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Wir haben aber eben zu laut gesprochen und vergessen, daß unser Held, der, während wir seine Geschichte erzählten, geschlafen hat, schon aufgewacht ist und leicht seinen Familiennamen hören kann, den wir so oft wiederholten. Er ist aber ein empfindlicher Mensch und liebt es nicht, daß man von ihm respektlos spricht. Dem Leser ist es recht gleichgültig, ob Tschitschikow ihm zürnt oder nicht; was aber den Autor betrifft, so darf er sich unter keinen Umständen mit seinem Helden entzweien: sie haben noch einen weiten Weg Hand in Hand zurückzulegen; zwei große Teile des Poems liegen noch vor ihnen, und das ist keine Kleinigkeit.

»Ach Gott! Was ist denn mit dir los?« sagte Tschitschikow zu Sselifan: »Du? ...«

»Was?« entgegnete Sselifan langsam.

»Was? Ein Gänserich bist du! Wie fährst du bloß? Rühr’ dich!«

Sselifan hielt schon in der Tat seit geraumer Zeit die Augen geschlossen und schlug nur hier und da im Halbschlafe die gleichfalls duselnden Pferde mit den Zügeln auf die Seiten; Petruschka hatte schon längst, Gott weiß wo, seine Mütze verloren, hatte sich ganz zurückgelehnt und seinen Kopf gegen Tschitschikows Knie gedrückt, so daß ihm dieser einen Nasenstüber geben mußte. Sselifan wurde munter, gab dem Schecken einige ordentliche Peitschenhiebe, worauf jener einen Trab anschlug, fuchtelte dann mit der Peitsche über den Rücken des ganzen Dreigespanns und sagte mit hoher, singender Stimme: »Nur keine Angst!« Die Pferdchen kamen in Schwung und sausten mit dem federleichten Wagen dahin. Sselifan schwang bloß die Peitsche und rief: »Hü! Hü! Hü!« Er hüpfte elastisch auf dem Bocke, während die Troika die Hügel, mit denen die Landstraße übersät war, bald hinaufflog und bald wieder hinuntersauste. Tschitschikow lächelte nur, während er auf seinem Lederkissen leicht emporflog, denn er liebte das schnelle Fahren. Und welcher Russe liebt das schnelle Fahren nicht? Sollte seine Seele, die immer danach strebt, sich von einem Wirbel fortreißen zu lassen und zuweilen zu sagen: »Hol doch alles der Teufel!« – sollte seine Seele das schnelle Fahren nicht lieben! Sollte sie es nicht lieben, wo doch daraus etwas Begeisterndes und Wundersames tönt? Es ist, als hätte dich eine unbekannte Gewalt auf ihren Flügel gehoben, du fliegst selbst dahin, und alles fliegt: es fliegen die Werstpfähle, es fliegen die Kaufleute auf ihren Wagensitzen, es fliegt zu beiden Seiten der Wald mit den dunklen Reihen der Tannen und Fichten, mit dem Klopfen der Äxte und dem Gekrächze der Krähen; es fliegt die ganze Straße in die Gott weiß wo verschwindende Ferne; etwas Schreckliches ist in diesem schnellen Vorbeifliegen, wo der entschwindende Gegenstand keine Zeit hat, deutliche Formen anzunehmen, wo nur der Himmel über dem Kopfe, die leichten Wolken und der durchbrechende Mond allein unbeweglich erscheinen. Ach, du Troika, du schneller Vogel! Wer hat dich erdacht? Nur bei einem kecken Volke konntest du zur Welt kommen, in einem Lande, das keinen Spaß versteht, das sich als unendliche Ebene über die halbe Welt breitet – nun geh und zähle die Werstpfähle, bis es dir vor den Augen flimmert. Gar nicht schlau ersonnen siehst du aus, Fahrzeug, keine eiserne Schraube hält dich zusammen, in aller Eile hat dich bloß mit Beil und Meißel ein flinker Jaroslawischer Bauer gebaut und zusammengezimmert. Der Kutscher hat keine deutschen Stulpenstiefel an den Füßen: Vollbart und Fausthandschuhe sind sein einziger Schmuck, und er sitzt der Teufel weiß worauf; wenn er aber aufsteht, mit der Peitsche ausholt und ein Lied anstimmt – so rasen die Pferde wie ein Sturm dahin, die Speichen fließen zu einer glatten Scheibe zusammen – die Straße erzittert, der Fußgänger bleibt erschrocken stehen und schreit auf – und schon fliegt die Troika dahin, sie fliegt, sie fliegt! ... Und schon sieht man in der Ferne etwas stauben und die Luft durchbohren.

Fliegst nicht auch du, Rußland, wie eine schnelle Troika, die niemand einholen kann, dahin? Wie Rauch staubt unter dir die Straße, die Brücken dröhnen, alles bleibt zurück! Der vom göttlichen Wunder erschütterte Zuschauer bleibt stehen: ist es nicht ein vom Himmel geschleuderter Blitz? Was bedeutet diese erschreckende Bewegung? Was für eine unbekannte Gewalt liegt in diesen von der Welt noch nie gesehenen Rossen? Ach, ihr Rosse, was seid ihr für Rosse! Sitzen Wirbelstürme in euren Mähnen? Zittert ein wachsames Ohr in jeder eurer Ader? Ihr hört von oben das euch bekannte Lied erklingen, ihr spannt einträchtig eure ehernen Brüste und verwandelt euch, fast ohne die Erde mit den Hufen zu berühren, in bloße langgestreckte Linien, und die Troika rast wie von Gott begeistert dahin! ... Rußland, wohin fliegst du? Gib Antwort! Es gibt keine Antwort. Wunderbar klingen die Schellen; es dröhnt die in Stücke gerissene Luft und wird zu Wind; alles auf Erden fliegt vorbei, und alle anderen Völker und Staaten treten zur Seite und weichen ihr aus.