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Das Schicksal und die Umstände waren aber Tschitschikow günstig. Wie um ihm in dieser schwierigen Sache zu helfen, trat die junge Gattin Ljenizyns ins Zimmer, eine blasse, schmächtige, kleingewachsene, nach Petersburger Mode gekleidete Dame, eine große Freundin von Menschen »comme il faut«. Ihr folgte die Amme mit dem erstgeborenen Söhnchen, der Frucht der zärtlichen Liebe der jungen Ehegatten, im Arm. Tschitschikow ging ihr hüpfend und den Kopf auf die Seite geneigt entgegen, wodurch er die Petersburger Dame und dann auch den Säugling völlig bezauberte. Das Kind fing erst zu heulen an, aber Tschitschikow brachte es fertig, es durch die Worte: »Ei, ei, Herzchen«, durch geschicktes Fingerschnalzen und durch die Schönheit eines Karneolsiegels, das er an der Uhrkette trug, in seine Arme zu locken. Dann hob er es bis zur Decke und entlockte dem Kind ein freundliches Lächeln, das die Eltern entzückte. Doch infolge dieser plötzlichen Freude oder aus einem anderen Grunde verübte das Kind plötzlich eine gewisse Ungezogenheit.

»Ach, mein Gott!« rief Frau Ljenizyna. »Er hat Ihnen den ganzen Frack verdorben!«

Tschitschikow sah hin: ein Ärmel des nagelneuen Fracks war gänzlich verdorben. – Daß dich der Teufel! – dachte er sich in seiner Wut.

Der Hausherr, die Hausfrau und die Amme liefen hinaus, um Kölnisches Wasser zu holen; dann drängten sie sich um ihn von allen Seiten, um ihn abzuwischen.

»Es macht nichts, es macht gar nichts!« sagte Tschitschikow, indem er sich bemühte, einen möglichst sorglosen Gesichtsausdruck zu zeigen. »Kann denn ein Kind in diesem goldenen Alter überhaupt etwas verderben?« sagte er immer wieder und dachte sich währenddessen: – Diese Bestie, daß dich doch die Wölfe auffressen! Das hast du geschickt gemacht, du verdammte Kanaille! –

Dieser anscheinend ganz geringfügige Vorfall stimmte den Hausherrn ganz zugunsten des von Tschitschikow vorgeschlagenen Geschäfts. Wie kann man nur etwas einem solchen Gaste abschlagen, der dem Kleinen so viel unschuldige Liebe erwiesen, die er großmütig mit seinem eigenen Frack bezahlen mußte? Um kein Ärgernis zu erregen, beschlossen sie, die Sache geheim zu machen, da doch nicht die Sache selbst, sondern nur das Ärgernis schädlich sei.

»Zum Dank für den mir erwiesenen Dienst gestatten Sie mir, auch Ihnen einen Dienst zu erweisen. Ich möchte gerne in Ihrem Streite mit den Brüdern Platonow den Vermittler machen. Sie brauchen Land, nicht wahr? ...«

. . . Kapitel

Alles auf der Welt besorgt seine Geschäfte. »Was einer braucht, das sucht er zu erlangen«, sagt das Sprichwort. Die Untersuchung der Koffer wurde mit Erfolg durchgeführt, und nach dieser Expedition wanderte manches in seine eigene Schatulle. Mit einem Wort, das Ganze wurde aufs beste besorgt. Tschitschikow hatte nichts gestohlen, er hatte nur aus der Situation Nutzen gezogen. Ein jeder von uns sucht Nutzen zu ziehen: der eine aus Staatswaldungen, der andere aus ersparten Staatsgeldern; der eine bestiehlt seine eigenen Kinder wegen einer zugereisten Schauspielerin, der andere – seine Bauern wegen Möbeln von Hambs oder wegen einer Equipage. Was soll man machen, wenn es in der Welt so viel Verlockungen gibt? Teure Restaurants mit verrückten Preisen, Maskenbälle, Feste und Zigeunertänze. Es ist doch schwer, sich zu beherrschen, wenn alle ringsherum dasselbe tun und auch die Mode es so haben will – da soll man sich noch beherrschen! Tschitschikow hätte schon abreisen sollen, aber die Straßen waren unwegsam geworden. In der Stadt sollte eben der zweite Jahrmarkt beginnen, der hauptsächlich für den Adel bestimmt war. Auf dem ersten wurde mit Pferden, Vieh, Rohprodukten und allerlei Bauernwaren gehandelt, die von Viehhändlern und Dorfkrämern eingekauft wurden. Auf den zweiten Jahrmarkt kam aber alles, was die Kaufleute auf der Messe von Nishnij-Nowgorod an Luxuswaren eingekauft hatten. Alle Plünderer der russischen Geldbeutel, die Franzosen mit ihren Pomaden, die Französinnen mit ihren Hüten, die Plünderer des mit Blut und Mühe erworbenen Geldes kamen zusammengefahren, diese ägyptischen Heuschrecken, die, wie Kostanschoglo zu sagen pflegte, nicht nur alles auffressen, sondern auch noch ihre Eier in der Erde zurücklassen.

Nur die Mißernte und der unglückliche . . . hielten viele Gutsbesitzer auf dem Lande zurück. Dafür zeigten die Beamten, die ja unter den Mißernten nicht zu leiden haben, was sie sich leisten konnten; ihre Frauen leider ebenfalls. Nachdem sie alle die Bücher gelesen hatten, die in der letzten Zeit verbreitet werden, um in der Menschheit neue Bedürfnisse zu wecken, spürten sie einen heftigen Durst nach all den neuen Genüssen. Ein Franzose eröffnete ein neues Lokal, ein Vergnügungsetablissement, wie man es im Gouvernement noch nie gesehen hatte, mit angeblich ungemein billigen Soupers, wobei man die Hälfte auch noch schuldig bleiben durfte. Dies genügte, damit nicht nur die Abteilungsvorstände, sondern auch die kleineren Kanzleibeamten in der Hoffnung auf die künftigen Geldgeschenke der Bittsteller . . . Es kam das Bedürfnis auf, einander durch elegante Equipagen mit schönen Pferden und Kutschern zu übertrumpfen. Schon dieser Wettkampf der Stände in der Vergnügungssucht! ... Trotz des schlechten Wetters und des Straßenschmutzes flogen die elegantesten Equipagen nur so hin und her. Woher sie plötzlich gekommen waren, weiß Gott allein, aber sie würden auch das Petersburger Straßenbild nicht verderben ... Die Kaufleute und Kommis lüfteten elegant die Hüte und luden die vorbeigehenden Damen in ihre Geschäfte ein. Nur hier und da sah man bärtige Männer in altmodischen Pelzmützen. Sonst sah alles europäisch aus, rasierte sich den Bart, alles . . . und mit faulen Zähnen.

»Bitte, bitte! Belieben Sie doch nur in den Laden zu treten! Herr! Herr!« schrien hier und da die Lehrlinge.

Aber nur mit Verachtung blickten auf sie die schon mit Europa vertrauten . . . nur ab und zu sagten sie mit großer Würde: . . . oder: »Hier gibt es Tuche: clair, dunkel und schwarz!«

»Haben Sie preißelbeerfarbene Tuche mit Glanz?« fragte Tschitschikow.

»Wir haben vortreffliche Tuche«, sagte der Kaufmann, mit der einen Hand die Mütze lüftend und mit der anderen ins Innere des Ladens weisend. Tschitschikow trat in den Laden. Der Kaufmann hob geschickt das Brett und stand plötzlich auf der anderen Seite, mit dem Rücken zu den Waren, die Stück auf Stück bis zur Decke aufgeschichtet lagen, und mit dem Gesicht zum Kunden. Die Hände gegen die Tischplatte gestemmt, wiegte er sich mit dem Oberkörper hin und her und fragte: »Was für ein Tuch wünschen Sie?«

»Olivenfarben oder flaschengrün mit Glanz, mit einem Stich ins Preißelbeerfarbene«, sagte Tschitschikow.

»Ich darf wohl sagen, daß Sie etwas von der besten Sorte bekommen werden, wie Sie es höchstens in den aufgeklärten Residenzen finden können. He, Bursche! Reich’ mal das Tuch Nummer 34 herunter! Es ist nicht das richtige, Bester! Warum strebst du ewig über deine Sphäre hinaus, wie so ein Proletarier? Wirf es mal her. Das ist ein Tuch!« Der Kaufmann rollte das Stück vom anderen Ende auf und hielt es Tschitschikow dicht vor die Nase, daß jener den seidigen Glanz nicht nur befühlen, sondern auch beschnüffeln konnte.

»Es ist ganz schön, aber doch nicht das, was ich suche«, sagte Tschitschikow. »Ich habe ja im Zollamt gedient, also brauche ich die beste Sorte, die es überhaupt gibt. Außerdem mehr rötlich, eine Nuance, die weniger ins Flaschengrüne als ins Preißelbeerfarbene geht.«

»Ich verstehe: Sie wünschen gerade die Farbe, die jetzt in Mode kommt. Ich habe wohl ein Tuch von hervorragendster Güte da. Allerdings muß ich Sie aufmerksam machen, daß es nicht billig ist, dafür aber auch von bester Qualität.«