Er hatte noch nicht gefrühstückt, also trat er auf eine alte Frau zu, deren Bauchladen von einem Riemen um ihren Hals gehalten wurde und die »Fleischpasteten, gemacht aus dem besten Rind in ganz Altara« rief. Er nahm sie beim Wort und gab ihr die verlangten Kupfermünzen. Auf keinem der Bauernhöfe in der Nähe von Jurador hatte er Rinder gesehen, nur Schafe und Ziegen, aber es war besser, sich nicht zu genau nach dem Inhalt der Fleischpasteten zu erkundigen, die man auf der Straße kaufte. In keiner Stadt. Vielleicht gab es ja Rinder auf den nahe gelegenen Höfen. Möglich war es. Auf jeden Fall schmeckte die Fleischpastete, und sie war erfreulicherweise sogar noch heiß, und er ging durch die bevölkerten Straßen, jonglierte mit der Pastete und wischte sich das Fett vom Kinn.
Er achtete darauf, mit niemanden in der Menge zusammenzustoßen. Altaraner waren allesamt ein empfindlicher Haufen. In dieser Stadt konnte man den Status einer Person exakt am Ausmaß der Stickereien auf Mantel, Kleid oder Umhang erkennen — lange bevor man nahe genug heran war, um Wolle von Seide unterscheiden zu können. Je mehr, desto höher. Die reicheren Frauen verhüllten die olivefarbenen Gesichter mit durchsichtigen Schleiern, die von verzierten, in die festen Zöpfe gesteckten Kämmen gehalten wurden, aber alle, ob Männer oder Frauen, ob Salzhändler oder Bänderverkäufer, trugen lange Gürtelmesser mit gekrümmter Klinge und tätschelten gelegentlich den Griff, als wären sie auf einen Kampf aus. Mat versuchte immer, einem Kampf aus dem Weg zu gehen, auch wenn ihn sein Glück meistens im Stich ließ, was das anging. Das war wohl das Los von Ta'veren. Die Würfel hatten noch nie einen Kampf angekündigt — Schlachten, ja, aber noch nie einen Straßenkampf-, trotzdem bewegte er sich sehr vorsichtig. Nicht, dass das helfen würde. Wenn die Würfel verstummten, dann verstummten sie, und das war es dann. Aber er sah keinen Grund, Risiken einzugehen. Er hasste es, Risiken einzugehen. Mit Ausnahme beim Glücksspiel natürlich, und das war für ihn nur selten ein Risiko.
Vor einem Laden, in dem die ausgestellten Schwerter und Dolche von einem massigen Burschen mit groben Knöcheln, einer Nase, die mehr als einmal gebrochen worden war, und einem dicken Knüppel neben dem unvermeidlichen Dolch bewacht wurden, entdeckte er ein Fass voller Wanderstäbe und Stöcke. Der Mann verkündete mit rauer Stimme, dass alle ausgestellten Klingen in Andor hergestellt worden waren, aber jeder, der seine Klingen nicht selbst schmiedete, behauptete, sie würden aus Andor oder irgendwo aus den Grenzländern kommen. Manchmal auch aus Tear. Tear stellte guten Stahl her.
Zu Mats Überraschung und Entzücken ragte ein schlanker Stab aus dem Faß. Anscheinend aus schwarzem Eibenholz war er beinahe einen Fuß länger als er. Er zog den Stab heraus und überprüfte die feine, leicht geäderte Maserung. Es handelte sich tatsächlich um schwarzes Ebenholz. Es war die geäderte Maserung, die daraus hergestellten Bogen solche Durchschlagskraft verlieh, beinahe doppelt so viel wie bei anderem Holz. Man konnte sich zwar nie sicher sein, bevor man das überflüssige Holz abschliff, aber der Stab sah perfekt aus. Wie beim Licht hatte schwarzes Ebenholz seinen Weg ins südliche Altara gefunden? Er war sich sicher, dass es nur in den Zwei Flüssen wuchs.
Als die Ladenbesitzerin, eine schlanke Frau, die unter dem Busen hellgefiederte Vögel aufgestickt trug, heraustrat und sofort die Vorzüge ihrer Klingen anpries, sagte er: »Was kostet dieser schwarze Stock, Frau?«
Sie blinzelte, überrascht, dass ein Mann in Seide und Spitze einen Wanderstab haben wollte — sie glaubte doch allen Ernstes, dass das verdammte Ding ein Wanderstab war! —, und nannte einen Preis, den er ohne zu feilschen bezahlte. Das ließ sie erneut blinzeln und die Stirn runzeln, so als hätte sie mehr verlangen sollen. Und er hätte mehr für das Grundmaterial eines Zwei-Flüsse-Bogens bezahlt. Mit auf die Schulter gelegtem Bogenstab ging er weiter, schlang den Rest der Fleischpastete herunter und wischte sich die Hand am Mantel ab. Aber er war genauso wenig für ein Frühstück oder einen Bogenstab gekommen wie zum Spielen. Es waren die Ställe, die ihn interessierten.
Mietställe boten immer ein paar Pferde zum Verkauf an, und wenn der Preis stimmte, verkauften sie für gewöhnlich auch welche, die eigentlich nicht zum Verkauf standen. Zumindest taten sie es, solange die Seanchaner sie sich nicht bereits geschnappt hatten. Glücklicherweise hatte es in Jurador bislang nur flüchtige Begegnungen mit den Seanchanern gegeben. Er wanderte von einem Stall zum nächsten und sah sich Braune und Rotschimmel an, Grauschimmel und Schecken, Falben, Rotfüchse, Rappen, Schimmel und Graue, alles nur Stuten oder Wallache. Ein Hengst kam nicht in Frage. Nicht jedes begutachtete Tier hatte einen schmalen Brustumfang oder lange Beinknochen, vor allem zu lange Hinterröhren, dennoch kam keines seinen Vorstellungen nahe. Bis er einen schmalen Stall betrat, der zwischen dem großen Gasthaus Die Zwölf Salzquellen und einem Teppichladen gequetscht stand.
Eigentlich hätte man denken sollen, dass die lauten Teppichwebstühle die Pferde unruhig machten, aber sie alle waren ruhig, anscheinend an den Lärm gewöhnt. Die Boxen erstreckten sich tiefer in den Häuserblock hinein, als er gedacht hätte, aber Laternen an den Pfosten sorgten auch ein Stück vom Eingangstor entfernt für ausreichend Licht. In der Luft schwebte der Staub von dem Heuboden; sie roch nach Heu und Hafer und Pferdemist, aber es war kein alter Mist. Männer mit Schaufeln misteten die Boxen aus. Der Besitzer hielt den Ort sauber. Das bedeutete, dass hier das Krankheitsrisiko geringer war. Einige Ställe hatte er nach dem ersten Atemzug sofort wieder verlassen.
Die schwarze-weiße Stute wurde vor ihrer Box von einem Seilhalfter gehalten, während ein Stallbursche frisches Stroh hineinwarf, und sie stand ruhig da, die Ohren aufmerksam nach vorn gelegt. Etwa fünfzehn Handspannen groß hatte sie einen ordentlichen Brustumfang, der Ausdauer versprach, und die Beine waren perfekt proportioniert, mit kurzen Hinter- und Vorderröhren und Fesselgelenken im richtigen Winkel. Ihre Schultern wiesen eine gute Krümmung auf, und ihre Kruppe lag auf einer Ebene mit ihrem Widerrist. Ihre Linien waren genauso gut wie die von Pips, vielleicht sogar noch besser. Mehr noch, sie gehörte zu einer Rasse, von der er zwar gehört, die er aber niemals geglaubt hatte zu Gesicht zu bekommen, eine Rasierklinge aus Arad Doman. Keine andere Rasse hatte diese auffallende Färbung. Auf dem Fell trafen schwarze Linien auf weiße, und zwar so exakt, als hätte man sie mit einer Rasierklinge geschnitten. Daher kam auch der Name. Ihre Anwesenheit hier war genauso unerklärlich wie das schwarze Ebenholz. Mat hatte immer nur gehört, dass kein Domani jemals eine Rasierklinge an einen Ausländer verkaufen würde. Er ließ den Blick an ihr vorbeischweifen, ohne ihn auf ihr verharren zu lassen, und musterte die anderen Pferde in ihren Boxen. Waren die Würfel in seinem Kopf langsamer geworden? Nein, das war nur seine Einbildung. Er war sich sicher, dass sie genauso laut klapperten wie in Lucas Wagen.