Выбрать главу

Tschitschikow interessierte sich aber nicht für Volksaufklärung; er wollte von Kostanschoglo ausführlich erfahren, wie man aus jedem Dreck einen Nutzen ziehen kann; Kostanschoglo ließ ihn aber gar nicht zu Worte kommen: immer neue gallige Worte kamen von seinen Lippen, und er konnte sie nicht mehr aufhalten. »Die Leute zerbrechen sich den Kopf, wie man den Bauer aufklären soll ... mach ihn erst zu einem reichen, tüchtigen Landwirt, dann wird er schon selbst etwas lernen. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie dumm heute die ganze Welt geworden ist! Was diese Federfuchser nicht alles schreiben! Wenn so einer ein Buch erscheinen läßt, stürzen sich gleich alle darauf. Jetzt sagen sie: ›Der Bauer führt ein viel zu einfaches Leben; man muß ihn mit dem Luxus bekannt machen und ihm Bedürfnisse einflößen, die sein Vermögen übersteigen ...‹ Da sie selbst dank diesem Luxus Waschlappen und keine Menschen sind, da sie sich weiß der Teufel was für Krankheiten zugelegt haben, und weil es keinen achtzehnjährigen Jungen mehr gibt, der nicht alles durchgekostet hätte, so daß er keine Zähne mehr hat und kahl ist wie eine Schweinsblase – so wollen sie auch die anderen anstecken. Gott sei Dank, daß wir noch einen gesunden Stand haben, der alle diese Errungenschaften nicht kennt! Dafür müssen wir wirklich Gott danken. Der Ackerbauer ist unser ehrbarster Stand; was rührt man ihn an? Gott gebe, daß alle Leute so wären wie der Ackerbauer!«

»Sie glauben also, daß der Ackerbau das lohnendste Unternehmen ist?« fragte Tschitschikow.

»Nicht das lohnendste, aber das rechtschaffenste. Es steht auch geschrieben: ›Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.‹ Da gibt es nichts zu klügeln. Es ist durch die Erfahrung der Jahrhunderte nachgewiesen, daß der Ackerbauer moralischer, edler und reiner ist und höher steht als jeder andere Mensch. Ich sage ja nicht, daß man nichts anderes anfangen soll; der Ackerbau soll aber allem andern zugrunde liegen, das ist es! Fabriken werden ganz von selbst entstehen, auf einer natürlichen Grundlage, um Dinge zu liefern, die der Mensch an Ort und Stelle braucht, und nicht zur Befriedigung von Bedürfnissen, die den Menschen heute so geschwächt haben. Es sind nicht die Fabriken, die zur Sicherung ihres Absatzes auf die gemeinste Weise vorgehen und das unglückliche Volk verderben und demoralisieren. Was mich betrifft, so werde ich nie so eine Fabrik gründen, die höhere Bedürfnisse weckt – und wenn man mir noch soviel von ihrem Nutzen erzählt –, also keinen Tabak und keinen Zucker erzeugen, und wenn ich auch eine Million verlieren müßte. Wenn schon die Demoralisation in die Welt kommen soll, dann nicht durch meine Hände! Ich will vor Gott gerecht dastehen ... Ich lebe schon seit zwanzig Jahren mit dem Volke; ich weiß, wozu das führt.«

»Mir erscheint es am erstaunlichsten, daß man bei einer vernünftigen Wirtschaftsführung aus jedem Dreck, aus allen Abfällen Nutzen ziehen kann.«

»Ja, und die Volkswirtschaftler!« fuhr Kostanschoglo mit einem gallig-sarkastischen Gesichtsausdruck fort, ohne auf ihn zu hören. »Das sind mir gute Volkswirtschaftler! Durch die Bank Dummköpfe, und keiner sieht weiter, als seine dumme Nase reicht. So ein Esel steigt aber aufs Katheder, setzt sich die Brille auf ... Idioten!« Und er spuckte ärgerlich aus.

»Das stimmt alles, aber rege dich bitte nicht so auf«, sagte seine Frau. »Als könnte man nicht über diese Dinge reden, ohne außer sich zu geraten.«

»Wenn man Ihnen zuhört, verehrtester Konstantin Fjodorowitsch, so dringt man sozusagen in den Sinn des Lebens ein, betastet gleichsam den Kern der Sache. Gestatten Sie mir aber, das Allgemein-Menschliche beiseite zu lassen und Ihre Aufmerksamkeit für eine Privatangelegenheit in Anspruch zu nehmen. Wenn ich, sagen wir, Gutsbesitzer geworden bin und die Absicht habe, in kurzer Zeit reich zu werden, um auf diese Weise sozusagen die wichtigste Bürgerpflicht zu erfüllen – was soll ich da anfangen?«

»Was man anfangen soll, um reich zu werden?« fiel ihm Kostanschoglo ins Wort. »Das will ich Ihnen gleich sagen ...«

»Wir wollen zu Abend essen«, sagte die Hausfrau, vom Sofa aufstehend; sie trat in die Mitte des Zimmers und hüllte ihre jungen, durchfrorenen Glieder in ein Tuch.

Tschitschikow sprang mit einer beinahe militärischen Gewandtheit vom Stuhle auf, bot ihr seinen Arm und führte sie feierlich durch zwei Zimmer ins Eßzimmer, wo schon die Terrine ohne Deckel auf dem Tisch stand, einen angenehmen Duft der Suppe aus frischem Grünzeug und den ersten Kräutern des Frühjahrs verbreitend. Alle nahmen Platz. Die Diener stellten flink sämtliche Gerichte zugleich nebst allem Zubehör in zugedeckten Schüsseln auf den Tisch und entfernten sich. Kostanschoglo liebte es nicht, daß die Lakaien den Gesprächen der Herrschaften zuhörten, und noch viel weniger, daß sie ihm in den Mund sahen, wenn er aß.

Nachdem Tschitschikow die Suppe ausgelöffelt und ein Glas von einem wunderbaren Getränk getrunken hatte, das an Ungarwein erinnerte, wandte er sich an den Hausherrn mit folgenden Worten: »Gestatten Sie mir, Verehrtester, zum Gegenstand unseres unterbrochenen Gesprächs zurückzukehren. Ich fragte Sie, was man anstellen muß, wie man es anfangen soll...« . . .

»Ein Gut, für das ich auch vierzigtausend Rubel bezahlen würde, wenn er soviel verlangte.«

»Hm!« Tschitschikow wurde nachdenklich. »Warum kaufen Sie es dann nicht selbst?« fragte er etwas schüchtern.

»Alles hat schließlich seine Grenzen. Ich habe mit meinen Gütern auch ohnehin genug zu tun. Außerdem schreien unsere Edelleute, daß ich ihre verzweifelte Lage und ihren Ruin ausnütze und ihre Güter für ein Spottgeld aufkaufe. Das habe ich endlich satt.«

»Was doch alle Menschen für eine Neigung haben, einander zu verleumden!« sagte Tschitschikow.

»Und erst in unserem Gouvernement, das können Sie sich gar nicht vorstellen! Sie nennen mich auch nicht anders als einen Filz und einen Geizhals. Sich selbst rechtfertigen sie natürlich in allen Dingen. ›Ich bin wohl an den Bettelstab gekommen,‹ sagt so einer, ›aber nur, weil ich mit höheren Bedürfnissen lebte, weil ich die Industriellen (d. h. die Gauner, welche . . . unterstützte; man kann ja auch wie ein Schwein leben, wie dieser Kostanschoglo.‹«

»Ich möchte gern selbst solch ein Schwein sein!« sagte Tschitschikow.

»Lauter Unsinn! Was sind das für höhere Bedürfnisse? Wen glauben sie zu betrügen? So einer schafft sich zwar Bücher an, liest sie aber nie. Die Sache endet mit Kartenspiel und . . . Und alles kommt daher, weil ich ihnen keine Diners gebe und kein Geld pumpe. Diners gebe ich nicht, weil dies mir lästig wäre: ich bin es nicht gewohnt. Wenn du aber zu mir kommst, um das zu essen, was ich selbst esse, so bist du mir willkommen. Daß ich kein Geld herleihe, ist Unsinn. Wenn du zu mir wirklich in Notlage kommst und mir ausführlich erzählst, was du mit dem von mir hergeliehenen Geld anfangen willst; wenn ich aus deinen Worten ersehe, daß du es vernünftig verwenden willst und daß mein Geld dir wirklich einen Nutzen abwirft, so schlage ich es dir nicht ab und verzichte sogar auf die Zinsen.«

– Das muß man sich merken! – dachte sich Tschitschikow.

»Niemals würde ich es in einem solchen Falle abschlagen«, fuhr Kostanschoglo fort. »Aber das Geld zum Fenster hinauswerfen – das tue ich nicht. Da muß man mich schon entschuldigen! Hol’s der Teufel! Er veranstaltet irgendein Diner für seine Geliebte, oder stattet sein Haus mit wahnsinnig teuren Möbeln aus, oder will mit einer Dirne einen Maskenball besuchen, oder feiert ein Jubiläum zum Andenken daran, daß er solange unnütz auf der Welt gelebt hat, und ich soll ihm das Geld dazu leihen! ...«