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So sprach und diskutierte man in der Stadt, und viele teilten Tschitschikow, von aufrichtiger Teilnahme bewegt, ihre Vorschläge mit und empfahlen ihm sogar, die Bauern, der größeren Sicherheit wegen, an ihren neuen Wohnsitz durch eine Militäreskorte begleiten zu lassen. Tschitschikow dankte für die Ratschläge, versprach diese bei Gelegenheit in Betracht zu ziehen, verzichtete aber sehr entschieden auf die Eskorte, indem er sagte, daß diese absolut unnötig sei, da die von ihm gekauften Bauern sich durch einen außerordentlich friedlichen Charakter auszeichneten und selbst eine große Neigung für die Übersiedlung hätten, so daß ein Aufruhr unter ihnen völlig ausgeschlossen sei.

Alle diese Debatten und Erörterungen hatten übrigens für Tschitschikow die denkbar besten Folgen; es kam nämlich das Gerücht auf, daß er nicht mehr und nicht weniger als ein Millionär sei. Die Stadtbewohner hatten, wie wir es schon im ersten Kapitel sahen, Tschitschikow auch ohnehin herzlich liebgewonnen. Um die Wahrheit zu sagen, waren sie lauter gutmütige Menschen, lebten in Eintracht, behandelten einander auf die freundschaftlichste Weise, und ihre Gespräche trugen immer den Stempel einer ganz besonderen Treuherzigkeit und Intimität: »Liebster Freund, IIja Iljitsch! ...« – »Hör’ mal, Bruder, Antipator Sacharjewitsch! ...« – »Du übertreibst, Mamachen, Iwan Grigorjewitsch.« Dem Postmeister, welcher Iwan Andrejewitsch hieß, sagte man immer: »Sprechen Sie Deutsch, Iwan Andreitsch?« Mit einem Worte, alles ging höchst familiär zu. Viele waren nicht ohne Bildung: der Kammerpräsident kannte die »Ludmilla« von Schukowskij, die damals noch eine ganz frische Novität war, auswendig und rezitierte aus ihr meisterhaft viele Stellen; besonders gut gelangen ihm: »Der Wald schläft ein, die Täler ruh’n im Schlummer« und das Wort: »Horch!«, so daß man tatsächlich die Täler schlafen sah; um die Illusion zu vergrößern, schloß er sogar die Augen.

Der Postmeister neigte mehr der Philosophie zu und las höchst fleißig, selbst bei Nacht, die »Nächte« von Young und den »Schlüssel zu den Geheimnissen der Natur« von Eckartshausen; aus dem letzteren Werke machte er sogar längere Exzerpte; welcher Art diese aber waren, wußte niemand. Im übrigen war er sehr witzig, gebrauchte gerne erlesene Ausdrücke und liebte es, wie er sich selbst ausdrückte, seine Rede zu »würzen«. Er würzte seine Rede mit einer Menge von Partikeln und Wendungen wie: »Verehrtester Herr, wissen Sie, verstehen Sie, denken Sie sich nur, beziehungsweise, gewissermaßen« und ähnlichen, die er mit vollen Händen ausstreute; er würzte seine Rede ferner recht geschickt durch Blinzeln und Zwinkern mit dem einen Auge, was vielen seiner satirischen Andeutungen einen recht bissigen Ausdruck verlieh. Auch die anderen waren mehr oder weniger aufgeklärte Menschen: der eine las Karamsin, der andere die »Moskauer Nachrichten« und ein dritter las überhaupt nichts. Der eine war, was man eine Schlafmütze nennt, das heißt ein Mensch, dem man nur durch einen Fußtritt in Bewegung setzen konnte; ein anderer war einfach ein Siebenschläfer, der sein ganzes Leben verschlief und den zu wecken es sich überhaupt nicht lohnte: er würde sowieso nicht aufstehen. Was das Äußere betrifft, so machten alle, wie schon bekannt, einen durchaus zuverlässigen Eindruck; Schwindsüchtige gab es unter ihnen nicht. Es waren lauter Männer, denen die Gattinnen bei zärtlichen Gesprächen unter vier Augen folgende Kosenamen zu geben pflegten: Fäßchen, Dickerchen, Bäuchlein, Joujou usw. Doch im allgemeinen waren es liebe, gastfreundliche Menschen, und einer, der mit ihnen zu Mittag gegessen oder einen Abend lang Whist gespielt hatte, wurde von ihnen sofort ins Herz geschlossen – dies war ganz besonders bei Tschitschikow der Fall, der über bezaubernde Eigenschaften und Manieren verfügte und das große Geheimnis, den Menschen zu gefallen, wirklich kannte. Sie hatten ihn so sehr liebgewonnen, daß er gar keine Möglichkeit sah, aus der Stadt herauszukommen; er hörte nichts als: »Nun, noch eine Woche, nur noch eine einzige Woche bleiben Sie hier bei uns, Pawel Iwanowitsch!« Mit einem Worte, man trug ihn förmlich auf den Händen. Doch unvergleichlich bemerkenswerter war der Eindruck, den Tschitschikow auf die Damen machte; dieser war direkt erstaunlich! Um diese Erscheinung einigermaßen verständlich zu machen, müßte man eigentlich vieles über die Damen selbst und über ihre Gesellschaft sagen und ihre seelischen Eigenschaften sozusagen mit lebendigen Farben schildern; aber dem Autor fällt dieses sehr schwer. Einerseits gebietet ihm hier die unbeschränkte Achtung vor den Gattinnen der hohen Beamten halt, und andererseits ... andererseits ist es einfach schwer. Die Damen der Stadt N. waren ... nein, ich bringe es nicht fertig; ich empfinde wirklich eine Scheu. An den Damen der Stadt N. war am bemerkenswertesten ... Es ist sogar sonderbar: ich kann nicht mal die Feder heben, wie wenn sie mit Blei gefüllt wäre. Also gut: ich muß es einem, dessen Farben lebendiger sind und der ihrer mehr auf seiner Palette hat, überlassen, sich über ihren Charakter zu äußern; wir beschränken uns aber nur auf zwei, drei Worte über ihr Äußeres und einige der oberflächlichen Züge. Die Damen der Stadt N. waren das, was man präsentabel nennt, und in dieser Beziehung könnte man sie allen anderen als ein Vorbild hinstellen. Was den guten Ton, die Etikette, die Menge der feinsten Anstandsregeln, besonders aber die Beobachtung der Mode in ihren letzten Einzelheiten betrifft, so hatten sie in dieser Beziehung selbst die Petersburger und die Moskauer Damen überflügelt. Sie kleideten sich mit großem Geschmack, fuhren durch die Stadt in den schönsten Equipagen, wie es die neueste Mode vorschrieb, mit goldbetreßten Lakaien hinten auf dem Trittbrett. Eine Visitenkarte galt, selbst wenn sie auf einer Treffzwei oder einem Karoas gedruckt war, als ein heiliger Gegenstand. Wegen eines solchen Gegenstandes entzweiten sich sogar einmal zwei Damen, die vorher große Freundinnen gewesen und sogar miteinander verwandt waren – weil eine von ihnen einen Gegenbesuch mankiert hatte. Wie sehr sich ihre Männer und Verwandten nachher auch bemühten, sie wieder zu versöhnen, es gelang ihnen nicht; es zeigte sich, daß alles auf der Welt zu erreichen ist, nur das eine nicht: zwei Damen zu versöhnen, die sich wegen eines mankierten Gegenbesuches entzweit haben. So verblieben denn diese beiden Damen in »gegenseitiger Abneigung«, wie man es in der guten Gesellschaft der Stadt nannte. Streitigkeiten wegen des Vorranges führten gleichfalls zu einer Menge sehr heftiger Auftritte, die den Männern zuweilen durchaus großmütige Begriffe von ihrem Ritteramt einflößten. Zu Duellen kam es natürlich nicht, weil sie doch alle Zivilbeamte waren; dafür suchten sie einander bei jeder Gelegenheit ein Bein zu stellen, was bekanntlich zuweilen viel unangenehmer ist als jedes Duell. In ihren Sitten waren die Damen der Stadt N. sehr streng, von einer edlen Entrüstung gegen alles Lasterhafte und Ärgerniserregende erfüllt und bestraften jede Schwäche ohne Nachsicht. Und wenn unter ihnen auch »manches« passierte, so passierte es immer im geheimen, so daß niemand etwas davon merkte; die ganze Würde blieb gewahrt, und der Gatte selbst war dermaßen vorbereitet, daß er, wenn er »manches« sah oder davon hörte, mit dem kurzen und vernünftigen Sprichworte antwortete: »Wen geht es was an, daß die Gevatterin neben dem Gevatter saß?« Es muß noch erwähnt werden, daß die Damen der Stadt N. sich gleich vielen Petersburger Damen durch eine große Vorsicht und feinen Takt in der Wahl der Ausdrücke auszeichneten. Niemals sagten sie: »Ich habe mich geschneuzt, ich habe geschwitzt, ich habe ausgespuckt«; sie sagten statt dessen: »Ich habe mir die Nase erleichtert, ich habe vom Taschentuch Gebrauch gemacht.« Unter keinen Umständen durfte man sagen: »Dieses Glas oder dieser Teller stinkt«; man durfte sogar nichts sagen, was einer Anspielung darauf gleichkäme; man sagte statt dessen: »Dieses Glas benimmt sich nicht gut« oder etwas Ähnliches. Um die russische Sprache noch mehr zu veredeln, hatten sie fast die Hälfte aller Worte gestrichen und mußten daher sehr oft zu französischen greifen; wenn man aber schon Französisch sprach, so war es eine ganz andere Sache: dann durfte man weit härtere Worte gebrauchen als die oben erwähnten. Das ist alles, was von den Damen der Stadt N., wenn man sich auf das Oberflächliche beschränkt, zu sagen ist. Wollte man aber tiefer hineinblicken, so würden noch manche andere Dinge zum Vorschein kommen; doch es ist sehr gefährlich, in Damenherzen tief hineinzublicken. Wir beschränken uns daher auf das Oberflächliche und fahren fort. Die Damen hatten bisher sehr wenig von Tschitschikow gesprochen, im übrigen aber seinen angenehmen Umgangsformen volle Gerechtigkeit gezollt. Als aber das Gerücht von seinem Millionenreichtum aufkam, fanden sie an ihm auch noch andere Vorzüge. Die Damen waren übrigens an seinem Reichtum in keiner Weise interessiert: das Wort »Millionär« – nicht der Millionär als solcher, sondern nur das bloße Wort – war an allem schuld; denn schon im bloßen Klange dieses Wortes ist, ganz abgesehen von der Vorstellung des Geldsackes, etwas enthalten, was in gleicher Weise auf die gemeinen Menschen, auf solche, die weder Fleisch noch Fisch sind, und auf die guten, mit einem Worte, auf alle Menschen wirkt. Der Millionär hat den Vorteil, daß er die vollkommen uneigennützige Gemeinheit, die reine Gemeinheit, die auf keinerlei eigennützigen Motiven beruht, zu sehen bekommt: viele wissen sehr gut, daß sie von ihm nichts bekommen werden und auch gar keinen Anspruch darauf haben, von ihm etwas zu bekommen, und doch müssen sie unbedingt vor ihm herlaufen, ihm wenigstens zulächeln, wenigstens den Hut vor ihm ziehen, wenigstens sich als Gast zu einem Mittagessen aufdrängen, zu dem der Millionär eingeladen ist. Man kann nicht behaupten, daß diese zarte Neigung zur Gemeinheit auch von den Damen empfunden worden wäre; doch man äußerte in vielen Salons, daß Tschitschikow, wenn auch nicht gerade der schönste Mann auf dem Erdenrund, dafür aber gerade so beschaffen sei, wie ein Mann beschaffen sein solle; daß es schon nicht mehr gut wäre, wenn er ein wenig dicker oder voller wäre. Bei dieser Gelegenheit wurde sogar eine recht verletzende Bemerkung über die dünnen Männer gemacht: diese seien mehr Zahnstocher als Männer. An den Damentoiletten zeigten sich allerlei Veränderungen. Im städtischen Kaufhause herrschte auf einmal großes Gedränge; es entstand sogar eine Art Korso: so viele Equipagen sammelten sich da an. Die Kaufleute waren erstaunt, als sie sahen, daß einige Stoffe, die sie von der Messe mitgebracht hatten und die infolge des als zu hoch angesehenen Preises unverkauft geblieben waren, plötzlich viel verlangt wurden und im Nu ausverkauft waren. Während des Gottesdienstes bemerkte man bei einer der Damen unten am Kleide einen so üppigen Besatz, daß der Rock die halbe Kirche füllte und der zufällig in der Nähe anwesende Polizeikommissar das Volk zum Portal zurückdrängen lassen mußte, damit die Toilette ihrer Hochwohlgeboren nicht zerdrückt werde. Sogar Tschitschikow selbst mußte schließlich diese ihm entgegengebrachte ungewöhnliche Aufmerksamkeit wahrnehmen. Als er einmal nach Hause zurückkehrte, fand er auf seinem Tische einen Brief vor. Von wem der Brief stammte und wer ihn gebracht hatte, ließ sich nicht feststellen: der Gasthofdiener meldete nur: jemand habe den Brief gebracht, ihm aber verboten, zu sagen, von wem der Brief sei. Der Brief fing in einem sehr entschiedenen Tone an, und zwar: »Nein, ich muß Dir schreiben!« Dann war die Rede davon, daß es eine geheime Sympathie zwischen den Seelen gäbe; diese Wahrheit war durch mehrere Punkte bekräftigt, die beinahe eine halbe Zeile füllten. Weiter folgten einige so treffende Gedanken, daß wir es beinahe für notwendig halten, sie hier zu zitieren: »Was ist unser Leben? – Ein Tal, in dem die Leiden wohnen. Was ist die Welt? – Ein Haufen von Menschen, die nichts fühlen.« Die Schreiberin berichtete ferner, daß sie die Zeilen ihrer zärtlichen Mutter, die schon vor fünfundzwanzig Jahren gestorben sei, mit ihren Tränen benetze; Tschitschikow wurde aufgefor