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Über die Ankunft der Gäste war er so erfreut wie über Gott weiß was: als hätte er nach langer Trennung seine Brüder wiedergesehen.

»Konstantin Fjodorowitsch! Platon Michailowitsch! Was für eine Freude haben Sie mir mit Ihrem Besuch bereitet! Erlauben Sie mir, daß ich mir erst die Augen reibe! Ich glaubte schon, daß mich niemand mehr besuchen will. Alle fliehen mich wie die Pest: ein jeder fürchtet, ich würde ihn anpumpen. Ach, es ist so schwer, Konstantin Fjodorowitsch! Ich sehe ja, daß ich selbst an allem schuld bin. Was soll ich machen? Ich bin mal so ein Schwein und lebe wie ein Schwein. Entschuldigen Sie, meine Herren, daß ich Sie in diesem Aufzuge empfange: die Stiefel sind, wie Sie sehen, durchlöchert. Womit darf ich Sie bewirten?«

»Bitte, ohne Umstände. Wir kommen in Geschäften. Ich bringe Ihnen einen Käufer – Pawel Iwanowitsch Tschitschikow,« sagte Kostanschoglo.

»Es freut mich herzlich, Sie kennenzulernen. Lassen Sie mich Ihre Hand drücken.«

Tschitschikow reichte ihm beide Hände.

»Wie gerne würde ich Ihnen, verehrtester Pawel Iwanowitsch, ein Gut zeigen, das wirklich Beachtung verdiente ... Übrigens, meine Herren, darf ich fragen, haben Sie schon Mittag gegessen?«

»Wir haben schon gegessen,« sagte Kostanschoglo, um diese Frage möglichst schnell zu erledigen. »Wir wollen keine Zeit verlieren und gleich mit der Besichtigung anfangen.«

»In diesem Falle wollen wir gehen.« Chlobujew nahm seine Mütze in die Hand. »Sie sollen meine Unordnung und Liederlichkeit sehen.«

Die Gäste setzten ihre Mützen auf und gingen alle die Dorfstraße entlang.

Von beiden Seiten starrten blinde Hütten mit kleinen Fenstern, die mit Fußlappen zugestopft waren.

»Sie sollen meine Unordnung und Liederlichkeit sehen,« sagte Chlobujew wieder. «Sie haben natürlich gut getan, daß Sie schon gegessen haben. Glauben Sie mir, Konstantin Fjodorowitsch, ich habe kein Krümchen im Hause, so weit ist es mit mir gekommen!«

Er seufzte auf, und da er wohl wußte, daß er von Konstantin Fjodorowitsch wenig Teilnahme zu erwarten hatte, nahm er Platonow unter den Arm und ging mit ihm voraus, dessen Hand kräftig an sein Herz drückend. Kostanschoglo und Tschitschikow folgten ihnen Arm in Arm in einiger Entfernung.

»Es ist schwer, Platon Michailowitsch, so furchtbar schwer!« sagte Chlobujew zu Platonow. »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie schwer es ist! Kein Geld, kein Getreide, keine Stiefel – das sind für mich lauter unbekannte Fremdworte. Ich würde mir daraus gar nichts machen, wenn ich jung und alleinstehend wäre. Wenn man aber von diesem Ungemach im Alter betroffen wird und dazu eine Frau und fünf Kinder hat, so muß man traurig werden ...«

»Nun, und wenn Sie das Gut verkaufen – wird das Ihnen helfen?« fragte Platonow.

»Ach was, helfen!« sagte Chlobujew mit einer hoffnungslosen Handbewegung. »Alles werden die Gläubiger kriegen, und mir selbst bleiben keine tausend Rubel.«

»Was werden Sie dann anfangen?«

»Das weiß Gott allein.«

»Warum unternehmen Sie nichts, um aus dieser Klemme zu kommen?«

»Was soll ich bloß unternehmen?«

»Nun, nehmen Sie doch irgendeine Stellung.«

»Ich stehe doch nur im Range eines Gouvernementssekretärs. Was für eine Stellung kann man mir bieten? Doch nur eine ganz untergeordnete. Kann ich denn ein Gehalt von fünfhundert Rubel im Jahre annehmen? Ich habe ja eine Frau und fünf Kinder.«

»Werden Sie doch Gutsverwalter.«

»Wer wird mir sein Gut anvertrauen? Ich habe ja das meinige heruntergebracht.«

»Nun, wenn einem der Hungertod droht, so muß er doch was unternehmen. Ich will meinen Bruder fragen, ob er Ihnen nicht eine Stellung in der Stadt vermitteln kann.«

»Nein, Platon Michailowitsch«, sagte Chlobujew seufzend und ihm fest die Hand drückend. »Ich tauge jetzt zu nichts mehr: ich bin vorzeitig alt geworden, von alten Sünden habe ich Kreuzschmerzen und Rheumatismus in der Schulter. Wie kann ich daran auch nur denken! Was soll ich den Staat schädigen? Es gibt jetzt auch ohne mich genug Leute, die nur der Einkünfte wegen dienen. Gott behüte, daß meines Gehalts wegen den armen Ständen neue Steuern auferlegt werden!«

– Das sind die Früchte der liederlichen Lebensweise! – dachte sich Platonow. – Das ist noch schlimmer als mein ewiger Schlaf. –

Während sie miteinander so sprachen, regte sich Kostanschoglo, der mit Tschitschikow hinter ihnen herging, furchtbar auf.

»Schauen Sie nur,« sagte Kostanschoglo, mit dem Finger zeigend, »in welches Elend er die Bauern gestürzt hat! Keiner von ihnen hat einen Wagen oder ein Pferd. Wenn es mal eine Seuche gibt, so soll man doch an sein eigenes Hab und Gut nicht denken: da muß man alles verkaufen und den Bauern mit Vieh versehen, damit er auch nicht einen Tag der Arbeitstiere entbehrt. Jetzt kann man das auch in vielen Jahren nicht wieder gutmachen. Der Bauer ist inzwischen ein Faulenzer, Bummler und Säufer geworden. Wenn man ihn auch nur ein Jahr ohne Arbeit sitzenläßt, so hat man ihn für alle Ewigkeit demoralisiert: dann ist er schon gewöhnt, seine Lumpen zu tragen und sich arbeitslos herumzutreiben ... Und wie gut das Land dabei ist! Schauen Sie sich nur das Land an!« sagte er, auf die Wiesen zeigend, die gleich nach den Bauernhäusern kamen. »Alles ist Überschwemmungsgebiet! Ich würde da Flachs bauen und fünftausend Rubel am Flachs allein verdienen; würde Rüben bauen und an den Rüben viertausend verdienen. Aber schauen Sie nur her: dieser Roggen da am Abhang ist aus zufällig verschütteten Körnern gewachsen. Er hat ja gar keinen Roggen gesät, das weiß ich. Und hier diese Schluchten ... hier würde ich solche Wälder anpflanzen, daß keine Krähe die Baumwipfel erreichen könnte. Und einen so unschätzbaren Boden läßt er brachliegen! Wenn du schon keinen Pflug hast, um den Boden zu pflügen, so nimm doch einen Spaten und baue Gemüse an – dann holst du es am Gemüse nach. Nimm selbst den Spaten in die Hand, zwinge deine Frau, die Kinder, das Hausgesinde dazu; stirb ... bei der Arbeit! Dann stirbst du wenigstens bei der Erfüllung deiner Pflicht und nicht, weil du dich zu Mittag wie ein Schwein vollgefressen hast!« Kostanschoglo spuckte nach diesen Worten aus, und sein Gesicht wurde wieder von einem galligen Ausdruck umdüstert.

Als sie näher heran kamen und am Rande des mit Beifuß bewachsenen Abhanges standen; als in der Ferne eine glänzende Windung des Flusses und ein dunkler Bergvorsprung auftauchten und etwas näher ein Teil des im Gehölz versteckten Hauses des Generals Betrischtschew sichtbar wurde, hinter diesem aber ein kraus mit Wald bewachsener, in den bläulichen Dunst der Entfernung gehüllter Hügel, an dem Tschitschikow erriet, daß es wohl Tjentjetnikows Besitz sei – sagte er: »Wenn man hier Wälder anpflanzen wollte, so würde die Landschaft an Schönheit . . .

»Sie sind wohl ein Liebhaber schöner Aussichten!« sagte Kostanschoglo, ihn plötzlich streng anblickend. »Passen Sie auf, wenn Sie den schönen Aussichten nachjagen, so bleiben Sie ohne Brot und ohne Aussichten. Schauen Sie auf den Nutzen und nicht auf die Schönheit. Die Schönheit wird von selbst kommen. Das können Sie auch an den Städten sehen: am schönsten sind solche Städte, die von selbst entstanden sind, wo jeder nach seinen Bedürfnissen und nach seinem Geschmack gebaut hat; solche Städte aber, die man nach der Schnur errichtet hat, sind nur Kasernen ... Lassen Sie die Schönheit beiseite! Achten Sie nur auf das Nützliche ...«

»Es ist nur schade, daß man solange warten muß: man möchte gern alles so sehen, wie man es haben will ...«