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Dieser anscheinend belanglose Vorfall verdarb unserem Helden sichtlich die Laune. So dumm auch die Reden eines Narren sein mögen, genügen sie zuweilen doch, um auch einen Klugen verlegen zu machen. Er fühlt sich auf einmal unbehaglich und ungemütlich, als wäre er mit einem schön geputzten Stiefel in eine schmutzige, stinkende Pfütze getreten; mit einem Wort, er fühlte sich gar nicht wohl! Er versuchte, nicht mehr daran zu denken, er bemühte sich, sich zu zerstreuen, er setzte sich an den Whisttisch, aber alles ging schief, wie ein krummes Rad: zweimal spielte er eine fremde Farbe aus; dann vergaß er, daß eine Karte nur einmal geschlagen werden darf, holte mit der Hand aus und schlug dummerweise seine eigene Karte. Der Kammervorsitzende konnte unmöglich begreifen, wie Pawel Iwanowitsch, der das Spiel so gut, und man kann wohl sagen, fein verstand, derartige Fehler machen und sogar seinen eigenen Pikkönig, auf den er, wie er sich selbst ausdrückte, so fest wie auf den lieben Gott gebaut hatte, in den Tod schicken konnte. Der Postmeister, der Kammerpräsident und sogar der Polizeimeister machten sich über unseren Helden ein wenig lustig: er sei sicher verliebt, sein Herz sei bekanntlich verwundet und alle wüßten, von wem es verwundet sei; dies alles vermochte ihn jedoch nicht zu trösten, so sehr er sich auch bemühte zu lächeln und die Witze mit Witzen zu parieren. Auch beim Abendessen konnte er nicht mehr in die richtige Stimmung kommen, obwohl die Gesellschaft bei Tisch sehr angenehm war und man Nosdrjow schon längst herausgeschmissen hatte, weil schließlich auch die Damen meinten, daß sein Benehmen gar zu skandalös geworden sei. Mitten im Kotillon hatte er sich nämlich auf den Fußboden gesetzt und angefangen, die Tanzenden bei den Kleidern und Frackschößen zu packen, was, nach dem Ausdruck der Damen, schon ganz unmöglich war. Das Abendessen war sehr lustig; alle Gesichter, die zwischen den dreiarmigen Leuchtern, den Blumen, dem Konfekt und den Flaschen sichtbar waren, strahlten vor ungezwungenster Zufriedenheit. Die Offiziere, die Damen und die Frackträger – alle waren auf einmal von einer Liebenswürdigkeit erfüllt, die schon beinahe zu süß war. Die Herren sprangen von ihren Stühlen auf und entrissen den Dienern die Platten, um sie mit ungewöhnlicher Geschicklichkeit den Damen zu reichen. Ein Oberst präsentierte einer Dame einen Teller mit Soße auf dem Ende seines bloßen Degens. Die Herren reiferen Alters, unter denen auch Tschitschikow saß, debattierten laut und nahmen zu jedem vernünftigen Wort ein Stück Fisch oder Fleisch, das sie zuvor dick mit Senf bestrichen; sie debattierten über Gegenstände, für die sich Tschitschikow sonst immer interessiert hatte; jetzt war er aber wie ein Mensch, der von einer langen Reise ermüdet und zerschlagen ist, der keine Kraft mehr hat, etwas zu verstehen oder in etwas einzudringen. Er wartete nicht einmal das Ende der Abendtafel ab und fuhr viel früher nach Hause, als er es sonst zu tun pflegte.

Im Gasthofe, im Zimmer, das dem Leser so gut bekannt ist, mit der Kommode vor der Türe und den ab und zu aus den Ecken hervorguckenden Kakerlaken, war die Verfassung seiner Gedanken und seines Geistes ebenso unbehaglich, wie der Sessel, in dem er saß. Es war ihm so unangenehm und wirr zumute; irgendeine lästige Leere war in seinem Herzen zurückgeblieben. »Hol doch der Teufel alle, die diese Bälle erfunden haben!« sprach er in seiner Wut. »Was freuen sich diese Narren? Im Gouvernement ist eine Mißernte und eine Teuerung, und sie denken nur an die Bälle! Diese Freude: putzen sich in Weiberlumpen! Ein Kunststück, daß manche für mehr als tausend Rubel solcher Lumpen am Leibe hat! Das geht doch auf Kosten der Abgaben, die die Bauern zahlen, oder, was noch ärger ist, auf Kosten unseres eigenen Gewissens. Alle wissen, warum unsereins sich bestechen läßt oder sonstwie sündigt: alles nur, um der Frau einen teuren Schal oder eine Robe zu kaufen, weiß der Teufel, wie alle diese Dinge heißen! Und wozu das alles? Damit irgendeine Hure Ssidorowna nicht sage, die Postmeisterin habe ein besseres Kleid angehabt – und dieser Spaß kostet tausend Rubel. Sie schreien: ein Ball, ein Ball, wie lustig! So ein Ball ist einfach eine Schweinerei, er ist ganz gegen den russischen Geist, gegen die russische Natur, hol’s der Teufeclass="underline" ein erwachsener, mündiger Mann springt plötzlich ganz in Schwarz, glatt wie ein gerupfter Teufel, heraus und wirft die Beine hin und her. Ein anderer steht neben seiner Dame, unterhält sich dabei mit einem anderen Herrn über eine wichtige Sache und beschreibt zur gleichen Zeit mit den Beinen wie ein junger Bock allerlei Figuren nach rechts und nach links ... Das kommt alles von der Nachäfferei! Weil der Franzose mit vierzig Jahren noch dasselbe Kind ist, wie er es mit fünfzehn gewesen, so müssen wir auch so sein! Nein, wirklich ... nach jedem Ball fühle ich mich so, als ob ich irgendeine Sünde begangen hätte; ich möchte sogar später nicht mehr daran denken. Im Kopfe ist es so leer wie nach dem Gespräch mit einem Salonmenschen: von allen möglichen Dingen redet er, alles berührt er, sagt alles, was er aus allerlei Büchern zusammengelesen hat, es ist bunt und schön, doch im Kopfe bleibt nichts zurück; später sieht man ein, daß sogar ein Gespräch mit einem einfachen Kaufmann, der nur sein Geschäft kennt, es aber gut und sicher kennt, mehr wert ist als dieses ganze Geplapper. Was kann man nur an einem solchen Balle gewinnen? Wenn es z.B. irgendeinem Schriftsteller einfiele, diese Szene so zu beschreiben, wie sie in Wirklichkeit war? Dann würde sie auch im Buche ebenso sinnlos erscheinen wie in der Wirklichkeit. Man würde sich fragen: ist es eine sittliche oder eine unsittliche Sache? Der Teufel soll sich da auskennen! Man spuckt aus und klappt das Buch zu.« So ungünstig äußerte sich Tschitschikow über die Bälle im allgemeinen; er wird wohl aber auch einen anderen Grund für seine Entrüstung gehabt haben. Er ärgerte sich weniger über den Ball, als über seine Blamage: daß er plötzlich vor allen Leuten als Gott weiß was dastand und eine seltsame, zweideutige Rolle gespielt hatte. Natürlich, wenn er alles mit dem Auge eines vernünftigen Menschen überblickte, sah er, daß alles nicht der Rede wert sei, daß ein dummes Wort keine Bedeutung habe, besonders jetzt, wo die Hauptsache schon so, wie es sich gehört, erledigt war. So merkwürdig ist einmal der Mensch: ihn kränkte die mangelnde Sympathie derselben Geschöpfe, die er mißachtete, über die er sich so scharf geäußert und über deren Eitelkeit und Putzsucht er geschimpft hatte. Dies ärgerte ihn um so mehr, als er selbst den Grund dazu gegeben hatte. Sich selbst zürnte er jedoch nicht und hatte darin natürlich recht. Wir alle haben die kleine Schwäche, uns ein wenig zu schonen, und bemühen uns, einen von unseren Nächsten auszusuchen und an ihm unseren Ärger auszulassen, zum Beispiel an einem Diener, an einem uns untergebenen Beamten, der uns gerade in den Weg kommt, an unserer Frau oder schließlich am Stuhl, den wir, weiß der Teufel wohin, an die Türe schleudern, so daß die Arm- und Rückenlehne abspringt: soll er nur wissen, was unser Zorn bedeutet! So fand auch Tschitschikow bald einen Nächsten, der auf seinen Buckel alles nehmen mußte, was ihm sein Ärger eingab. Dieser Nächste war Nosdrjow, und man muß wohl sagen, daß er ihn von allen Seiten so kräftig beschimpfte, wie nur irgendein betrügerischer Dorfschulze oder ein Postkutscher von einem erfahrenen, vielgereisten Hauptmann, zuweilen auch von einem General beschimpft wird, der zu der Menge von Ausdrücken, die schon zu klassischen geworden sind, auch eine Menge von noch unbekannten hinzufügt, die er selbst erfunden hat. Der ganze Stammbaum Nosdrjows wurde durchgenommen, und viele Mitglieder seiner Familie in aufsteigender Linie kamen dabei zu Schaden.