Выбрать главу

»Gewiß werden wir ihn verheiraten!« stimmte der Kammervorsitzende zu. »Und wie sehr Sie sich auch mit Händen und Füßen dagegen wehren, wir verheiraten Sie doch! Nein, Väterchen, wenn Sie schon einmal hergeraten sind, so dürfen Sie nicht klagen. Wir verstehen keinen Spaß.«

»Warum sollte ich mich mit Händen und Füßen wehren?« sagte Tschitschikow lächelnd. »Die Heirat ist doch nicht eine solche Sache ... Wenn nur eine Braut da wäre.«

»Es wird auch eine Braut da sein! Warum soll ich keine finden? Alles wird sich finden lassen, was Sie nur wünschen!«

»Nun, wenn sich eine finden läßt ...«

»Bravo, er bleibt!« schrien alle: »Vivat, hurra, Pawel Iwanowitsch! Hurra!« Und alle traten mit ihren Gläsern auf ihn zu, um mit ihm anzustoßen. Tschitschikow stieß mit allen an. »Nein, nein, noch einmal!« riefen die Keckeren, und er stieß mit ihnen zum zweitenmal an; dann wollten sie noch zum drittenmal anstoßen, und er stieß auch zum drittenmal an. In ganz kurzer Zeit bemächtigte sich aller eine außerordentlich lustige Stimmung. Der Kammervorsitzende, der in heiterem Zustande ein wirklich netter Mann war, schloß Tschitschikow einigemal in die Arme und sagte mit herzlichem Gefühclass="underline" »Du mein Herz! Mein Mamachen!« Er knipste sogar mit den Fingern und tanzte um ihn herum, wobei er das bekannte Lied sang: »Ach, du Hundesohn, Komarinskij-Muschik!« – Nach dem Champagner entkorkte man einige Flaschen Ungarwein, der die Stimmung noch mehr hob und die Gesellschaft noch mehr erheiterte. Den Whist hatte man vollkommen vergessen; man stritt, schrie und redete über alles mögliche: über Politik, sogar über das Kriegswesen und äußerte dabei höchst freiheitliche Gedanken, für die man zu einer anderen Zeit seine eigenen Kinder durchgeprügelt hätte. Man löste eine Menge höchst schwieriger Fragen. Tschitschikow hatte sich noch nie so lustig gefühlt; er kam sich tatsächlich als ein Cherssoner Gutsbesitzer vor, sprach von allerlei Reformen, von der Dreifelderwirtschaft, vom Glück und der Seligkeit zweier Seelen und fing an, Ssobakewitsch eine Epistel Werthers an Charlotte in Versen zu deklamieren, wozu jener, in seinem Sessel sitzend, nur schwer die Lider bewegte, da er nach dem Stör recht schläfrig geworden war. Tschitschikow merkte auch selbst, daß er sich zu sehr gehen ließ, bat um eine Equipage und bekam die Droschke des Staatsanwaltes. Der Kutscher des letzteren war, wie es sich unterwegs zeigte, ein erfahrener Bursche: er lenkte das Pferd nur mit einer Hand, während er mit der anderen hinter seinem Rücken den Fahrgast festhielt. So erreichte er mit der Droschke des Staatsanwaltes seinen Gasthof, wo ihm noch lange allerlei Unsinn auf die Zunge kam: eine blonde Braut mit roten Backen und einem Grübchen auf der rechten, Cherssoner Besitztümer und Kapitalien. Sselifan bekam von ihm sogar den Auftrag, alle neuangesiedelten Bauern zu versammeln und namentlich aufzurufen. Sselifan hörte ihm sehr lange schweigend zu, verließ dann das Zimmer und sagte zu Petruschka: »Geh, kleide den Herrn aus!« Petruschka begann ihm die Stiefel auszuziehen und zog mit ihnen beinahe auch den Herrn selbst auf den Boden herunter. Die Stiefel waren schließlich ausgezogen, der Herr entkleidete sich ordentlich, drehte sich zuerst einigemal auf seinem Bette, das unter ihm unbarmherzig knarrte, hin und her und schlief bald als überzeugter Cherssoner Gutsbesitzer ein. Petruschka trug indessen die Hose und den Frack von preißelbeerfarbenem Tuch mit Glanz in den Korridor hinaus, breitete sie auf dem hölzernen Kleiderhalter aus und begann mit einem Klopfer und einem Besen draufzuhauen, so daß der ganze Korridor sich mit Staub füllte. Im Begriffe, die Kleider vom Halter herunterzunehmen, blickte er von der Galerie hinunter und sah Sselifan, der eben aus dem Stalle kam. Ihre Blicke trafen sich, und sie verstanden sich sofort ohne Worte: der Herr ist schlafen gegangen, also könnte man irgendwo hineinschauen. Petruschka brachte sofort den Frack und die Hose aufs Zimmer, kam zu Sselifan hinunter, und die beiden machten sich auf den Weg; unterwegs sprachen sie nicht vom Ziele ihrer Reise, sondern schwatzten von allerlei gleichgültigen Dingen. Der Spaziergang war recht kurz: sie gingen nur über die Straße, zu einem Hause, das dem Gasthof gegenüberstand, und traten durch eine niedere verrauchte Glastüre in einen Kellerraum, wo hinter einfachen Tischen bereits allerlei Leute saßen: mit Bart und ohne Bart, in Schafspelzen, in Hemden und auch in Friesmänteln. Was Sselifan und Petruschka hier trieben, weiß Gott allein; als sie aber nach einer Stunde wieder herauskamen, hielten sie sich untergefaßt, sprachen kein Wort und erwiesen einander an jeder Ecke besondere Aufmerksamkeit. Hand in Hand, ohne einander loszulassen, stiegen sie dann eine geschlagene Viertelstunde die Treppe hinauf und langten endlich oben an. Petruschka stand eine Minute lang vor seinem niederen Bett und überlegte sich, wie er sich wohl am besten hinlegen könnte; schließlich legte er sich quer über das Bett, so daß seine Füße gegen den Fußboden stießen. Auch Sselifan legte sich auf dasselbe Bett, den Kopf auf Petruschkas Bauch, und schien ganz vergessen zu haben, daß er gar nicht hier, sondern vielleicht in der Gesindestube oder gar im Stalle bei den Pferden hätte schlafen sollen. Beide schliefen augenblicklich ein und erhoben dabei ein sonores Geschnarche, das der Herr aus seinem Zimmer mit einem feinen Pfeifen durch die Nase begleitete. Bald wurde alles still, und der Gasthof versank in tiefen Schlaf; nur in einem kleinen Fenster brannte noch Licht; hier wohnte der Leutnant aus Rjasan, der offenbar großer Liebhaber von Stiefeln war, denn er hatte sich bereits vier Paare bestellt und probierte nun unermüdlich das fünfte. Einigemal trat er ans Bett, um die Stiefel auszuziehen und sich hinzulegen, brachte es aber nicht übers Herz: die Stiefel waren in der Tat wunderbar genäht, und lange hob er noch das Bein in die Höhe und betrachtete den herrlich gearbeiteten Absatz.

Achtes Kapitel

Tschitschikows Käufe waren bereits zu einem Stadtgespräch geworden. In der Stadt sprach und diskutierte man viel darüber, ob es vorteilhaft sei, Bauern ohne Land zwecks Übersiedlung zu kaufen. Unter den Ansichten, die bei diesen Debatten geäußert wurden, zeichneten sich viele durch große Sachkenntnis aus. »Gewiß,« sagten manche, »dagegen läßt sich nicht streiten: das Land in den südlichen Gouvernements ist wirklich gut und fruchtbar; wie werden aber die Bauern Tschitschikows ohne Wasser leben können? Es gibt dort ja keinerlei Fluß.« – »Das ist noch das geringste, daß es dort kein Wasser gibt; das wäre noch nicht so schlimm, Stepan Dmitrijewitsch; aber die Ansiedlung selbst ist eine unsichere Sache. Man weiß ja, wie so ein Bauer ist: wenn er in eine ganz neue Gegend gebracht wird und Ackerbau treiben soll, aber nichts hat – weder Haus noch Hof –, so brennt er durch, so gewiß, wie zweimal zwei vier ist; er brennt durch, und man findet nicht mal seine Spur. – »Nein, Alexej Iwanowitsch, Sie erlauben schon: ich bin mit Ihrer Ansicht, daß Tschitschikows Bauer durchbrennen wird, nicht einverstanden. Der Russe ist zu allem fähig und gewöhnt sich an jedes Klima. Wenn Sie ihn auch nach Kamtschatka schicken und ihm nur ein Paar warme Handschuhe geben, so wird er erst die Hände gegeneinander klopfen, dann die Axt nehmen und sich ein neues Haus zimmern.« – »Du hast aber etwas sehr Wichtiges außer acht gelassen, Iwan Grigorjewitsch, du hast gar nicht gefragt, was für Leute die Tschitschikowschen Bauern sind. Du hast vergessen, daß der Gutsbesitzer einen guten Bauern nicht verkaufen wird: ich setze meinen Kopf dafür ein, daß Tschitschikows Bauern lauter Diebe, Säufer und Faulenzer von äußerst ausgelassenem Betragen sind.« – »Gewiß, dem stimme ich zu, daß kein Gutsbesitzer gute Bauern verkaufen wird und daß Tschitschikows Bauern Säufer sind; aber man muß in Betracht ziehen, daß gerade hierin die Moral steckt: jetzt sind sie Taugenichtse, wenn sie aber in eine neue Gegend kommen, können sie plötzlich zu ausgezeichneten Untertanen werden. Dafür hat es in der Welt nicht wenig Beispiele gegeben, und auch in der Weltgeschichte ...« – »Das wird niemals sein,« sagte der Direktor der Staatsfabriken, »glauben Sie mir: niemals. Denn die Bauern Tschitschikows werden zwei mächtige Feinde vor sich haben. Der erste Feind ist die Nähe der kleinrussischen Gouvernements, wo bekanntlich freier Branntweinverkauf besteht. Ich versichere Sie: in zwei Wochen werden sie dem Suff erliegen. Der andere Feind ist aber der Hang zum Vagabundenleben, den die Bauern während der Übersiedlung erwerben. Tschitschikow müßte sie immer beaufsichtigen, sehr streng halten und für jede Bagatelle bestrafen; und zwar dürfte er sich dabei nicht auf einen anderen verlassen, sondern alles selbst tun und persönlich die Ohrfeigen und Genickstöße austeilen.« – »Warum soll sich denn Tschitschikow selbst damit abgeben und die Genickstöße austeilen? Er kann sich ja auch einen Verwalter nehmen.« – »Ja, finden Sie ihm einen Verwalter: die sind alle Spitzbuben.« – »Sie sind Spitzbuben, weil sich die Herren selbst nicht um die Sache kümmern.« – »Das stimmt!« bestätigten viele. »Wenn der Herr auch nur etwas von der Wirtschaft versteht und einige Menschenkenntnis hat, so findet er immer einen guten Verwalter.« – Der Direktor der Staatsfabriken sagte aber, daß man für weniger als fünftausend Rubel keinen guten Verwalter finden könne. Doch der Kammervorsitzende meinte, daß man auch schon für dreitausend einen haben könne. Aber der Direktor der Staatsfabriken fragte: »Wo finden Sie einen solchen? Höchstens in Ihrer Nase.« – »Nein, nicht in der Nase, sondern im hiesigen Landkreise; es ist ein gewisser Pjotr Petrowitsch Ssamoilow; er ist gerade der richtige Verwalter, wie ihn die Bauern Tschitschikows brauchen!« Viele versetzten sich mit großer Teilnahme in Tschitschikows Lage und hatten große Angst vor der Übersiedlung einer solchen Menge von Bauern; sie fürchteten sogar, daß unter so unruhigen Elementen, wie es die Bauern Tschitschikows seien, leicht ein Aufruhr ausbrechen könnte. Darauf wandte der Polizeimeister ein, daß man einen Aufruhr nicht zu befürchten brauche, da zur Verhinderung solcher Vorkommnisse die Macht der Polizeihauptleute bestehe; der Polizeihauptmann brauche nicht mal persönlich hinzufahren, es genüge schon, wenn er seine Mütze hinschicke: die Mütze allein sei schon imstande, die Bauern ohne irgendwelche Schwierigkeiten nach dem Orte ihrer Ansiedlung zu bringen. Viele machten ihre Vorschläge, wie der aufrührerische Geist der Tschitschikowschen Bauern auszurotten sei. Diese Vorschläge waren sehr verschiedener Art: es waren solche darunter, die eine beinahe übermäßige militärische Grausamkeit und Härte atmeten; andere dagegen zeugten von großer Milde. Der Postmeister meinte, daß Tschitschikow eine heilige Aufgabe vor sich habe, daß er gewissermaßen der Vater seiner Bauern werden und unter ihnen sogar die segensreiche Aufklärung verbreiten könne; bei dieser Gelegenheit äußerte er sich sehr lobend über die Lancastersche Methode des wechselseitigen Unterrichts.