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– Ja, – dachte sich Tschitschikow, – der weiß, was gut ist. –

»Bei mir ist es nicht so«, sagte Ssobakewitsch, indem er sich die Hände mit der Serviette abwischte. »Bei mir ist es nicht so wie bei irgendeinem Pljuschkin: der besitzt achthundert Seelen und lebt und ißt dabei schlechter als mein Hirte.«

»Wer ist dieser Pljuschkin?« fragte Tschitschikow.

»Ein Gauner«, antwortete Ssobakewitsch. »So ein Geizhals, wie man ihn sich gar nicht vorstellen kann. Die Sträflinge im Zuchthause leben besser als er: alle seine Leute hat er Hungers sterben lassen.«

»Wirklich?« fiel ihm Tschitschikow mit sichtbarer Teilnahme ins Wort. »Sie sagen, daß bei ihm die Bauern in großen Massen sterben?«

»Wie die Fliegen sterben sie.«

»Wahrhaftig, wie die Fliegen? Gestatten Sie die Frage, wohnt er weit von Ihnen?«

»Fünf Werst weit.«

»Nur fünf Werst!« rief Tschitschikow aus und fühlte sogar leichtes Herzklopfen. »Wenn man aber aus Ihrem Tore hinausfährt, so ist es rechts oder links?«

»Ich rate Ihnen nicht, sogar den Weg zu diesem Hund zu kennen«, antwortete Ssobakewitsch. »Es ist verzeihlicher, irgendeinen unanständigen Ort aufzusuchen, als ihn.«

»Nein, ich fragte nicht aus irgendwelchem ..., sondern weil ich mich nur für die Lage von Örtlichkeiten jeder Art interessiere«, entgegnete Tschitschikow.

Nach der Hammellende kamen Käseküchlein, von denen jedes größer als der Teller war, dann folgte ein Truthahn von der Größe eines Kalbes, mit allerlei guten Dingen gefüllt: mit Reis, Eiern, Lebern und Gott weiß was sonst, was nachher wie ein Stein im Magen lag. Damit war das Mittagessen zu Ende. Als sie sich aber von der Tafel erhoben, fühlte sich Tschitschikow um ein ganzes Pud schwerer geworden. Sie gingen ins Gastzimmer hinüber, wo schon ein Tellerchen mit Eingemachtem bereitstand; es waren weder Birnen noch Pflaumen noch andere Beeren – übrigens rührte weder der Hausherr noch der Gast die Sachen an. Die Hausfrau ging hinaus, um noch einige Tellerchen zu bringen. Tschitschikow benutzte diese Gelegenheit und wandte sich an Ssobakewitsch, der, im Sessel liegend, nach dem üppigen Mittagessen nur noch ächzte, unartikulierte Laute von sich gab, sich bekreuzigte und jeden Augenblick die Hand vor den Mund hielt. Tschitschikow wandte sich an ihn mit folgenden Worten: »Ich möchte mit Ihnen gern über eine kleine Sache sprechen.«

»Hier ist noch Eingemachtes«, sagte die Hausfrau, wieder ins Zimmer tretend: »Rettich, in Honig gekocht!«

»Wir wollen später davon nehmen«, sagte Ssobakewitsch. »Geh jetzt in dein Zimmer. Pawel Iwanowitsch und ich möchten uns jetzt die Fräcke ausziehen und ein wenig ruhen!«

Die Hausfrau erklärte sich sofort bereit, Federbetten und Kissen holen zu lassen, aber der Hausherr sagte: »Es ist nicht nötig, wir ruhen in den Sesseln aus«, und die Hausfrau ging.

Ssobakewitsch neigte leise den Kopf, um zu hören, um was für eine kleine Sache es sich handle.

Tschitschikow holte sehr weit aus, berührte zunächst den ganzen russischen Staat, über dessen weite Ausdehnung er sich mit großem Lobe äußerte, und sagte, daß selbst die altrömische Monarchie nicht so groß gewesen sei, daß die Ausländer mit Recht staunen ... (Ssobakewitsch hörte immer mit geneigtem Kopfe zu), und daß nach den bestehenden Gesetzen dieses Staates, dem an Ruhm kein anderer gleiche, die leibeigenen Seelen, die ihr irdisches Sein abgeschlossen, in den Revisionslisten wie die Lebenden geführt werden, um die Amtsstellen nicht mit einer Menge kleinlicher und nutzloser Schreibereien zu belasten und den schon ohnehin komplizierten Staatsmechanismus nicht noch komplizierter zu machen ... (Ssobakewitsch hörte immer mit geneigtem Kopfe zu); wie gerecht diese Maßregel auch sei, falle sie jedoch manchem Besitzer zur Last, da sie ihn zwinge, für solche Seelen die Steuern genau so wie für die Lebenden zu entrichten; er aber sei bereit, da er eine persönliche Hochachtung für Ssobakewitsch empfinde, diese tatsächlich schwere Verpflichtung zum Teil auf sich zu nehmen. In bezug auf den Hauptgegenstand äußerte sich Tschitschikow sehr vorsichtig: er sprach von den Seelen nicht als von gestorbenen, sondern als von »nichtexistierenden«.

Ssobakewitsch hörte ihm immer mit geneigtem Kopf zu, während sein Gesicht auch nicht den geringsten Ausdruck zeigte. Es schien, daß er in seinem Körper überhaupt keine Seele habe, oder daß sie sich nicht dort befinde, wo sie sich zu befinden habe, sondern wie beim unsterblichen Kaschtschej der russischen Sage irgendwo hinter fernen Bergen wohne und in einer so dicken Schale stecke, daß alles, was sich auf ihrem Grunde bewege, nicht die geringste Erschütterung auf ihrer Oberfläche hervorrufe.

»Nun? ...« sagte Tschitschikow, nicht ohne eine gewisse Aufregung auf die Antwort wartend.

»Sie brauchen tote Seelen?« fragte Ssobakewitsch sehr einfach, ohne das geringste Erstaunen, als ob die Rede von Getreide wäre.

»Ja,« antwortete Tschitschikow und milderte ein wenig den Ausdruck, indem er hinzufügte, »nichtexistierende Seelen.«

»Es werden sich schon welche finden, warum auch nicht ...« sagte Ssobakewitsch.

»Und wenn sich welche finden sollten, so wird es Ihnen ohne Zweifel angenehm sein, sich ihrer zu entledigen?«

»Bitte sehr, ich bin bereit, sie zu verkaufen«, sagte Ssobakewitsch, indem er den Kopf ein wenig hob. Er ahnte, daß der Käufer irgendeinen Vorteil darin sehen müßte.

– Hol’s der Teufel! – dachte sich Tschitschikow, – er will sie schon verkaufen, ehe ich auch nur ein Wort davon sprach! – Dann sagte er laut: »Und wie wäre beispielsweise der Preis? Obwohl es so ein Gegenstand ist, daß es sogar sonderbar wäre, vom Preise zu sprechen ...«

»Um nicht zuviel zu verlangen, hundert Rubel pro Stück«, sagte Ssobakewitsch.

»Hundert Rubel pro Stück!« rief Tschitschikow, indem er den Mund aufriß und Ssobakewitsch gerade in die Augen blickte; er wußte nicht, ob er sich verhört oder ob die schwerfällige Zunge Ssobakewitschs aus Versehen ein falsches Wort gebraucht habe.

»Ist es Ihnen vielleicht zu teuer?« versetzte Ssobakewitsch. Nach einer Weile fügte er hinzu: »Und was ist Ihr Preis?«

»Mein Preis! Wir haben uns wohl geirrt, oder wir verstehen uns nicht recht und haben vergessen, um was für einen Gegenstand es sich hier handelt. Hand aufs Herz, ich meine meinerseits, daß achtzig Kopeken pro Stück der angemessene Preis wäre!«

»Was Ihnen nicht einfällt – achtzig Kopeken pro Stück!«

»Nun, ich bin der Ansicht, daß man dafür nicht mehr bieten kann.«

»Ich verkaufe doch keine Bastschuhe.«

»Sie werden aber zugeben müssen, daß es auch keine Menschen sind.«

»Sie glauben also wirklich, daß Sie einen Dummkopf finden, der Ihnen eine in den Listen geführte leibeigene Seele für zwanzig Kopeken verkauft?«

»Aber gestatten Sie einmaclass="underline" warum nennen Sie sie in den Listen geführte Seelen? Die Seelen selbst sind doch schon längst tot, und es ist von ihnen nur ein für die Sinne kaum faßbarer Schall geblieben. Um nicht viel zu reden, bin ich übrigens bereit, Ihnen anderthalb Rubel pro Stück zu geben, mehr kann ich nicht.«

»Sie sollten sich schämen, eine solche Summe zu nennen! Schlagen Sie doch einen vernünftigen Preis vor!«

»Ich kann nicht, Michailo Ssemjonowitsch; glauben Sie mir, ich kann wirklich nicht; was nicht geht, das geht eben nicht«, sagte Tschitschikow, erhöhte aber den Preis gleich um einen halben Rubel.

»Was geizen Sie so?« sagte Ssobakewitsch. »Es ist doch weiß Gott nicht teuer! Irgendein Gauner wird Sie betrügen und Ihnen statt Seelen einen Schund verkaufen. Bei mir ist es aber lauter gewählte Ware: entweder Handwerker oder sonst tüchtige Kerle. Nehmen Sie z. B. den Wagenbauer Michejew: der baute nur Wagen auf Federn. Und das war keine Moskauer Arbeit, die nur eine Stunde hält: seine Arbeit war sehr dauerhaft; auch polsterte und lackierte er die Wagen selbst.«

Tschitschikow machte den Mund auf, um einzuwenden, daß dieser Michejew schon lange nicht mehr auf der Welt sei; Ssobakewitsch war aber schon im Zug und so gesprächig geworden, wie man es ihm gar nicht zugetraut hätte.