Tschitschikow begann indessen, da er nichts anderes zu tun hatte, das mächtige Gestell Ssobakewitschs zu studieren. Als er seinen Rücken, der so breit wie bei einem Pferde war, und seine Beine, die an die gußeisernen Pfosten erinnerten, wie man sie längs der Bürgersteige aufzustellen pflegt, sah, mußte er sich sagen:–Wie hat dich doch der liebe Gott ausgerüstet! Bist zwar nicht schön zugeschnitten, aber dauerhaft genäht! ... Bist du schon als Bär zur Welt gekommen, oder haben dich das Provinzleben, die Landwirtschaft, die Plackereien mit den Bauern zu einem Bären gemacht, so daß du solch ein Wucherer geworden bist? Aber nein: ich glaube, du wärest der gleiche, auch wenn man dich nach der Mode erzogen und dir zu einer Karriere verholfen hätte, auch wenn du in Petersburg und nicht in der Provinz lebtest. Der ganze Unterschied besteht darin, daß du jetzt eine halbe Hammellende mit Brei und dazu einen Käsekuchen von Tellergröße verzehrst, während du dort irgendwelche Kotelette mit Trüffeln gegessen hättest. Jetzt hast du die Bauern in deiner Gewalt: du lebst mit ihnen in Eintracht und tust ihnen nichts zuleide, weil sie dein sind und weil es dein Schaden wäre, sie schlecht zu behandeln; dort hättest du aber Beamte unter dir, und die würdest du viel schlechter behandeln, weil sie nicht deine Leibeigenen sind, oder du würdest auch den Staat bestehlen! Nein, wenn einer schon so eine Faust hat, so kann er seine Finger nicht mehr gerade biegen! Und wenn du auch einen oder zwei Finger gerade biegst, so wird es noch schlimmer. Dann kostest du ein wenig von irgendeiner Wissenschaft, und wenn du nachher einen angeseheneren Posten bekommst, so wirst du allen, die die Wissenschaft wirklich verstehen, das Leben sauer machen! Vielleicht wirst du hinterher noch sagen: »Ich will mal zeigen, was ich kann!« Und du erfindest irgendeine weise Verordnung, daß es vielen recht bitter zumute wird ... Ach, wenn doch alle diese Wucherer ... –
»Die Liste ist fertig!« sagte Ssobakewitsch, sich nach ihm umwendend.
»Fertig? Bitte, geben Sie sie her!« Er überflog sie und wunderte sich über die Genauigkeit und Akkuratesse: bei jedem Bauern waren nicht nur sein Handwerk, Stand, Alter und Familienverhältnisse angegeben, sondern am Rande standen noch einige Bemerkungen über das Betragen, die Nüchternheit, mit einem Worte – es war ein Vergnügen, die Liste zu sehen.
»Nun bitte ich um eine kleine Anzahlung«, sagte Ssobakewitsch.
»Was brauchen Sie eine Anzahlung? Sie bekommen doch das ganze Geld auf einmal in der Stadt.«
»Ja, Sie wissen doch, es ist mal Sitte«, entgegnete Ssobakewitsch.
»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen die Anzahlung machen solclass="underline" ich habe kein Geld bei mir. Nur zehn Rubel habe ich da.«
»Ach, was sind zehn Rubel! Geben Sie mir wenigstens fünfzig.«
Tschitschikow versuchte zu behaupten, daß er soviel Geld nicht bei sich habe; Ssobakewitsch erklärte aber so positiv, daß er doch welches bei sich haben müsse, daß jener noch eine Banknote aus der Tasche zog und sagte: »Gut, hier haben Sie noch fünfzehn, im ganzen sind es also fünfundzwanzig. Ich möchte Sie aber um eine Quittung bitten.«
»Was brauchen Sie eine Quittung?«
»Wissen Sie, eine Quittung ist doch sicherer. Für jeden Fall ... es kann doch allerhand passieren!«
»Gut, dann geben Sie erst das Geld her.«
»Warum denn das Geld? Ich halte es ja in der Hand! Sobald Sie die Quittung geschrieben haben, werden Sie es gleich bekommen.«
»Aber wie soll ich die Quittung schreiben? Ich muß doch zuerst das Geld sehen.«
Tschitschikow gab die Banknoten Ssobakewitsch, der an den Tisch ging, das Geld mit der linken Hand bedeckte und zugleich mit der Rechten auf einen Papierfetzen schrieb, daß er eine Anzahlung von fünfundzwanzig Rubel in Banknoten für die verkauften Seelen erhalten habe. Nachdem er dieses geschrieben hatte, sah er sich die Banknoten noch einmal an.
»Das eine Papierchen ist etwas alt«, sagte er, es gegen das Licht haltend, »und ein wenig zerrissen; aber unter Freunden sieht man nicht darauf.«
– Ein Wucherer, ein Wucherer!– dachte sich Tschitschikow.– Und auch noch eine Bestie dazu! –
»Wollen Sie nicht auch einige weibliche Seelen haben?«
»Nein, ich danke.«
»Die könnte ich Ihnen billig lassen. Aus Freundschaft zu einem Rubel das Stück.«
»Nein, Weiber brauche ich nicht.«
»Nun, wenn Sie keine brauchen, so lohnt es sich nicht, darüber zu reden. Über den Geschmack läßt sich nicht streiten: der eine liebt den Popen und der andere die Popenfrau, wie es im Sprichwort heißt.«
»Ich möchte Sie noch bitten, daß dieses Geschäft ganz unter uns bleibt«, sagte Tschitschikow beim Abschied.
»Das versteht sich doch von selbst. Ein Dritter braucht davon nichts zu wissen: was unter zwei intimen Freunden in aller Aufrichtigkeit abgemacht ist, das muß im Bereiche ihrer gegenseitigen Freundschaft bleiben. Leben Sie wohl! Ich danke Ihnen für den Besuch; vergessen Sie uns bitte auch in Zukunft nicht; wenn Sie mal eine freie Stunde haben, so kommen Sie zu uns: wir essen zu Mittag und verbringen die Zeit zusammen. Vielleicht bietet sich wieder einmal eine Gelegenheit, einander einen Dienst zu erweisen.«
– Ja, Schnecken!– sagte sich Tschitschikow, indem er in den Wagen stieg.– Zwei Rubel fünfzig hat er mir für eine tote Seele abgeknöpft, der Halsabschneider! –
Er war über Ssobakewitschs Benehmen äußerst unzufrieden. Ssobakewitsch war doch immerhin sein Bekannter, er war mit ihm beim Gouverneur und beim Polizeimeister zusammengekommen, hatte sich aber jetzt wie ein ganz Fremder benommen: ließ sich für einen solchen Dreck Geld zahlen! Als der Wagen schon den Hof verlassen hatte, sah sich Tschitschikow noch einmal um: Ssobakewitsch stand noch immer vor dem Hause und spähte aus, wohin sein Gast jetzt wohl fahren würde.
»Er steht noch immer da, der Schuft!« sagte Tschitschikow durch die Zähne und befahl Sselifan, den Wagen zu den Bauernhäusern zu wenden, so daß man ihn vom Herrenhause aus nicht mehr sehen könne. Er wollte nämlich zu Pljuschkin fahren, bei dem, nach Ssobakewitschs Worten, die Leute wie die Fliegen starben; er wollte aber nicht, daß Ssobakewitsch es wisse. Als der Wagen schon das Ende des Dorfes erreicht hatte, rief er den ersten besten Bauer zu sich heran, welcher gerade einen dicken Balken von der Straße aufgehoben hatte und gleich einer unermüdlichen Ameise zu sich ins Haus schleppte.
»He, du Bart! Wie kommt man von hier zu Pljuschkin, ohne am Herrenhause vorbei zu müssen?«
Die Frage machte dem Bauer anscheinend einige Schwierigkeiten.
»Nun, weißt du es nicht?«
»Nein, Herr, ich weiß es nicht.«
»Ach, du! Und dabei hast du schon graue Haare! Kennst du denn den Geizhals Pljuschkin nicht, der seinen Leuten nichts zu essen gibt?«
»Ach so, den Geflickten, den Geflickten!« rief der Bauer aus. Dem Worte »Geflickter« ließ er noch ein Substantivum folgen, das zwar äußerst gelungen war, aber in anständiger Sprache nicht gebraucht wird; darum wollen wir es hier nicht wiedergeben. Der Ausdruck war wohl übrigens ungemein treffend, weil Tschitschikow, auch schon als er eine ganze Strecke weiter gefahren war und den Bauer längst hinter sich gelassen hatte, noch immer, in seinem Wagen sitzend, grinste. Das russische Volk hat eben solche kräftige Ausdrücke. Und wenn es einem ein solches Wörtchen angehängt hat, so geht es dann von Geschlecht zu Geschlecht, folgt ihm in den Staatsdienst, nach Petersburg, bis ans Ende der Welt und bleibt ihm auch dann, wenn er schon seinen Dienst quittiert hat. Man mag dann klügeln, soviel man will, um den Spitznamen zu veredeln, man mag sogar einen Federfuchser gegen Bezahlung veranlassen, den Namen von einem altfürstlichen Geschlecht abzuleiten – es nutzt alles nichts: der Spitzname krächzt ganz von selbst aus seiner Rabenkehle und bezeugt unzweideutig, woher der Vogel stammt. Was einmal treffend ausgesprochen ist, das kann, ebenso wie was schwarz auf weiß geschrieben steht, auch nicht mit einer Axt ausgelöscht werden. Wie treffend ist aber alles, was aus den tiefsten Gründen Rußlands stammt, wo es weder deutsche noch finnische noch irgendwelche andere Volksstämme gibt, wo lauter urwüchsiges Volk mit seinem lebendigen, schlagfertigen russischen Verstand lebt, das das treffende Wort immer fertig zur Hand hat, das solch ein Wort nicht erst ausbrüten muß wie die Glucke ihre Kücken, und es einem wie einen Paß fürs ganze Leben mitgibt; dann braucht man nicht noch eigens zu erwähnen, was für eine Nase und was für Lippen der Mensch hat: mit dem einen Worte ist er ganz vom Kopfe bis zu den Füßen gekennzeichnet!