Im Gegensatz dazu hüpften Leof Torfinn und Tod al’Caar, die einzigen anderen Männer von den Zwei Flüssen, trotz der langen Wartezeit beinahe auf den Sätteln auf und ab vor Aufregung. Vielleicht hätte es ihr Vergnügen etwas gedämpft, wenn sie gewusst hätten, dass sie größtenteils deswegen ausgesucht worden waren, weil sie noch mit am besten in die geliehenen Mäntel aus dunkler, fein gewebter grüner Wolle hineinpassten. Leof hielt Perrins Rotes Wolfskopfbanner, Tod den Roten Adler von Manetheren; beide flatterten an Stäben, die etwas länger als die Lanzen waren. Sie hatten sich beinahe darum geprügelt, wer welches tragen durfte. Perrin hoffte, dass sie es getan hatten, weil keiner den Wolfskopf tragen wollte. Leof schaute durchaus glücklich aus. Tod sah ekstatisch aus. Natürlich hatte er nicht die geringste Ahnung, warum Perrin das Ding mitgenommen hatte. Aber bei jedem Handel musste man den anderen Burschen Glauben machen, dass er einen Vorteil errang und etwas bekam, wie Mats Vater oft gesagt hatte. Farben wirbelten in Perrins Kopf, und einen kurzen Augenblick lang glaubte er Mat zu sehen, der mit einer kleinen dunkelhäutigen Frau sprach. Er schüttelte das Bild ab. Hier und jetzt, heute, das war alles, was zählte. Faile war alles, was zählte.
»Sie werden kommen«, fauchte Arganda Aram als Antwort zu, obwohl er durch die drei Stangen seines Helmes blickte, als erwartete er eine Herausforderung.
»Und wenn doch nicht?«, wollte Gallenne wissen. Sein eines Auge blickte genauso wild wie Argandas beide. Sein rot lackierter Harnisch war nicht viel besser als Argandas silberner. So gut wie unmöglich, sie dazu zu überreden, sie in einem matten Farbton zu lackieren. »Was, wenn es eine Falle ist?« Arganda knurrte nur, es klang fast wie das kehlige Knurren eines Wolfes. Der Mann war am Ende seiner Geduld.
Der Wind trug den Geruch von Pferden nur Augenblicke früher heran, bevor Perrins Ohren das erste Trillern der Blaumeisen vernahmen, viel zu weit entfernt, dass es einer der anderen hören konnte. Sie kamen von den Bäumen, die die Wiese flankierten. Zahlenmäßig starke Gruppen von Männern, möglicherweise mit unfreundlichen Absichten, betraten den Wald. Weiteres Trillern ertönte, diesmal näher.
»Sie sind hier«, sagte er, was ihm Blicke von Arganda und Gallenne einbrachte. Er versuchte zu vermeiden, die Schärfe seines Gehörs oder seines Geruchsinns zu enthüllen, aber die beiden waren nahe dran gewesen, sich zu schlagen. Das weitergereichte Trillern kam näher, und jeder konnte es jetzt hören. Die Blicke der beiden Männer wurden seltsam.
»Falls die Möglichkeit einer Falle besteht, darf ich die Erste keinem Risiko aussetzen«, sagte Gallenne, setzte den Helm auf und schnallte ihn fest. Sie alle wussten, was das Signal zu bedeuten hatte.
»Diese Entscheidung treffe ich, Hauptmann«, erwiderte Berelain, bevor Perrin den Mund aufmachen konnte.
»Und Eure Sicherheit ist meine Verantwortung, meine Lady.«
Berelain holte tief Luft, ihre Miene verfinsterte sich, aber Perrin kam ihr zuvor. »Ich habe euch gesagt, wie wir herausbekommen, ob es eine Falle ist oder nicht. Ihr wisst, wie misstrauisch die Seanchaner sind. Vermutlich machen sie sich Sorgen, dass wir sie überfallen.« Gallenne räusperte sich laut. Die Geduld in Berelains Geruch flackerte, dann war sie wieder felsenfest.
»Ihr solltet ihm zuhören, Hauptmann«, sagte sie mit einem an Perrin gerichteten Lächeln. »Er weiß, was er tut.«
Am anderen Ende der Wiese erschien eine Gruppe Reiter und zügelte die Pferde. Tallanvor war leicht auszumachen. In einem dunklen Mantel und auf einem gescheckten Grauen war er der einzige Mann, der keine Rüstung mit kräftigen roten und gelben und blauen Streifen trug. Die einzigen anderen beiden ohne Rüstung waren Frauen, eine in Blau mit Rot auf Röcken und Brust, die andere in Grau. Die Sonne spiegelte sich auf etwas, das die beiden miteinander verband. Aha. Eine Sul’dam und eine Damane. Davon war bei den Verhandlungen, die über Tallanvor erfolgt waren, keine Rede gewesen, aber Perrin hatte damit gerechnet.
»Es ist Zeit«, sagte er und nahm Trabers Zügel in eine Hand. »Bevor sie entscheidet, dass wir nicht kommen.«
Annoura schaffte es, nahe genug heranzukommen, um Berelain eine Hand auf den Arm zu legen, bevor sie ihre Stute forttreiben konnte. »Ihr solltet mich mitkommen lassen, Berelain. Ihr könntet meinen Rat brauchen, stimmt’s? Diese Art von Verhandlung ist meine Spezialität.«
»Ich vermute, dass die Seanchaner mittlerweile das Gesicht einer Aes Sedai erkennen können, glaubt Ihr nicht, Annoura? Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass sie mit Euch verhandeln würden. Außerdem«, fügte Berelain in zuckersüßem Tonfall hinzu, »müsst Ihr hier bleiben, um Meister Grady zu helfen.«
Einen Augenblick lang traten rote Flecken auf den Wangen der Aes Sedai zum Vorschein, und ihr breiter Mund wurde ganz schmal. Die Weisen Frauen waren nötig gewesen, um sie dazu zu bewegen, heute von Grady Befehle entgegenzunehmen; allerdings war Perrin froh, dass er nicht wusste, wie sie das geschafft hatten, und sie hatte seit ihrem Aufbruch im Lager versucht, sich da wieder herauszuwinden.
»Ihr bleibt auch hier«, sagte Perrin, als Aram losreiten wollte. »Ihr seid in letzter Zeit zu hitzköpfig, und ich werde nicht riskieren, dass Ihr dort draußen einen Fehler macht. Ich werde Faile nicht diesem Risiko aussetzen.« Das stimmte. Und er konnte sich die Bemerkung sparen, dass er es nicht riskieren wollte, dass der Mann alles, was dort draußen gesagt wurde, an Masema weitergab. »Habt Ihr verstanden?«
Enttäuschung füllte Arams Geruch, aber er nickte, wenn auch zögernd, und legte die Hände auf den Sattelknauf. Er mochte nahe dran sein, Masema anzubeten, aber er würde eher hundert Mal sein Leben geben, als Failes zu riskieren. Jedenfalls absichtlich. Was er tat, ohne nachzudenken, war eine andere Sache.
Perrin ritt aus den Bäumen heraus, auf der einen Seite flankiert von Arganda und auf der anderen von Berelain und Gallenne. Die Bannerträger folgten dahinter, dann zehn Mayener und zehn Ghealdaner in einer Zweierreihe. Als sie ihre Pferde im Schritttempo vorwärts führten, setzten sich die Seanchaner ebenfalls in einer Reihe in Bewegung. Tallanvor ritt an der Seite der Anführer; einer saß auf einem Rotschimmel, der andere auf einem Braunen. Die Hufe machten auf der dicken Schicht aus totem Gras keine Geräusche. In den Wald war Stille eingekehrt, selbst für Perrins Ohren.
Während die Mayener und Ghealdaner zu einer Reihe ausschwärmten und die meisten der Seanchaner in ihren hell bemalten Rüstungen das Gleiche taten, hielten Perrin und Berelain auf Tallanvor und zwei der gepanzerten Seanchaner zu, von denen der eine drei schmale blaue Federn auf dem lackierten Helm trug, der so sehr an einen Insektenkopf erinnerte, und der andere zwei. Die Sul’dam und ihre Damane kamen auch. Sie trafen sich auf der Mitte der Lichtung, umgeben von Wildblumen und Stille, mit sechs Schritten Abstand zwischen sich.
Als Tallanvor sich zwischen den beiden Gruppen positionierte, nahmen die Seanchaner mit den auf den Handrücken mit Stahl verstärkten Panzerhandschuhen, die wie der Rest ihrer Rüstung gestreift waren, die Helme ab. Der Helm mit den beiden Federn enthüllte einen blonden Mann mit einem halben Dutzend Narben in dem kantigen Gesicht. Er war ein hartgesottener Mann, der seltsamerweise nach Heiterkeit roch, aber es war die andere Person, die Perrin interessierte. Die Reiterin auf dem Braunen, einem ausgebildeten Schlachtross, wenn er je eines gesehen hatte, war groß und breitschultrig für eine Frau, und sie war nicht jung. Die Schläfen ihres kurz geschnittenen, schwarz gelockten Haares waren grau. Mit einer Hautfarbe so schwarz wie guter Mutterboden wies sie nur zwei Narben auf, von denen eine quer über ihre linke Wange führte. Die andere auf der Stirn hatte einen Teil ihrer rechten Augenbraue zerstört. Einige Leute hielten Narben für ein Zeichen von Härte. Perrin war der Meinung, dass weniger Narben bedeuteten, dass man wusste, was man tat. Sie roch nach Selbstvertrauen.