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er sich recht geschickt mit einer Ferse auf den entsprechenden Körperteil klatschte. Darauf machte er sich unverzüglich an die Arbeit: vor der Schatulle stehend, rieb er sich die Hände mit dem gleichen Behagen, mit dem es der unbestechliche Landrichter zu tun pflegt, der zu einer Voruntersuchung hinausgefahren ist und vor den Tisch mit dem Imbiß tritt, und holte sofort die nötigen Papiere hervor. Er wollte die Sache so schnell als möglich erledigen. Er faßte den Entschluß, die Kaufverträge selbst aufzusetzen und ins reine zu schreiben, um den Gerichtschreibern nichts zahlen zu müssen. Die Form war ihm gut bekannt; schnell schrieb er mit großen Buchstaben: »Im Jahre eintausendachthundertsoundsoviel«; darunter etwas kleiner: »Der Gutsbesitzer Soundso« und dann alles Weitere. In zwei Stunden war alles fertig. Als er dann die Blätter mit den Namen der Bauern überflog, die einst wirkliche Bauern gewesen, die gearbeitet, gepflügt, gesoffen, sich als Fuhrleute durchgeschlagen, ihre Herren betrogen hatten, vielleicht aber auch einfach tüchtige Bauern gewesen waren, bemächtigte sich seiner ein eigentümliches, ihm selbst unverständliches Gefühl. Jede der Listen hatte gleichsam einen eigenen Charakter, was wiederum auch den Bauern einen eigenen Charakter verlieh. Die Bauern, die der Korobotschka gehört hatten, trugen sämtlich Anhängsel und Spitznamen. Die Liste Pljuschkins zeichnete sich durch den kurzen Stil aus: oft standen nur die Anfangsbuchstaben der Vor- und Vatersnamen, von je einem Punkte begleitet. Das Verzeichnis Ssobakewitschs fiel durch seine erstaunliche Vollständigkeit und Ausführlichkeit auf; keine der Eigenschaft der Bauern blieb darin unerwähnt; von dem einen hieß es: »ein guter Tischler«; von einem andern: »versteht seine Sache und trinkt nicht«. Bei jedem waren auch die beiden Eltern erwähnt und auch das Betragen der letzteren verzeichnet; nur bei einem gewissen Fedotow hieß es: »Vater unbekannt, Mutter ist die leibeigene Dirne Kapitolina; er ist jedoch gut von Sitten und stiehlt nicht.« Alle diese Einzelheiten verliehen der Liste eine eigentümliche Frische: es war, als hätten die Bauern gestern noch gelebt. Nachdem er die Namen lange studiert, fühlte er sich gerührt und sagte mit einem Seufzer: »Mein Gott, welche Menge! Was habt ihr, ihr Teuern, in eurem Leben getrieben? Wie habt ihr euch durchgeschlagen?« Seine Augen blieben unwillkürlich auf einem Familiennamen stehen. Es war der bekannte Pjotr Ssaweljew Neuwaschaj-Koryto, der einst der Gutsbesitzerin Korobotschka gehört hatte. Und wieder konnte er sich der Bemerkung nicht enthalten: »Herrgott, wie lang der ist: eine ganze Zeile nimmt er ein! Warst du ein Handwerker oder einfach ein Bauer, und wo hat dich der Tod erwischt? In der Schenke, oder hat dich, als du mitten auf der Straße schliefst, eine schwere Fuhre überfahren? – Stepan Probka, ›Zimmermann, von musterhafter Nüchternheit‹. Ach so, da ist ja der Stepan Probka, der Recke, der für die Garde taugte! Hast wohl mit der Axt im Gürtel und den Stiefeln auf dem Buckel alle Gouvernements durchwandert, hast für eine halbe Kopeke Brot und für eine Kopeke gedörrte Fische gegessen, aber jedesmal an die hundert Rubel im Beutel heimgebracht, vielleicht sogar die Staatsrente in deine Leinwandhose eingenäht oder im Stiefel verwahrt! Wo hat es dich erwischt? Bist du vielleicht, um noch mehr Geld zu verdienen, in die Kirchenkuppel gestiegen oder sogar bis zum Kreuz hinaufgeklettert, dort auf dem Gerüst ausgeglitten und in die Tiefe gestürzt, während irgendein Onkel Michej, der gerade in der Nähe stand, sich nur den Nacken kratzte und sagte: ›Was hast du auch für Pech, Wanja!‹, worauf er sich selbst einen Strick um den Leib band und auf deinen Platz kletterte. – Maxim Teljantnikow, ›Schuster‹. Ha, Schuster! ›Besoffen wie ein Schuster‹, sagt das Sprichwort. Ich kenne dich, ich kenne dich, mein Lieber; wenn du willst, erzähle ich dir deine ganze Geschichte. Du warst bei einem Deutschen in der Lehre, der euch alle aus einem Topf fütterte, mit dem Riemen für jede Nachlässigkeit auf den Rücken schlug und nie auf die Straße ließ, damit ihr euch nicht herumtreibt; so wurdest du zu einem wahren Wunder von einem Schuster, und der Deutsche konnte dich in Gesprächen mit seiner Frau oder einem Kameraden gar nicht genug loben. Als aber die Lehre zu Ende war, sagtest du: ›Nun will ich mir ein eigenes Haus und Geschäft gründen, mach’ es aber nicht wie der Deutsche, der sich wegen jeder Kopeke abquält, sondern werde auf einmal reich!‹ Und du zahltest deinem Herrn einen reichen Zins, mietetest dir einen kleinen Laden, nahmst eine Menge Aufträge an und begannst zu arbeiten. Zum Drittel des Preises kauftest du dir irgendwo verfaultes Leder, verdientest zwar an jedem Stiefel die Hälfte, aber schon nach zwei Wochen platzten alle deine Stiefel und man schimpfte auf dich auf die gemeinste Weise. Dein Laden verödete, du fingst zu trinken an und dich auf der Straße herumzuwälzen und dabei zu sprechen: ›Schlecht ist es auf dieser Welt! Der Russe kann gar nicht leben, denn die Deutschen lassen ihn nicht aufkommen!‹ – Und was ist das da für ein Bauer: Jelisaweta Worobej? Pfui Teufel, das ist doch ein Weibsbild! Wie kommt die her? Der verdammte Ssobakewitsch hat mich auch darin beschummelt!« Tschitschikow hatte wirklich recht: es war ein Weibsbild. Wie sie hereingeraten war, ist unbekannt; sie war aber so geschickt hineingesetzt, daß man sie aus der Ferne für einen Mann halten könnte, auch stand sie mit einer männlichen Endung da: nicht Jelisaweta, sondern Jelisawet. Tschitschikow nahm aber keine Rücksicht darauf und strich sie auf der Stelle. – »Grigorij kommst – niemals – an! Was warst du für ein Mensch? Warst du ein Fuhrmann, hattest dir eine Troika und einen bastgedeckten Wagen angeschafft und dich mit den Kaufleuten von Jahrmarkt zu Jahrmarkt geschleppt? Hast du irgendwo unterwegs deine Seele ausgehaucht, oder haben dich deine eigenen Freunde wegen eines dicken und rotbackigen Soldatenweibes umgebracht, oder gefielen deine Lederhandschuhe und die drei untersetzten, doch kräftigen Pferde irgendeinem Waldvagabunden allzu gut, oder war es dir, als du auf deiner Pritsche lagst, plötzlich eingefallen, so ohne jeden Anlaß in eine Schenke einzukehren und von dort in ein im Eise ausgehauenes Loch zu plumpsen, wo du deinen Tod fandst? Ach, du russisches Volk! Du liebst es nicht, eines natürlichen Todes zu sterben! – Und ihr, meine Lieben?« fuhr er fort, indem er die Liste vornahm, auf der Pljuschkins entlaufene Seelen verzeichnet waren: »Ihr seid zwar noch am Leben, aber was hat man von euch? Ihr seid so gut wie gestorben. Wo tragen euch jetzt eure schnellen Füße herum? Habt ihr es beim Pljuschkin so schlecht gehabt, oder war es einfach euer Verlangen, durch die Wälder zu streifen und die Reisenden auszurauben? Sitzt ihr in Gefängnissen, oder gehört ihr neuen Herren und pflügt für sie die Erde? Jeremej Karjakin, Nikita Wolokita (Herumtreiber) und sein Sohn Anton Wolokita: schon an euren Namen merkt man’s, daß ihr gute Läufer seid. – Leibeigener Popow ... Der verstand wohl zu lesen und zu schreiben; hast wohl kein Messer in die Hand genommen, aber doch einen anständigen Diebstahl begangen. Da hat dich aber schon ohne Paß der Polizeihauptmann eingefangen. Tapfer stehst du beim Verhör. ›Wem gehörst du?‹ fragt dich der Polizeihauptmann und traktiert dich bei dieser günstigen Gelegenheit mit einem kräftigen Wörtchen. ›Dem Gutsbesitzer Soundso‹, antwortest du unverzagt. ›Und wo kommst du her?‹ fragt dich der Polizeihauptmann. ›Ich bin gegen Zins freigelassen‹, antwortest du, ohne zu stocken. ›Wo ist dein Paß?‹ – ›Beim Herrn, dem Kleinbürger Pimenow.‹ – ›Her mit dem Pimenow! Bist du Pimenow?‹ – ›Ja, ich bin Pimenow.‹ – ›Hat er dir seinen Paß gegeben?‹ – ›Nein, er hat mir keinen Paß gegeben.‹ – ›Was lügst du?‹ sagt der Polizeihauptmann und läßt wieder ein kräftiges Wörtchen los. ›Es stimmt‹, antwortest du keck; ›ich gab ihm den Paß nicht, weil ich spät nach Hause kam. Ich gab ihn dem Glöckner Antip Prochorow in Verwahrung.‹ – ›Her mit dem Glöckner! Hat er dir seinen Paß gegeben?‹ – ›Nein, er hat mir keinen Paß gegeben.‹ – ›Was lügst du schon wieder?‹ sagt der Polizeihauptmann und bekräftigt seine Rede mit einem kräftigen Wörtchen. ›Wo ist denn dein Paß?‹ – ›Ich habe ihn gehabt,‹ sagst du schnell, ›habe ihn aber wohl irgendwo unterwegs verloren.‹ – ›Und warum hast du den Soldatenmantel gestohlen? Und den Kasten mit dem Kupfergeld beim Geistlichen?‹ sagt der Polizeihauptmann und beschließt die Rede wieder mit dem kräftigen Wörtchen. ›Zu Befehl, nein,‹ sagst du, ohne dich zu rühren, ›mit Diebstahl habe ich noch nie was zu tun gehabt.‹ – ›Warum hat man dann den Soldatenmantel bei dir gefunden?‹ – ›Das kann ich nicht wissen; den hat wohl ein anderer hergebracht.‹ – ›Ach, du Bestie!‹ sagt der Polizeihauptmann kopfschüttelnd und die Hände in die Seiten stemmend. ›Schlagt ihm die Füße in den Block und bringt ihn ins Gefängnis!‹ – ›Bitte sehr, mit Vergnügen!‹ sagst du darauf. Du holst aus der Tasche deine Schnupftabaksdose, traktierst freundlich die beiden Invaliden, die dir die Füße in den Block schlagen, und erkundigst dich, ob sie schon lange ihre Militärzeit abgedient und an welchen Kriegen sie teilgenommen haben. Und dann lebst du im Gefängnis, solange deine Sache durch die Gerichte läuft. Und das Gericht beschließt: man bringe ihn aus Zarewo-Kokschaisk nach dem Gefängnisse der und der Stadt. Und jenes Gericht schreibt wieder: man bringe ihn nach Wessjegonsk. Und so ziehst du aus dem einen Gefängnis ins andere und sagst, wenn du eine neue Behausung vor dir siehst: ›Nein, das Gefängnis von Wessjegonsk war doch viel feiner: dort gab’s sogar für das Knöchelspiel Platz, auch hatte man dort mehr Gesellschaft.‹ – Abakum Fyrow! Wie steht’s mir dir, Bruder? Wo treibst du dich herum? Bist du an die Wolga geraten und hast dich, in deiner Sehnsucht nach einem freien Leben, den Treidlern angeschlossen?« Hier hielt Tschitschikow inne und wurde etwas nachdenklich. Worüber dachte er wohl nach? Über das Schicksal des Abakum Fyrow, oder wurde er einfach nachdenklich, wie es jeder Russe, von jedem Alter, Stande und Vermögen wird, wenn er über die Lust des freien Lebens nachdenkt? Und in der Tat: wo mag jetzt dieser Fyrow stecken? Er bummelt laut und lustig am Getreidestapelplatz herum, nachdem er sich an Kaufleute verdungen hat. Blumen und Bänder am Hute, vergnügt sich die ganze Treidlerbande und nimmt Abschied von den schlanken, großgewachsenen Frauen und Schätzen, die mit Perlenschnüren und Bändern geschmückt sind; Reigen und Lieder; der ganze Landungsplatz brodelt, während die Lastträger unter Lärmen, Schreien und Schimpfen sich mit einem Haken neun Pud schwere Lasten auf den Rücken laden, Erbsen und Weizen mit großem Geräusch in die tiefen Schiffe schütten und Säcke mit Hafer und Graupen schleppen; den ganzen Platz füllen die Säcke, wie Kanonenkugeln zu Pyramiden aufgestapelt; gewaltig ragt dieses ganze Getreidearsenal, bis es in die geräumigen Schiffe verladen ist und die unendliche Flotte wie ein Zug Gänse zugleich mit dem Frühlingseise fortschwimmt. Nun beginnt eure Arbeit, ihr Treidler! Ebenso vereint, wie ihr bisher gebummelt und über die Schnur gehauen habt, so werdet ihr jetzt euch an die Arbeit machen und schweißtriefend das Schlepptau ziehen, ein Lied singend, das ebenso endlos ist, wie Rußland selbst!