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Tschitschikow versuchte natürlich zu handeln.

»Erlauben Sie doch, wie können Sie fünfunddreißigtausend verlangen? Für so etwas fünfunddreißigtausend Rubel! Ich biete Ihnen fünfundzwanzig.«

Platonow mußte sich genieren. »Kaufen Sie es doch, Pawel Iwanowitsch«, sagte er. »Für das Gut kann man immer noch diesen Preis bezahlen. Wenn Sie die fünfunddreißigtausend nicht geben wollen, so werde ich es gemeinsam mit meinem Bruder kaufen.«

»Sehr schön, einverstanden«, sagte Tschitschikow erschrocken. »Sehr schön, doch unter der Bedingung, daß ich die Hälfte des Kaufpreises erst nach einem Jahre erlege.«

»Nein, Pawel Iwanowitsch! Das geht wirklich nicht. Die Hälfte zahlen Sie mir gleich und den Rest nach . . . Den gleichen Betrag könnte ich ja auch von der Leihkasse bekommen: wenn ich nur so viel hätte, um . . .«

»Ja, wie soll ich das nur machen?« sagte Tschitschikow. »Ich habe im ganzen nur zehntausend Rubel.« Es war eine Lüge: er hatte mit dem Geld, das ihm Kostanschoglo geliehen, zwanzigtausend: er konnte es aber nicht übers Herz bringen, eine solche Summe auf einmal zu bezahlen.

»Nein, ich bitte Sie, Pawel Iwanowitsch! Ich sage Ihnen ja, daß ich fünfzehntausend jetzt gleich brauche.«

»Ich will Ihnen fünftausend Rubel leihen«, fiel ihm Platonow ins Wort.

»Das wäre auch die einzige Möglichkeit!« sagte Tschitschikow und dachte sich dabei: – Das kommt doch sehr gelegen, daß er das Geld leihen will! – Man brachte aus dem Wagen die Schatulle, und Tschitschikow holte aus ihr die zehntausend Rubel für Chlobujew heraus. Den Rest von fünftausend Rubel versprach er ihm morgen zu bringen; d. h. er versprach es nur, hatte aber die Absicht, nur dreitausend zu bringen, den Rest aber später, nach zwei oder drei Tagen; wenn möglich, wollte er die Zahlung noch länger hinausschieben. Pawel Iwanowitsch gab so ungern Geld aus der Hand! Und selbst wenn er sich um eine Bezahlung unmöglich drücken konnte, so schien es ihm immer noch besser, das Geld morgen und nicht heute zu erlegen. Mit anderen Worten, er machte es genau so wie wir alle. Wir lassen doch so gern einen Bittsteller warten: soll er sich nur seinen Rücken an der Wand im Vorzimmer abreiben! Als ob er nicht etwas warten könnte! Was kümmert es uns, daß ihm vielleicht jede Stunde teuer ist und daß seine Geschäfte deswegen leiden! Komm morgen, mein Lieber, heute habe ich keine Zeit.

»Und wo gedenken Sie nach dem Verkauf zu wohnen?« fragte Platonow Chlobujew. »Haben Sie noch ein anderes Gut?«

»Ich muß eben in die Stadt ziehen, dort habe ich ein Häuschen. Das müßte ich auch ohnehin tun, nicht für mich, sondern für meine Kinder: sie brauchen Lehrer für Religion, Musik und Tanzen. Das kann man sich auf dem Lande für kein Geld leisten.«

– Er hat kein Stück Brot und will seinen Kindern Tanzunterricht geben! – dachte sich Tschitschikow.

– Seltsam! – dachte sich Platonow.

»Man muß das Geschäft doch begießen«, sagte Chlobujew. »He, Kirjuschka! Bring mal eine Flasche Champagner her, mein Bester!«

– Er hat kein Stück Brot, hat aber Champagner, – dachte sich Tschitschikow.

Platonow wußte aber gar nicht, was er sich denken sollte.

Den Champagner hatte Chlobujew nur aus Not angeschafft. Er hatte in die Stadt geschickt: was ist zu machen? der Krämer will keinen Kwas auf Pump geben. Aber der französische Weinhändler, der vor kurzem aus Petersburg gekommen war, gab allen auf Pump. Es war nichts zu machen, er mußte eine Flasche Champagner nehmen.

Der Champagner wurde aufgetragen. Sie tranken je drei Glas und gerieten in eine lustige Stimmung. Chlobujew taute auf: er wurde plötzlich so nett und geistreich und schüttete Witze und Anekdoten nur so aus dem Ärmel. Seine Reden zeugten von einer großen Welt- und Menschenkenntnis! So gut und richtig beurteilte er viele Dinge, so treffend und geschickt zeichnete er mit wenigen Worten die Gutsbesitzer in der Nachbarschaft, so klar sah er alle ihre Mängel und Fehler, so genau kannte er die Geschichte aller heruntergekommenen Gutsbesitzer und wußte, warum und auf welche Weise ein jeder von ihnen sich ruiniert hatte; so originell und komisch wußte er von ihren kleinen Gewohnheiten zu erzählen, daß beide Gäste von seinen Worten ganz bezaubert waren; sie wären sogar bereit, ihn für den klügsten Menschen zu erklären.

»Ich muß mich nur wundern,« sagte Tschitschikow, »wie Sie bei Ihrer Klugheit keine Mittel finden, um aus der Klemme zu kommen.«

»Mittel habe ich wohl,« sagte Chlobujew und kramte vor ihnen sofort einen ganzen Haufen von Projekten aus. Alle waren aber dermaßen unsinnig und seltsam und verrieten so wenig Welt- und Menschenkenntnis, daß man nur die Achseln zucken und sagen konnte: »Gott! Wie wenig hat doch die Weltkenntnis mit der Kunst, sie auszunutzen, zu tun!« Alle seine Projekte beruhten auf der Notwendigkeit, sofort irgendwo hundert- oder zweihunderttausend Rubel zu beschaffen. Dann, glaubte er, würde sich alles ordnen, die Wirtschaft würde in Gang kommen, alle Löcher würden verstopft werden, die Einkünfte sich vervierfachen, und er würde alle seine Schulden bezahlen können. Er schloß seine Rede mit folgenden Worten: »Was soll ich aber machen? Ich finde doch nie den Wohltäter, der sich entschließen würde, mir zweihundert- oder wenigstens hunderttausend Rubel zu leihen. Gott will es wohl nicht haben.«

– Ja, natürlich! – dachte sich Tschitschikow, – einem solchen Dummkopf soll Gott zweihunderttausend Rubel zuschicken! –

»Ich habe allerdings eine Tante mit drei Millionen,« sagte Chlobujew, »eine fromme Alte: sie gibt viel für Kirchen und Klöster; wenn es aber gilt, einem zu helfen, so ist ihr schwer beizukommen. Es ist ein Tantchen aus der guten alten Zeit, es lohnt sich schon, sie anzusehen. Sie hat allein an die vierhundert Kanarienvögel, dazu Möpse, Gesellschafterinnen und Dienstboten, wie man sie heute nicht mehr findet. Der jüngste ihrer Diener ist an die sechzig Jahre alt, sie ruft ihn aber nicht anders als: ›He, Bursche!‹ Wenn ein Gast sich nicht so benimmt, wie es ihr paßt, so läßt sie beim Mittagessen die Schüssel an ihm vorbeitragen, und die Diener tun das auch. Ja, so ist sie!«

Platonow lächelte.

»Und wie ist ihr Familiennamen und wo wohnt sie?« fragte Tschitschikow.

»Sie wohnt in unserer Stadt und heißt Alexandra Iwanowna Chanassarowa.«

»Warum wenden Sie sich nicht an sie?« fragte Platonow teilnehmend. »Mir scheint, wenn sie sich in die Lage Ihrer Familie versetzte, könnte sie es Ihnen nicht abschlagen.«

»O nein, das kann sie! Tantchen hat eine kräftige Natur. Sie ist eine steinharte Alte, Platon Michailowitsch! Außerdem sind auch ohne mich genug Liebhaber da, die sie umschmeicheln. Da ist sogar einer, der Gouverneur werden wilclass="underline" auch der gibt sich für ihren Verwandten aus ... Tu mir den Gefallen,« wandte er sich plötzlich an Platonow, »in der nächsten Woche gebe ich ein Diner für die Vertreter aller städtischen Stände ...«

Platonow riß die Augen auf. Er wußte noch nicht, daß es in Rußland, in den Städten und Residenzen solche Weisen gibt, deren Leben ein unauflösliches Rätsel ist. So ein Mensch hat sein ganzes Vermögen durchgebracht, steckt tief in Schulden, hat nicht einen Pfennig Einkommen, gibt aber ein Diner: und alle Teilnehmer sagen, daß es sein letztes Diner sei und daß man den Hausherrn schon am nächsten Tag ins Gefängnis abführen werde. Es vergehen aber zehn Jahre, der Weise lebt noch immer in Freiheit, steckt noch tiefer in Schulden, gibt immer wieder ein Diner, und die Teilnehmer sind überzeugt, daß es das letzte sei und daß man den Gastgeber morgen ins Gefängnis abführen werde.

Das Haus Chlobujews in der Stadt stellte eine sehr merkwürdige Erscheinung dar. Heute zelebrierte darin ein Pope im Ornat einen Gottesdienst, und morgen hielten französische Schauspieler eine Probe ab. Manchmal war darin kein Krümchen Brot zu finden, aber am nächsten Tag gab es einen Empfang für alle Schauspieler und Künstler, die aufs gastfreundlichste bewirtet und beschenkt wurden. Es gab auch schwere Zeiten, wo sich ein anderer an seiner Stelle erhängt oder erschossen hätte; ihn rettete aber seine Religiosität, die sich in ihm merkwürdigerweise mit der Liederlichkeit seiner Lebensweise vertrug. In solchen schweren Stunden las er die Lebensgeschichten von Märtyrern und Heiligen, die ihren Geist erzogen, sich über jedes Ungemach zu erheben. Dann wurde seine Seele ganz weich, ihn überkam eine tiefe Rührung, und seine Augen füllten sich mit Tränen. Er betete, und seltsam! – fast immer kam dann eine unerwartete Hilfe: entweder erinnerte sich seiner jemand von seinen alten Freunden und schickte ihm Geld; oder eine zugereiste, fremde Dame, die zufällig seine Geschichte hörte, schickte ihm in einer plötzlichen Regung ihres Herzens ein reiches Geschenk; oder er gewann einen Prozeß, von dem er selbst noch nie etwas gehört hatte. Andächtig erkannte er dann die grenzenlose Barmherzigkeit der Vorsehung, ließ einen Dankgottesdienst abhalten und kehrte zu seinem liederlichen Lebenswandel zurück.