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»Wer mag das wohl sein?« fragte Tschitschikow erstaunt.

»Es ist unser Branntweinpächter Murasow.«

»Diesen Namen höre ich schon zum zweitenmal!« rief Tschitschikow aus.

«Das ist ein Mann, der nicht bloß ein Gut, sondern auch einen ganzen Staat verwalten könnte. Hätte ich ein Kaiserreich, ich würde ihn sofort zu meinem Finanzminister machen.«

»Man sagt, es sei ein Mann, der jedes Maß der Wahrscheinlichkeit übersteigt: es heißt, er hätte sich zehn Millionen erworben.«

»Ach was, zehn! Mehr als vierzig! Bald wird ihm halb Rußland gehören.«

»Was Sie nicht sagen!« rief Tschitschikow aus, die Augen und den Mund aufreißend.

»Ganz bestimmt. Das ist ja klar. Langsam reich wird nur der, der Hunderttausende besitzt; aber einer, der Millionen hat, hat auch einen großen Wirkungsradius; was er auch errafft, so ist es gleich zwei- und dreimal soviel, als was er schon hat: der Wirkungsbereich ist allzu groß. Er hat auch keine Konkurrenten. Niemand kann mit ihm streiten. Was für einen Preis er auch nennt, bei dem bleibt es: es ist niemand da, der ihn überbieten könnte.«

»Du lieber Gott!« sagte Tschitschikow und bekreuzigte sich. Tschitschikow blickte Kostanschoglo in die Augen, und ihm stockte der Atem. »Es ist ja einfach unfaßbar! Das Denken steht vor Entsetzen still! Man bewundert die Weisheit der göttlichen Vorsehung, die sich im kleinsten Insekt kundgibt; mir aber erscheint es weit erstaunlicher, daß so große Summen durch die Hände eines Sterblichen gehen können. Gestatten Sie eine Frage: sagen Sie, sein Grundkapital hat er wohl auf eine nicht ganz einwandfreie Weise erworben?«

»Auf dem rechtmäßigsten Wege und mit den ehrlichsten Mitteln.«

»Das kann ich nicht glauben! Es ist ganz unwahrscheinlich! Wenn es noch Tausende wären, aber Millionen ...«

»Im Gegenteil, Tausende kann man nicht so leicht auf einwandfreie Weise verdienen wie Millionen. Ein Millionär braucht keine krummen Wege zu gehen: er geht den geraden Weg und nimmt alles, was vor ihm liegt. Ein anderer kann es gar nicht haben, es geht über seine Kraft; er aber hat keine Konkurrenten. Sein Wirkungsradius ist eben groß; ich sage ja: was er auch errafft, so ist es gleich zwei- und dreimal soviel als ... Was hat man aber von einem Tausend? – Zehn bis zwanzig Prozent.«

»Das Unfaßbarste ist, daß das Ganze mit einer Kopeke angefangen hat!«

»Anders kann es ja auch gar nicht sein. Das ist der natürlichste Lauf der Dinge,« sagte Kostanschoglo. »Wer mit Tausenden zur Welt gekommen ist, mit Tausenden aufgewachsen ist, der kann nichts mehr erwerben: der hat schon seine Bedürfnisse und weiß Gott was noch alles! Man muß vom Anfang und nicht von der Mitte beginnen – mit der Kopeke und nicht mit dem Rubel, von unten und nicht von oben: nur dann lernt man die Menschen und die Verhältnisse kennen, unter denen man sich später abplagen muß. Wenn man so manches an der eigenen Haut gespürt, wenn man erfahren hat, daß jede Kopeke, wie es im Sprichwort heißt, mit einem Dreikopekennagel befestigt ist, und wenn man alle Prüfungen durchgemacht hat – so ist man so klug und gewitzigt, daß man sich bei keinem Unternehmen verrechnet und niemals abstürzt. Glauben Sie mir, es ist so. Man muß vom Anfang beginnen und nicht von der Mitte. Wenn mir einer sagt: ›Geben Sie mir hunderttausend Rubel, ich werde gleich reich werden,‹ so traue ich ihm nicht: er spekuliert aufs Geratewohl und geht nicht sicher. Man muß mit der Kopeke anfangen.«

»In diesem Falle werde ich reich werden,« sagte Tschitschikow, dem unwillkürlich die toten Seelen in den Sinn kamen, »denn ich fange tatsächlich mit nichts an.«

»Konstantin, es ist für Pawel Iwanowitsch Zeit, zur Ruhe zu gehen,« sagte die Hausfrau, »du redest aber immer weiter.«

»Sie werden ganz bestimmt reich werden«, sagte Kostanschoglo, ohne auf die Hausfrau zu hören. »Ihnen wird das Gold in Strömen zufließen, in Strömen! Sie werden gar nicht wissen, was mit Ihren Einkünften anzufangen.«

Pawel Iwanowitsch saß wie verzaubert im goldenen Reiche der immer üppiger wuchernden Träume und Phantasien. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Seine Einbildungskraft kam in Schwung und stickte auf dem goldenen Teppich der künftigen Gewinne goldene Blumen, und in seinen Ohren klangen die Worte wider: »Ihnen wird das Gold in Strömen zufließen ...«

»Wirklich, Konstantin, für Pawel Iwanowitsch ist es Zeit, schlafen zu gehen ...«

»Was geht’s dich an? Geh selbst, wenn du schlafen willst«, sagte der Hausherr; da hielt er aber inne, weil durchs ganze Zimmer das Schnarchen Platonows tönte; gleich darauf hörte man auch Jarb noch lauter schnarchen. Der Hausherr sah ein, daß es wirklich Schlafenszeit war; er rüttelte Platonow auf, sagte ihm: »Laß das Schnarchen!« und wünschte Tschitschikow eine gute Nacht. Alle zogen sich in ihre Zimmer zurück und schliefen bald ein.

Tschitschikow allein fand keinen Schlaf. Seine Gedanken waren wach. Er überlegte sich, wie er der Besitzer eines wirklichen und keines phantastischen Gutes werden könnte. Nach dem Gespräch mit dem Hausherrn war ihm alles klar! Die Möglichkeit, reich zu werden, schien ihm so offensichtlich! Das schwierige Unternehmen der Landwirtschaft kam ihm jetzt so leicht und so verständlich vor, und obendrein wie geschaffen für seine Natur! Es gilt nur, alle die Toten zu verpfänden, um sich ein wirkliches Gut anzuschaffen! Er sah sich schon so handeln und wirtschaften, wie Kostanschoglo gelehrt hatte: umsichtig, gewandt, ohne Neues einzuführen, ehe er das Alte durch und durch erfaßt hätte, ehe er alles mit eigenen Augen gesehen, alle Bauern kennengelernt, auf jeden Luxus verzichtet und sich ausschließlich der Arbeit und der Landwirtschaft gewidmet haben würde. Schon im voraus durchkostete er das Vergnügen, das er empfinden würde, wenn in allen Dingen eine planmäßige Ordnung herrschen und alle Räder der Wirtschaftsmaschine in Bewegung kommen und ineinandergreifen würden. Die Arbeit wird munter vorwärtsgehen, und ebenso wie in einer Mühle das Korn zu Mehl zermahlen wird, so wird bei ihm auch aus jedem Abfall und Dreck Bargeld entstehen. Der wunderbare Landwirt stand unablässig vor seinen Augen. Er war der erste Mann in Rußland, für den er eine persönliche Hochachtung empfand. Bisher hatte er die Menschen nur wegen ihrer hohen Titel oder großen Vermögen geschätzt; des Verstandes wegen hatte er aber eigentlich noch keinen Menschen geachtet. Kostanschoglo war der erste. Er fühlte, daß er sich mit ihm auf keinerlei Kunststücke einlassen dürfte. Ihn beschäftigte ein anderes Projekt: das Gut Chlobujews zu kaufen. Zehntausend Rubel besaß er; fünfzehntausend wollte er sich von Kostanschoglo zu borgen versuchen, da ihm dieser doch selbst erklärt hatte, daß er bereit sei, einem jeden zu helfen, der die Absicht habe, reich zu werden; den Rest würde er von der Leihkasse für die toten Seelen bekommen; schließlich konnte er ihn auch schuldig bleiben. Das wäre ja auch ein Ausweg: soll jener nur prozessieren, wenn er Lust hat! Lange noch dachte er darüber nach. Endlich nahm der Schlaf, der das ganze Haus schon seit vier Stunden, wie man zu sagen pflegt, umfangen hielt, auch Tschitschikow in seine Arme auf. Er schlief fest ein.

Viertes Kapitel

Am folgenden Tage erledigte sich alles so, wie man es sich gar nicht besser wünschen konnte. Kostanschoglo gab ihm mit Freuden die zehntausend Rubel, ohne Zinsen und ohne Bürgschaft – gegen eine gewöhnliche Empfangsbestätigung: so gern half er jedem auf dem Wege zum Wohlstand. Und noch mehr als das: er erklärte sich bereit, Tschitschikow zu Chlobujew zu begleiten, um sich mit ihm zusammen das Gut anzusehen. Tschitschikow war in bester Laune. Nach einem ordentlichen Frühstück machten sie sich auf den Weg und nahmen alle drei in Pawel Iwanowitschs Wagen Platz; die Droschke des Hausherrn folgte leer hinten nach. Jarb lief voraus und scheuchte am Straßenrande die Vögel auf. Ganze fünfzehn Werst weit zogen sich zu beiden Seiten der Straße die Wälder und Äcker Kostanschoglos hin. Als sein Besitz aufhörte, wurde alles gleich anders: das Getreide wuchs spärlich, und statt Wälder gab es nur Baumstrünke. Das kleine Gut schien trotz seiner schönen Lage, auch aus der Ferne gesehen, arg vernachlässigt. Zuerst zeigte sich das noch unbewohnte neue, erst im Rohbau fertige steinerne Haus; dann erst erblickte man das andere bewohnte Haus. Den Hausherrn fanden sie zerzaust und verschlafen vor: er war erst eben aufgestanden. Er schien etwa vierzigjährig; seine Halsbinde war schief gebunden; der Rock hatte einen Flicken, der Stiefel – ein Loch.