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Das war die schwierigste Schwelle, die er zu überschreiten hatte. Von nun an ging die Sache viel leichter und erfolgreicher. Er lenkte die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Man nahm an ihm alles wahr, was man in dieser Welt braucht: Anmut in den Manieren und Handlungen und Tüchtigkeit in Geschäften. Mit diesen Mitteln ausgerüstet, erlangte er in kürzester Zeit das, was man ein warmes Plätzchen nennt, und machte davon denkbar besten Gebrauch. Man muß nämlich wissen, daß man um jene Zeit die Bestechlichkeit mit den strengsten Mitteln zu bekämpfen begann. Tschitschikow fürchtete diese Bekämpfung nicht und nützte sie sofort zu seinem eigenen Vorteil aus, wobei er die echt russische Erfindungsgabe zeigte, die nur unter dem Drucke von Verfolgungen erblüht. Er machte die Sache wie folgt: wenn ein Bittsteller kam und die Hand in die Tasche steckte, um einige der bekannten Empfehlungsbriefe mit der Unterschrift des Fürsten Chowanskij, wie man bei uns in Rußland die Banknoten zu nennen pflegt, hervorzuholen, faßte er den Besucher bei der Hand und sagte mit einem Lächeln: »Nein, nein! Sie glauben wohl, daß ich ... Nein, nein! Das ist unsere Pflicht, unsere Schuldigkeit; das müssen wir ohne jede Bezahlung tun! In dieser Beziehung können Sie ganz unbesorgt sein: die Sache wird morgen erledigt werden. Darf ich Sie um Ihre Adresse bitten? Sie brauchen sich nicht mehr herzubemühen: alles wird Ihnen ins Haus geschickt.« Der entzückte Bittsteller kehrt fast begeistert nach Hause zurück und denkt sich: – Da ist endlich ein Mensch, wie wir solche möglichst viel haben müßten! Ein wahrer Edelstein! – Der Bittsteller wartet aber einen Tag, einen zweiten – er bekommt nichts ins Haus zugestellt; auch am dritten Tage nicht. Er geht in die Kanzlei – in seiner Sache ist noch nichts geschehen; er wendet sich an den Edelstein selbst. »Ach, entschuldigen Sie!« sagt Tschitschikow äußerst höflich, indem er die beiden Hände des Besuchers ergreift: »Wir hatten so viel zu tun, aber morgen wird es erledigt werden, morgen, ganz bestimmt! Ich muß mich wirklich genieren!« Alle diese Worte begleitete er mit den bezauberndsten Gesten. Wenn dabei der Schlafrock aufging, so suchte die Hand die Sache sofort gutzumachen und den Rockschoß festzuhalten. Aber auch morgen und übermorgen und auch am dritten Tage bekam der Bittsteller nichts ins Haus gebracht. Nun wird er nachdenklich: »Hat die Sache vielleicht doch einen Haken?« Er erkundigt sich und erfährt, daß man den Schreibern etwas geben muß. »Warum sollte ich ihnen nichts geben? Auf ein paar Fünfundzwanzigkopekenstücke kommt es mir nicht an.« – »Nein, die Schreiber kriegen keine Fünfundzwanzigkopekenstücke, sondern je fünfundzwanzig Rubel.« – »Was, je fünfundzwanzig Rubel für die Schreiber?!« ruft der Bittsteller aus. – »Was ereifern Sie sich so?« antwortet man ihm: »Es ist ganz in Ordnung: die Schreiber bekommen je fünfundzwanzig Kopeken, und der Rest geht an den Amtsvorstand.« Der einfältige Bittsteller versetzt sich einen Klaps auf die Stirn und schimpft, was er schimpfen kann, auf die neue Ordnung: auf den Kampf gegen die Bestechlichkeit und auf die höflichen, veredelten Umgangsformen der Beamten. »Früher wußte man wenigstens, was man zu tun hatte: man gab dem Amtsvorstand einen Zehnrubelschein, und die Sache war erledigt; heute muß man aber einem jeden fünfundzwanzig Rubel geben und verliert obendrein eine ganze Woche, ehe man darauf kommt! Hol der Teufel diese Unbestechlichkeit und die edle Gesinnung der Beamten!« Der Bittsteller hat natürlich recht; dafür gibt es jetzt aber keine bestechlichen Beamten; alle Amtsvorstände sind die ehrlichsten und edelsten Menschen; und nur die Sekretäre und die Schreiber sind Spitzbuben. Bald bot sich jedoch Tschitschikow ein viel weiteres Feld für seine Tätigkeit: es wurde eine Kommission zur Errichtung irgendeines sehr großen Amtsgebäudes eingesetzt. Es gelang ihm, bei dieser Kommission unterzukommen, und er wurde zu einem ihrer tätigsten Mitglieder. Die Kommission machte sich unverzüglich an die Sache. Sechs Jahre plagte sie sich mit dem Amtsgebäude ab; aber entweder war das Klima ungünstig, oder lag es an der Beschaffenheit der Baumaterialien – jedenfalls kam der Bau nicht über das Fundament hinaus. Indessen hatte schon jedes der Kommissionsmitglieder an einem anderen Ende der Stadt sein sehr hübsches Haus von bürgerlicher Architektur: offenbar war dort der Boden günstiger. Die Kommissionsmitglieder fingen an, im Wohlstande zu leben und Familien zu gründen. Erst jetzt begann Tschitschikow, sich allmählich von den strengen Fesseln der Enthaltsamkeit und der unerbittlichen Selbstlosigkeit zu befreien. Erst jetzt milderte er seine strengen Fasten, und nun zeigte es sich, daß ihm durchaus kein Verständnis für alle die Genüsse fehlte, deren er sich in den Jahren seiner feurigen Jugend, wo sonst kein Mensch Herr über sich selbst ist, zu enthalten verstanden hatte. Er entfaltete sogar einen gewissen Luxus: er schaffte sich einen recht guten Koch und feine Hemden aus holländischem Leinen an. Auch kaufte er sich für seine Anzüge ein Tuch, wie es nur wenige Leute im Gouvernement trugen; aus dieser Zeit stammt auch seine Vorliebe für die braunen und rötlichen Tuchsorten mit Glanz; schon hatte er sich ein vorzügliches Paar Pferde angeschafft und hielt bei seinen Ausfahrten einen der Zügel mit eigener Hand, damit das eine Beipferd sich wie ein Aal winde; schon gewöhnte er sich die Manier an, sich mit einem in verdünnte Eau de Cologne getauchten Schwamm abzureiben; schon kaufte er eine gewisse gar nicht billige Seife, die der Haut eine wunderbare Glätte verlieh; schon ...