Выбрать главу
Köpfen herrschte ein Durcheinander, ihre Gedanken waren verworren, mit einem Worte, die hohle Natur des Mannes, die rohe, schwerfällige Natur, die weder Haushalttalente hat, noch herzlicher Überzeugungen fähig ist, die kleingläubige, faule, von ewigen Zweifeln und Ängsten erfüllte Natur kam ganz unverhüllt zum Vorschein. Sie sagten, das sei Unsinn, die Entführung der Gouverneurstochter sei eher die Sache eines Husaren als eines Zivilisten, Tschitschikow würde so etwas niemals tun, die Weiber schwatzen dummes Zeug, das Weib sei überhaupt wie ein Sack, was man hineinlege, das schleppe es mit sich herum; der Hauptgegenstand, den man nicht aus den Augen verlieren dürfe, seien die toten Seelen; was dahinter stecke, das wisse der Teufel, aber es stecke sicher etwas sehr Übles dahinter. Warum die Männer glaubten, daß etwas Übles dahinter stecke, das werden wir sofort erfahren. Für dieses Gouvernement war vor kurzem ein neuer Generalgouverneur ernannt worden; so ein Ereignis versetzt die Beamten bekanntlich immer in die größte Unruhe: es beginnen Untersuchungen, Rügen, Rüffel und allerlei amtliche Suppen, mit denen der Vorgesetzte seine Untergebenen traktiert. – »Wenn er nur erfährt,« dachten sich die Beamten, »daß in der Stadt so dumme Gerüchte verbreitet werden, so kann ihn schon das allein fuchsteufelswild machen.« Der Inspektor der Medizinalverwaltung erbleichte plötzlich und redete sich Gott weiß was ein: ob unter den »toten Seelen« nicht die Kranken gemeint seien, die in großer Zahl bei der Typhusepidemie, gegen die keinerlei Maßnahmen ergriffen worden waren, in den Lazaretten und an anderen Orten gestorben waren – und ob Tschitschikow nicht ein aus der Kanzlei des Generalgouverneurs zwecks einer geheimen Untersuchung abkommandierter Beamter sei? Diese Vermutung teilte er dem Kammervorsitzenden mit. Der Kammervorsitzende antwortete, daß es Unsinn sei; plötzlich erbleichte aber auch er selbst und fragte sich: wie, wenn die von Tschitschikow gekauften Seelen wirklich tot sind? Hat er doch selbst den Abschluß der Kaufverträge über diese Seelen zugelassen und obendrein die Rolle des Vertreters von Pljuschkin gespielt; wenn das dem Generalgouverneur zu Ohren kommt, was dann? Dies teilte er nur diesem und jenem mit, und plötzlich erbleichten auch dieser und jener: die Angst ist ansteckender als die Pest und teilt sich in einem Augenblick mit. Alle entdeckten plötzlich an sich solche Sünden, die sie sogar niemals begangen hatten. Das Wort »tote Seelen« klang so unbestimmt, daß sogar der Verdacht aufkam, ob es nicht eine Anspielung auf zwei Fälle sei, die sich vor gar nicht langer Zeit ereignet hatten, wo zwei Leichen voreilig begraben worden waren. Der erste Fall betraf einige Kaufleute aus Ssolwytschegodsk, die in die Stadt zum Jahrmarkt gekommen waren und nach Abschluß der Geschäfte zu Ehren ihrer Freunde, einiger Kaufleute aus Ustsyssolsk, ein Trinkgelage veranstaltet hatten – ein Trinkgelage in russischem Stil, doch mit deutschen Einführungen: wie Orgeaden, Punschen, Balsamen usw. Das Trinkgelage endete, wie es so geht, mit einer Schlägerei. Die von Ssolwytschegodsk prügelten die von Ustsyssolsk zu Tode, obwohl sie dabei selbst eine Anzahl kräftiger Bauch-, Genick- und Rippenstöße abbekamen, die von der ungeheuren Größe der Fäuste zeugten, mit denen die Verstorbenen begabt waren. Dem einen von den Siegern war, wie sich die Faustkämpfer auszudrücken pflegen, die »Luftpumpe« eingetrieben, d. h. die Nase so gründlich zermalmt worden, daß von ihr nur ein etwa einen halben Finger dickes Stück auf dem Gesicht zurückblieb. Die Kaufleute gestanden ihre Heldentat ein und gaben zu, daß sie ein wenig über die Schnur gehauen hätten. Ein Gerücht meldete, daß sie dieser Erklärung je vier größere Reichsscheine beigefügt hätten; die Sache war übrigens recht dunkeclass="underline" die angestellte Untersuchung ergab, daß die Kaufleute von Ustsyssolsk an Ofendunstvergiftung gestorben waren, und sie wurden auch als solche beigesetzt. Der andere Fall, der sich vor kurzem ereignet hatte, war folgender: die der Krone gehörenden Bauern des Dorfes Wschiwaja-Spjeß hatten sich mit den gleichfalls der Krone gehörenden Bauern des Dorfes Browki, auch Sadirailowo genannt, verbündet und die Landpolizei in Person eines gewissen Assessors Drobjaschkin vom Erdboden vertilgt; und zwar weil die Landpolizei, d. h. der Assessor Drobjaschkin, sich angewöhnt habe, ihr Dorf allzuoft zu besuchen, was in gewissen Fällen viel schlimmer ist als eine Typhusepidemie; der Grund aber sei gewesen, daß die Landpolizei ein schwaches Herz gehabt und ein zu großes Interesse für die Weiber und Mädchen des Dorfes gezeigt habe. Es ist darüber nichts Sicheres bekannt, obwohl die Bauern in ihren Aussagen geradezu erklärten, die Landpolizei sei lüstern wie eine Katze gewesen; sie hätten sie schon mehr als einmal gewarnt und einmal sogar ganz nackt aus einem Bauernhause hinausgejagt, in das sie sich irgendwie Eingang verschafft hatte. Die Landpolizei hatte die Strafe für ihre Herzensschwäche natürlich wohl verdient, aber man durfte auch die Bauern von Wschiwaja-Spjeß wie auch die von Sadirailowo vom eigenmächtigen Verfahren nicht freisprechen, wenn sie sich tatsächlich den Mord zuschulden kommen lassen hatten. Die Sache blieb aber dunkel, die Landpolizei hatte man auf der Landstraße liegen gefunden, ihre Uniform und ihr Rock waren zerfetzt, und das Gesicht ließ sich überhaupt nicht mehr erkennen. Die Sache beschäftigte die Gerichte und kam schließlich vor die Kammer, wo sie im folgenden Sinne entschieden wurde: da es unbekannt sei, wer von den Bauern an der Sache beteiligt gewesen, ihrer aber im ganzen recht viele waren; da ferner Drobjaschkin ein toter Mann sei und folglich wenig Nutzen davon haben würde, wenn er die Sache gewönne, die Bauern aber andererseits noch am Leben seien und folglich ein Interesse daran hätten, daß die Sache zu ihren Gunsten entschieden werde, so sei wie folgt zu beschließen: der Assessor Drobjaschkin trage selbst die Schuld, da er die Bauern der Dörfer Wschiwaja-Spjeß und Sadirailowo ungerechterweise unterdrückt habe; was aber seinen Tod betrifft, so sei er, als er in seinem Schlitten heimfuhr, einem Schlaganfall erlegen. Die Sache schien aufs beste erledigt; doch die Beamten bildeten sich, man weiß nicht warum, ein, daß mit den toten Seelen dieser Fall gemeint sei. Als die Herren Beamten, sich in dieser schwierigen Lage befanden, liefen beim Gouverneur gleichzeitig zwei Papiere ein. Das eine meldete, daß nach den eingelaufenen Berichten sich im Gouvernement ein Hersteller von falschen Banknoten unter verschiedenen falschen Namen aufhalte; daher solle man unverzüglich eine strenge Untersuchung anstellen. Das andere Papier enthielt die Mitteilung des Gouverneurs des Nachbargouvernements über einen Räuber, der vor der gesetzlichen Verfolgung geflohen sei; falls also im Gouvernement ein verdächtiger Mensch auftauchen sollte, der weder einen Paß noch sonst welche Papiere vorweisen könnte, so sei dieser sofort zu verhaften. Diese beiden Papiere wirkten auf alle niederschmetternd. Alle bisherigen Kombinationen und Vermutungen stürzten zusammen. Natürlich konnte man unmöglich annehmen, daß Tschitschikow mit den beiden Angelegenheiten auch das geringste zu tun hätte; als aber ein jeder die Sache für sich überlegte und sich erinnerte, daß es ihnen gänzlich unbekannt war, wer Tschitschikow eigentlich sei, und daß er sich selbst höchst unklar über seine Person geäußert, obwohl er auch gesagt hatte, daß er den Staatsdienst als Opfer seines Gerechtigkeitssinns hatte verlassen müssen, was aber ebenfalls recht unklar klang; als sie sich obendrein seiner Erklärung erinnerten, daß er viele Feinde habe, die ihm nach dem Leben trachteten – so wurden sie noch nachdenklicher: seinem Leben drohte eine Gefahr; also wurde er von jemand verfolgt; folglich muß er etwas angestellt haben ... Wer mochte er nun eigentlich sein? Man konnte natürlich nicht annehmen, daß er falsche Banknoten herstelle und um so weniger ein Räuber sei; sein Äußeres war dazu viel zu bieder; wer mochte er aber trotz alledem sein? Nun stellten sich die Herren Beamten eine Frage, die sie sich gleich am Anfang, d.h. im ersten Kapitel unseres Poems, hätten stellen sollen. Es wurde beschlossen, die Leute auszufragen, von denen er die toten Seelen erworben hatte, um wenigstens festzustellen, was das für Käufe gewesen seien und was unter diesen toten Seelen zu verstehen wäre; ob er nicht jemand zufällig, so nebenbei, etwas von seinen wahren Absichten gesagt oder jemand erzählt hätte, wer er sei. Zuallererst wandte man sich an die Korobotschka, konnte aber von ihr nicht viel erfahren: er hätte für fünfzehn Rubel Seelen gekauft; er kaufe auch Daunen und Federn ein; er hätte ihr versprochen, ihr noch allerlei andere Sachen abzukaufen, auch liefere er Schweineschmalz an die Behörden; darum sei er sicher ein Schwindler, denn es sei schon einmal so ein Mann dagewesen, der Federn und Daunen eingekauft und Schweineschmalz an die Behörden geliefert habe; dieser aber hätte alle begaunert und auch die Protopopenfrau um mehr als hundert Rubel geprellt. Alle ihre weiteren Aussagen waren nur eine Wiederholung dessen, was sie schon einmal gesagt hatte, und die Beamten sahen nur, daß die Korobotschka ein dummes altes Weib sei. Manilow sagte aus, daß er für Pawel Iwanowitsch stets wie für sich selbst bürgen werde, er würde sein ganzes Gut hingeben, nur um einen hundertsten Teil der Eigenschaften des Pawel Iwanowitsch zu besitzen; überhaupt äußerte er sich über ihn in den schmeichelhaftesten Ausdrücken und fügte mit zusammengekniffenen Augen einige Sentenzen über die Freundschaft im allgemeinen hinzu. Diese Sentenzen zeugten in hinreichender Weise von den zarten Regungen seines Herzens, vermochten aber den Beamten nichts von der Sache zu erklären. Ssobakewitsch sagte bei der Vernehmung, Tschitschikow sei nach seiner Ansicht ein anständiger Mensch; die Bauern, die er ihm verkauft habe, seien lauter ausgesuchte und in jeder Beziehung lebendige Leute gewesen; für die Zukunft könne er aber nicht garantieren: wenn sie bei der schwierigen Übersiedlung unterwegs sterben, so sei das nicht seine Schuld, das liege nur in Gottes Hand; es gebe nicht wenig Epidemien und tödliche Krankheiten in der Welt, und man hätte schon Fälle erlebt, wo ganze Dörfer ausgestorben seien. Die Herren Beamten wandten noch ein Mittel an, das zwar nicht sehr edel ist, das man aber zuweilen doch anzuwenden pflegt: sie ließen die beiden Diener Tschitschikows auf Umwegen, unter Zuhilfenahme ihrer Bekanntschaften in Lakaienkreisen, ausfragen, ob sie nicht irgendwelche Einzelheiten aus dem Vorleben ihres Herrn wüßten; aber auch auf diesem Wege erfuhren sie nicht viel. Von Petruschka bekamen sie nur den bewußten muffigen Geruch zu riechen, und von Sselifan hörten sie, daß sein Herr »im Staatsdienste gewesen und früher bei einem Zollamte gedient habe« und sonst nichts. Diese Klasse von Menschen hat eine höchst seltsame Angewohnheit. Wenn man sie direkt nach etwas fragt, so wissen sie nichts zu sagen; es will ihnen nichts einfallen, und sie antworten einfach, daß sie nichts wissen; wenn man sie aber nach etwas anderem fragt, so kommen sie gerade auf das Gewünschte zu sprechen und bringen sogar solche Einzelheiten vor, die man gar nicht wissen will. Alle die von den Beamten angestellten Untersuchungen zeigten ihnen nur das eine, nämlich, daß sie nichts Sicheres darüber wußten, wer Tschitschikow eigentlich war, daß er aber doch sicher etwas sein mußte. Endlich beschlossen sie, diese Sache endgültig zu besprechen und sich wenigstens darüber zu einigen, was sie zu tun hätten, was für Maßregeln zu ergreifen wären und wer Tschitschikow eigentlich sei: ob ein Mensch, den man als unzuverlässig verhaften müßte, oder einer, der sie selbst alle als unzuverlässig verhaften könne. Zu diesem Zweck wollte man einmal beim Polizeimeister zusammenkommen, dem den Lesern schon bekannten Vater und Wohltäter der Stadt.