nase. »Wie Nektar!« sagte er. Dann kostete er ein Glas aus einer anderen Karaffe – das schmeckte noch besser.

»Das Getränk der Getränke!« sagte Tschitschikow. »Ich kann wohl sagen, bei Ihrem verehrten Schwager Konstantin Fjodorowitsch habe ich den besten Likör getrunken, bei Ihnen aber das beste Fruchtwasser.«

»Sein Likör stammt ja auch aus unserer Familie: unsere Schwester hat ihn eingeführt. Und nach welcher Richtung und in was für Gegenden gedenken Sie zu fahren?« fragte Bruder Wassilij.

»Ich fahre«, sagte Tschitschikow, sich auf der Bank leicht hin und herwiegend und sich mit der Hand über das Knie streichend, »weniger in eigenen Geschäften als in einer fremden Angelegenheit. Der General Betrischtschew, mein naher Freund und, ich darf wohl sagen, Wohltäter, bat mich, seine Verwandten zu besuchen. Verwandte hin, Verwandte her, doch ich fahre auch sozusagen in meinem eigenen Interesse; ganz abgesehen vom Nutzen im Hinblick auf die Hämorrhoiden, ist die Bekanntschaft mit der Welt und dem Strudel der Menschen sozusagen ein lebendiges Buch, eine eigene Wissenschaft.«

Bruder Wassilij wurde nachdenklich. Er dachte sich: – Der Mensch redet etwas geschraubt, aber in seinen Worten steckt auch Wahrheit. – Er schwieg eine Weile und wandte sich dann an Platon: »Ich fange zu glauben an, Platon, diese Reise könnte dich wirklich aufrütteln. Du leidest nur an einer seelischen Schlafsucht. Du bist einfach eingeschlafen, und zwar nicht aus Übersättigung oder Ermüdung, sondern aus Mangel an lebendigen Eindrücken und Empfindungen. Mir geht es gerade umgekehrt. Wie gern möchte ich weniger stark empfinden und mir die Dinge nicht so sehr zu Herzen nehmen!«

»Wer zwingt dich auch, alles so zu Herzen zu nehmen?« entgegnete Platon. »Du suchst selbst Aufregungen und erfindest dir selbst Sorgen.«

»Was braucht man sie noch zu erfinden, wenn man auch ohnehin auf Schritt und Tritt nichts als Unannehmlichkeiten hat?« sagte Wassilij. »Hast du gehört, was für einen Streich uns Ljenizyn in deiner Abwesenheit gespielt hat? – Er hat sich das unbebaute Stück Land, auf dem unsere Bauern den Sonntag nach Ostern feiern, einfach angeeignet. Erstens würde ich dieses Stück für kein Geld hergeben ... Meine Bauern feiern hier jedes Frühjahr ihr Fest, und mit dieser Stelle sind die schönsten Erinnerungen des Dorfes verbunden; mir ist aber jeder alte Brauch etwas Heiliges, und ich würde für ihn alles opfern.«

»Er wußte es wohl nicht, daß es uns gehört«, sagte Platon. »Der Mann ist ganz neu hier, kommt eben aus Petersburg; man müßte es ihm erklären.«

»Er weiß es sehr genau. Ich habe es ihm sagen lassen. Er aber hat mit einer Grobheit geantwortet.«

»Du müßtest eben selbst hinfahren und es ihm klarmachen. Sprich doch mit ihm selbst.«

»Nein, fällt mir nicht ein. Er tut viel zu stolz. Ich fahre zu ihm nicht hin. Fahr du zu ihm, wenn du Lust hast.«

»Ich würde schon hinfahren, aber ich mische mich nicht in Geschäfte ... Er kann mich ja auch anführen und betrügen.«

»Wenn Sie wünschen, so fahre ich zu ihm hin«, sagte Tschitschikow. »Erklären Sie mir nur den Sachverhalt.«

Wassilij blickte ihn an und dachte sich: – Wie gerne er doch herumfährt! –

»Erklären Sie mir nur, was er für ein Mensch ist,« sagte Tschitschikow, »und worum es sich handelt.« »Ich müßte mich genieren, Sie mit einem so unangenehmen Auftrag zu belästigen. Meiner Ansicht nach ist er ein Schuft: er stammt aus dem einfachen landarmen Adel unseres Gouvernements, hat in Petersburg Karriere gemacht, indem er dort die natürliche Tochter von irgend jemand geheiratet hat, und tut jetzt so stolz. Er will den Ton angeben. Unsere Leute sind aber nicht so dumm: die Mode ist für uns kein Gesetz und Petersburg keine Kirche.«

»Gewiß!« sagte Tschitschikow. »Worum handelt es sich aber?«

»Sehen Sie: er braucht wirklich das Land. Hätte er sich anders benommen, so hätte ich ihm gerne ein Stück Land an einer anderen Stelle geschenkt ... Jetzt könnte aber dieser händelsüchtige Mensch noch glauben ...«

»Ich meine, daß es immer besser ist, sich mit ihm zu verständigen: vielleicht ist die Sache ... Man hat mich schon mit manchen Aufträgen betraut und es nachher niemals bereut ... Auch der General Betrischtschew ...«

»Aber es ist mir peinlich, daß Sie mit einem solchen Menschen werden sprechen müssen . . .«

»... und sich besondere Mühe geben, daß die Sache geheimbleibt,« sagte Tschitschikow, »denn das Verbrechen selbst ist weniger schädlich, als das Ärgernis, das dadurch gegeben wird ...«

»Das stimmt, das stimmt«, sagte Ljenizyn, den Kopf ganz auf die Seite geneigt.

»Wie angenehm, einem Gleichgesinnten zu begegnen!« sagte Tschitschikow. »Ich habe eine Sache, die zugleich gesetzlich und ungesetzlich ist: von außen besehen, ist sie ungesetzlich, und ihrem Wesen nach gesetzlich. Ich brauche eine Hypothek, will aber niemand das Risiko aufbürden, zwei Rubel Steuer für die lebendige Seele zu zahlen. Ich kann ja, Gott behüte, Bankrott machen, und das wird dem Besitzer unangenehm sein. Darum habe ich mich entschlossen, mir die Toten und Flüchtigen, die in den Revisionslisten noch nicht gestrichen sind, zunutze zu machen, um zugleich auch ein Werk der christlichen Nächstenliebe zu tun und die armen Besitzer von der Notwendigkeit, für sie die Steuern zu entrichten, zu befreien. Wir wollen nur unter uns in aller Form einen Kaufvertrag abschließen, als ob die Seelen noch lebten.«

– Es ist doch eine höchst eigentümliche Sache! – dachte sich Ljenizyn und rückte mit seinem Stuhl etwas zurück. »Das Geschäft ist aber derartig ...« begann er.

»Es wird kein Ärgernis geben, weil alles geheim abgemacht wird,« sagte Tschitschikow, »und dabei unter anständigen Leuten ...«

»Die Sache ist aber doch immerhin irgendwie ...«

»Nicht das geringste Ärgernis!« entgegnete Tschitschikow sehr offen. »Das Geschäft wird, wie wir eben besprochen haben, zwischen anständigen Leuten reiferen Alters und in achtbarer Position abgeschlossen, dazu auch noch geheim.« Als er das sagte, blickte er ihm offen und treuherzig in die Augen. Wie gerieben Ljenizyn auch war, wie gut er Bescheid in allen Geschäftsformalitäten wußte – hier stand er auf einmal ganz ratlos da, um so mehr, als er sich auf eine eigentümliche Weise in sein eigenes Netz verstrickt hatte. Er war gar keiner unehrlichen Handlung fähig und wollte selbst in der Tiefe seiner Seele nichts Ungesetzmäßiges begehen. – Ist das ein schwieriger Fall! – dachte er sich. – Da soll man sich noch mit anständigen Menschen befreunden! Eine schwierige Sache! –