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Dieses Benehmen Tschitschikows mißfiel allen Damen. Eine von ihnen ging absichtlich an ihm vorbei, um ihm dies zu verstehen zu geben; sie streifte sogar die Blondine recht ungeniert mit ihrem dick aufgebauschten Kleide und richtete es zugleich so ein, daß die Schärpe, die um ihre Schultern flatterte, die Blondine mit einem Ende gerade ins Gesicht traf. Gleichzeitig entfuhr einem Damenmunde hinter seinem Rücken zugleich mit dem Veilchengeruch eine recht giftige und boshafte Bemerkung; diese Bemerkung hörte er aber nicht oder tat nur so, als ob er sie nicht hörte; das war aber nicht gut getan, denn man darf die Meinung von Damen nicht ignorieren: dies bereute er auch später, doch erst, als es schon zu spät war.

Eine in vielen Beziehungen gerechte Empörung malte sich in vielen Zügen. Tschitschikow mochte ein noch so großes Gewicht in der Gesellschaft haben und als Millionär gelten, sein Gesicht mochte einen noch so majestätischen und selbst martialischen und kriegerischen Ausdruck zeigen, aber es gibt Dinge, die die Damen keinem Menschen verzeihen, wer er auch sei, und dann ist alles verloren! Es gibt Fälle, wo eine Frau, so schwach und ohnmächtig ihr Charakter im Vergleich mit dem eines Mannes auch ist, plötzlich nicht nur fester als der Mann, sondern als alles in der Welt wird. Die von Tschitschikow beinahe unbeabsichtigte Geringschätzung stellte unter den Damen sogar die Einigkeit wieder her, die früher anläßlich des Kampfes um den Stuhl in seiner Nähe beinahe zusammengebrochen war. In einigen trockenen, ganz gewöhnlichen Worten, die er ohne jede böse Absicht gebraucht hatte, erblickte man bissige Anspielungen. Um das Unglück voll zu machen, verfaßte einer der anwesenden jungen Leute ein satirisches Gedicht auf die ganze Tanzgesellschaft, ohne das es bei den Bällen in den Gouvernementsstädten bekanntlich niemals abgeht. Dieses Gedicht wurde sofort Tschitschikow zugeschrieben. Die Empörung wuchs, und die Damen begannen in den verschiedenen Ecken des Saales in einem recht ungünstigen Sinne über ihn zu sprechen; die arme Institutsschülerin war aber vollkommen vernichtet, und ihr Todesurteil war unterschrieben.

Inzwischen blühte unserem Helden eine überaus unangenehme Überraschung: während die Blondine gähnte und er ihr allerlei Geschichten aus den verschiedensten Zeitaltern auftischte und sogar den griechischen Philosophen Diogenes berührte, erschien aus dem Nebenzimmer Nosdrjow. Kam er aus dem Büfett gelaufen oder aus dem kleinen grünen Salon, wo ein bedenklicheres Spiel als der gewöhnliche Whist gespielt wurde, kam er freiwillig, oder hatte man ihn herausgeworfen – jedenfalls erschien er heiter, lustig, den Staatsanwalt am Arme haltend, den er offenbar schon seit einiger Zeit mit sich herumschleppte, denn der arme Staatsanwalt hob und senkte seine buschigen Augenbrauen, als suchte er nach einem Mittel, sich von dieser freundschaftlichen Begleitung zu befreien. Diese war auch in der Tat unerträglich. Nosdrjow, der, um sich Mut zu machen, zwei Tassen Tee, natürlich nicht ohne Rum, getrunken hatte, log das Blaue vom Himmel herunter. Als Tschitschikow ihn von ferne sah, entschloß er sich sogar zu einem Opfer, das heißt, er wollte seinen beneidenswerten Posten aufgeben und sich so schnell als möglich entfernen: diese Begegnung verhieß ihm nichts Gutes. Doch zu seinem Unglück erschien jetzt auf der Bildfläche der Gouverneur, der seine große Freude darüber äußerte, daß er Pawel Iwanowitsch endlich gefunden habe und ihn ersuchte, den Schiedsrichter in seinem Streite mit zwei Damen zu machen; es handelte sich um die Frage, ob die weibliche Liebe von Dauer sei oder nicht; Nosdrjow hatte ihn aber schon bemerkt und ging direkt auf ihn zu.

»Ah, der Cherssoner Gutsbesitzer, der Cherssoner Gutsbesitzer!« schrie er, näher kommend und so laut lachend, daß seine frischen und wie Frühjahrsrosen roten Backen erzitterten. »Nun, hast du viel Tote eingekauft? Sie kennen ihn noch nicht, Exzellenz«, schrie er, sich an den Gouverneur wendend: »Er handelt mit toten Seelen! Bei Gott! Hör einmal, Tschitschikow! Du bist ja, ich sage es dir in aller Freundschaft, wir alle sind deine Freunde, auch Seine Exzellenz ist dabei – ich würde dich aufhängen lassen, bei Gott, ich würde dich aufhängen lassen!«

Tschitschikow wußte nicht mehr, wo er sich befand.

»Sie werden es nicht glauben wollen, Exzellenz,« fuhr Nosdrjow fort, »als er mir sagte: ›Verkauf mir deine toten Seelen!‹, platzte ich fast vor Lachen. Wie ich herkomme, erzählt man mir, daß er für drei Millionen Rubel Bauern gekauft hat, um sie auf seinen Gütern anzusiedeln. Was ist das für eine Ansiedlung! Von mir hat er bloß Tote kaufen wollen. Hör einmal, Tschitschikow: du bist ein Vieh, bei Gott, ein Vieh! Auch Seine Exzellenz ist dabei ... nicht wahr, Staatsanwalt?«

Doch der Staatsanwalt, Tschitschikow und selbst der Gouverneur waren so bestürzt, daß sie gar nicht wußten, was darauf zu sagen; Nosdrjow schenkte dem keine Beachtung und fuhr in seiner nicht ganz nüchternen Rede fort: »Hör mal, Bruder, du, du ... ich lasse dich nicht, ehe du mir sagst, wozu du die toten Seelen gekauft hast. Du solltest dich schämen, Tschitschikow; du weißt doch selbst, daß du keinen besseren Freund hast als mich ... Auch Seine Exzellenz ist da ... nicht wahr, Staatsanwalt? Sie werden gar nicht glauben wollen, Exzellenz, wie wir aneinander hängen; wenn Sie mich, so wie ich hier stehe, fragen: ›Nosdrjow, sag auf Ehr und Gewissen, wer ist dir lieber, dein leiblicher Vater oder Tschitschikow?‹, so antworte ich: ›Tschitschikow‹, bei Gott ... Erlaube mir, mein Herzchen, daß ich dir einen Kuß gebe. Gestatten Sie, Exzellenz, daß ich ihn abküsse. Ja, Tschitschikow, wehre dich nicht, laß mich dir ein Küßchen auf deine schneeweiße Wange drücken!« Nosdrjow wurde aber mit seinem Küßchen so heftig zurückgestoßen, daß er beinahe hinfiel. Alle Menschen wandten ihm den Rücken und hörten ihm nicht mehr zu. Aber seine Worte vom Kaufe der toten Seelen waren doch so laut ausgesprochen und von einem so lauten Gelächter begleitet worden, daß sie selbst die Aufmerksamkeit derjenigen auf sich lenkten, die in den entferntesten Ecken des Saales standen. Diese Neuigkeit kam allen so seltsam vor, daß alle mit einem hölzernen, dummfragenden Ausdruck gleichsam erstarrten. Tschitschikow merkte, wie einige Damen Blicke wechselten und dabei giftig und boshaft lächelten; im Ausdrucke einiger Gesichter glaubte er etwas Zweideutiges zu lesen, was seine Verwirrung nur noch vergrößerte. Daß Nosdrjow ein abgefeimter Lügner war, das wußten alle, und kein Mensch wunderte sich, wenn er von ihm irgendeinen haarsträubenden Unsinn zu hören bekam; doch der Sterbliche – es ist in der Tat schwer zu begreifen, wie so ein Sterblicher beschaffen ist: wie albern eine Neuigkeit auch sei, er wird sie unbedingt, wenn es nur eine Neuigkeit ist, einem anderen Sterblichen mitteilen, und wenn auch nur um zu sagen: »Schauen Sie nur, was man für Lügen verbreitet!« Der andere Sterbliche leiht ihm aber mit Vergnügen sein Ohr, und wenn er auch hinterher erklärt: »Es ist ja eine ganz alberne Lüge, die nicht die geringste Beachtung verdient!« Und gleich darauf macht er sich auf die Suche nach einem dritten Sterblichen, um die Lüge diesem zu erzählen und dann gleich mit ihm zusammen in edler Entrüstung auszurufen: »Welch eine gemeine Lüge!« So macht die Neuigkeit die Runde durch die ganze Stadt, und alle Sterblichen, soviel ihrer da sind, reden sich satt und erklären hinterher, die ganze Sache verdiene keine Beachtung und sei es nicht wert, daß man über sie spreche.