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Beim Abendessen überaßen sie sich wieder. Als Pawel Iwanowitsch in das ihm zum Schlafen angewiesene Zimmer kam und vor dem Zubettgehen seinen Bauch betastete, sagte er sich: »Die reinste Trommel! Da findet kein Stadthauptmann mehr Platz.« Zufällig befand sich gleich hinter der Wand das Zimmer des Hausherrn. Die Wand war so dünn, daß man alles hören konnte, was dort gesprochen wurde. Der Hausherr bestellte dem Koch unter dem Namen eines Frühstücks ein richtiges Mittagessen; und wie er es bestellte! Bei einem Toten müßte der Appetit erwachen.

»Die Pastete backst du mir mit vier Ecken«, sagte er, mit den Lippen schmatzend und die Luft einatmend. »In die eine Ecke tust du mir die Backen eines Störs und Hausensehnen, in die andere – Buchweizengrütze mit Schwämmen, Zwiebeln, süßer Fischmilch, Hirn und ähnlichen Sachen, du wirst schon selbst wissen ... Auf der einen Seite muß sie, verstehst du, schön braun werden, auf der anderen Seite darf sie aber heller sein. Unten soll sie aber so durchgebacken sein, so ganz durchgeschmort, daß sie, weißt du, nicht etwa auseinanderfällt, sondern im Munde wie Schnee zergeht, ohne daß man es merkt.« Bei diesen Worten schmatzte Pjetuch mit den Lippen.

– Hol ihn der Teufel! Er läßt mich nicht einschlafen! – dachte sich Tschitschikow und zog sich die Decke über den Kopf, um nichts zu hören. Aber er hörte es auch durch die Decke:

»Als Beilage zum Stör nimmst du Sternchen aus roten Rüben, Stinte, Pfefferschwämme; dann noch junge Rüben, Möhren, Bohnen und noch irgend so was, überhaupt recht viel Garnierung! Und in den Schweinsmagen tust du ein Stück Eis, damit er ordentlich aufquillt.«

Gar viele Gerichte bestellte noch Pjetusch. Man hörte nichts als: »Brat es ordentlich durch, backe es braun, laß es schön durchschmoren!« Tschitschikow schlief erst bei irgendeinem Truthahn ein.

Am nächsten Tage aßen sich die Gäste wieder so voll, daß Platonow gar nicht reiten konnte. Sein Hengst wurde mit einem Stallknecht Pjetuchs heimgeschickt. Die beiden setzten sich in die Equipage. Der dickschnauzige Hund folgte langsam dem Wagen: auch er hatte sich überfressen.

»Das war schon zuviel«, sagte Tschitschikow, als sie aus dem Hofe herausgefahren waren.

»Und er langweilt sich gar nicht: das ärgert mich am meisten!«

– Hätte ich wie du ein Jahreseinkommen von siebzigtausend, – dachte sich Tschitschikow, – so ließe ich die Langweile nicht über die Schwelle. So ein Branntweinpächter Murasow hat ganze zehn Millionen, leicht gesagt! So eine Summe! –

»Macht das Ihnen was, wenn wir unterwegs einen Besuch abstatten? Ich möchte gern von Schwester und Schwager Abschied nehmen.«

»Mit dem größten Vergnügen!« sagte Tschitschikow.

»Er ist unser bester Landwirt. Er hat, werter Herr, ein Einkommen von zweihunderttausend Rubeln von einem Gut, das vor acht Jahren auch keine zwanzigtausend einbrachte.«

»Das muß doch ein sehr achtbarer Mann sein! Es wird mich sehr interessieren, so einen Menschen kennenzulernen. Natürlich! Das ist ja sozusagen ... Wie heißt er denn?«

»Kostanschoglo.«

»Und mit seinem Vor- und Vaternamen, wenn ich fragen darf?«

»Konstantin Fjodorowitsch.«

»Konstantin Fjodorowitsch Kostanschoglo. Seine Bekanntschaft wird mich sehr interessieren. Es ist sicher sehr belehrend, so einen Menschen kennenzulernen.«

Platonow übernahm es, Sselifan zu beaufsichtigen und zu leiten: dies war auch sehr nötig, da jener sich kaum auf dem Bocke halten konnte. Petruschka flog zweimal vom Wagen, so daß man ihn schließlich mit einem Strick an den Bock festbinden mußte. »Dieses Vieh!« wiederholte Tschitschikow immer wieder.

»Schauen Sie, da beginnen seine Besitzungen,« sagte Platonow, »das sieht gleich ganz anders aus!«

Und in der Tat: die ganze Fläche war von einem angepflanzten Wald mit pfeilgeraden Bäumchen bedeckt; hinter ihnen erhob sich ein zweiter junger Wald mit etwas höheren Bäumen; dahinter ein alter Wald, und einer immer höher als der andere. Und dann kam wieder eine dicht bewaldete Strecke in der gleichen Anordnung: erst ein junger und hinter diesem ein alter Wald. So fuhren sie dreimal durch die Schonungen wie durch Tore in einer Mauer. »Das ist bei ihm alles in acht, höchstens zehn Jahren gewachsen; bei einem anderen wäre es auch in zwanzig Jahren nicht so weit.«

»Wie hat er es nur gemacht?«

»Fragen Sie ihn. Der versteht sich so auf die Bodenverhältnisse, daß bei ihm nichts verloren geht. Er kennt nicht nur den Boden, er weiß auch, was für eine Nachbarschaft jede Pflanze braucht und was für Bäume neben jeder Getreideart wachsen müssen. Jedes Ding erfüllt bei ihm zugleich drei und vier Bestimmungen. Der Wald dient ihm nicht nur als Wald, sondern auch dazu, um an einer bestimmten Stelle eine bestimmte Menge Feuchtigkeit den Feldern abzugeben, eine bestimmte Menge gefallenes Laub zum Dunge zu liefern und soundsoviel Schatten zu spenden ... Wenn bei allen anderen Trockenheit herrscht, gibt’s bei ihm keine Trockenheit; wenn alle von einer Mißernte heimgesucht sind, gibt’s bei ihm keine Mißernte. Schade, daß ich von diesen Dingen wenig verstehe und es nicht richtig erzählen kann, denn es gibt bei ihm so wunderbare Kunststücke ... Man nennt ihn auch einen Zauberer. Er hat viele solche Dinge ... Und doch ist es so langweilig ...«.

– Das muß wohl wirklich ein merkwürdiger Mann sein, – dachte sich Tschitschikow. – Es ist nur traurig, daß der junge Mensch so oberflächlich ist und nicht zu erzählen versteht. –

Endlich zeigte sich das Dorf. Es lag wie eine richtige Stadt auf drei Anhöhen, von denen eine jede von einer Kirche überragt wurde, und zwischen den vielen Häusern erhoben sich überall riesenhafte Getreide- und Heuschober. – Ja, man sieht, daß hier ein hervorragender Gutsbesitzer wohnen muß! – dachte sich Tschitschikow. – Die Bauernhäuser waren alle gut gebaut, die Straßen festgestampft; wenn irgendwo ein Wagen stand, so war er nagelneu und fest; die Bauern hatten alle kluge Gesichter; das Hornvieh war von ausgesuchter Schönheit; selbst die Bauernschweine sahen wie Edelleute aus. Man sah, daß hier die Bauern wohnten, die, wie es im Liede heißt, das Silber mit Schaufeln zusammenscharren. Es gab hier keine englischen Parkanlagen, keinen Rasen und sonstigen Firlefanz; dafür zog sich nach alter Sitte eine Straße von Speichern und Arbeitshäusern bis zum Herrenhause hin, so daß der Herr alles, was geschah, überblicken konnte; das hohe Hausdach wurde von einem Turm überragt; dieser diente aber nicht als Schmuck und nicht, um die Aussicht zu bewundern, sondern um es dem Hausherrn zu ermöglichen, die auf den entfernteren Feldern vor sich gehenden Arbeiten zu überwachen. Vor dem Hause wurden sie von flinken Dienern empfangen, die so ganz anders aussahen als der Saufbold Petruschka, obwohl sie keine Fräcke anhatten, sondern Kosakenröcke aus hausgewebtem, blauem Tuch.

Die Hausfrau selbst lief auf die Freitreppe hinaus. Sie war frisch wie Milch und Blut, schön – wie ein sonniger Tag; sie glich Platonow wie ein Tropfen dem anderen, doch nur mit dem Unterschied, daß sie nicht so fade war wie er, sondern gesprächig und lustig.

»Guten Tag, Bruder! Wie freue ich mich, daß du gekommen bist. Konstantin ist nicht zu Hause, muß aber gleich kommen.«

»Wo ist er denn?«

»Er hat im Dorfe mit einigen Aufkäufern zu tun«, sagte sie, die Gäste ins Zimmer geleitend.

Tschitschikow betrachtete neugierig die Behausung dieses ungewöhnlichen Menschen, der ein Einkommen von zweihunderttausend Rubel hatte, und hoffte an dieser die Eigenschaften des Hausherrn selbst zu erkennen, wie man nach einer leeren Muschelschale auf die Eigenschaften der Auster oder Schnecke schließt, die in ihr einst gewohnt und ihren Abdruck hinterlassen hat. Er konnte aber keinerlei Schlüsse ziehen. Die Zimmer waren einfach, sogar leer: es gab weder Fresken, noch Bilder, noch Bronzen, noch Blumen, noch Etageren mit Porzellan, nicht einmal Bücher. Mit einem Worte, alles wies darauf hin, daß das Leben des Wesens, das hier wohnte, sich gar nicht in den vier Wänden des Zimmers, sondern im Felde abwickelte; und daß es selbst seine Pläne nicht vorher, sybaritisch in einem bequemen Sessel vor dem Kaminfeuer sitzend, erwog, sondern daß sie ihm an Ort und Stelle in den Sinn kamen und sofort ins Werk umgesetzt wurden. In den Zimmern konnte Tschitschikow nur die Spuren der Tätigkeit einer Hausfrau erblicken: auf den Tischen und Stühlen lagen saubere Lindenbretter, und auf diesen waren irgendwelche Blumenblätter zum Trocknen ausgebreitet ...