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Innerhalb des Zirkus strömten die Leute vorbei und genossen die Darstellungen der Künstler, die beide Seiten der Hauptstraße säumten. Aludra überwachte die Lieferung von zwei Wagenladungen Fässern in verschiedener Größe. Anscheinend mehr als die Fässer. »Ich zeige euch, wo ihr die Wagen abstellen könnt«, sagte die schlanke Frau zu dem Kutscher des ersten Wagens, einem schlanken Mann mit hervorstehendem Kinn. Aludras taillenlange, mit Perlen geschmückte Zöpfe pendelten, als ihr Blick Mat einen Moment lang folgte, aber sie konzentrierte sich schnell wieder auf den Kutscher. »Die Pferde, die bringt ihr zu den Pferdeseilen, ja?«

Was hatte sie denn da in solcher Menge gekauft? Sicherlich etwas für ihre Feuerwerke. Jeden Abend kurz nach Einbruch der Dunkelheit, sodass es auch jeder sehen konnte, bevor er zu Bett ging, startete sie ihre Nachtblumen, zwei oder mehr für eine Stadt von der Größe Juradors oder falls mehrere Dörfer in enger Nachbarschaft zueinander standen. Er hatte sich Gedanken darüber gemacht, warum sie einen Glockengießer suchte, aber der einzige Grund, der anscheinend Sinn machte, machte tatsächlich nicht den geringsten Sinn, soweit es ihn betraf.

Er versteckte die Stute bei den Pferdeseilen. Nun, eigentlich war es unmöglich, eine Rasierklinge zu verstecken, aber ein Pferd fiel nun einmal weniger unter anderen Pferden auf, und der richtige Zeitpunkt war noch nicht gekommen. Den Bogenstab ließ er in dem Wagen, den er sich mit Egeanin und Domon teilte und die nicht da waren, dann begab er sich zu Tuons Wagen mit dem verblichenen purpurfarbenen Anstrich. Der stand nicht weit von Lucas Wagen entfernt, obwohl sich Mat wünschte, er wäre in der Nähe der Proviantwagen geblieben. Nur Luca und seine Frau wussten, dass Tuon eine Hochlady und keine Dienerin war, die Egeanins angeblichem Ehemann hatte verraten wollen, dass sie und Mat ein Liebespaar waren, aber viele der Artisten wunderten sich bereits darüber, warum Mat mehr Zeit mit Tuon als mit Egeanin verbrachte. Wunderten sich und missbilligten es. Es war größtenteils ein seltsam spröder Haufen, selbst die Verrenkungskünstler. Mit der Ehefrau eines grausamen Lords wegzulaufen war romantisch. Mit der Dienerin der Frau herumzumachen war abscheulich. Tuons Wagen diesen Stellplatz zu geben, der unter Leuten, die seit Jahren mit Luca zusammen und seine angesehensten Darsteller waren, sehr begehrt war, würde das Gerede nur noch weiter anfachen.

Da die Würfel in seinem Kopf dröhnten, zögerte Mat eigentlich, zu Tuon zu gehen. Sie waren zu oft in ihrer Gegenwart verstummt, und er kannte noch immer nicht den Grund dafür, nicht für ein einziges Mal. Jedenfalls nicht mit Sicherheit. Beim ersten Mal hatte es vielleicht daran gelegen, dass er sie kennen gelernt hatte. Bei dem Gedanken daran wollten sich seine Nackenhaare noch immer aufrichten. Doch bei Frauen ging man halt immer ein Risiko ein. Bei einer Frau wie Tuon zehn Risiken am Tag, und man kannte nie die Gefahren, bis es zu spät war. Manchmal fragte er sich, warum ihn sein Glück bei Frauen immer im Stich ließ. Frauen waren sicherlich genauso unberechenbar wie ein ehrliches Würfelspiel.

Vor dem Wagen stand keiner der Rotwaffen Wache — darüber waren sie mittlerweile hinaus —, also stieg er die kleine Treppe an der Hinterseite des Wagens hinauf und klopfte einmal, bevor er die Tür öffnete und eintrat. Schließlich bezahlte er die Miete für das Ding, und sie würden wohl kaum zu dieser Tageszeit unbekleidet in den Betten liegen.

Außerdem hatte die Tür einen Riegel, falls sie Leute draußen halten wollten.

Frau Anan war irgendwo anders beschäftigt, trotzdem war es eng im Wagen. Der schmale Tisch war an seinen Seilen von der Decke herabgelassen worden, nicht zueinander passende Teller mit Brot, Oliven und Käse standen dort zusammen mit einer von Lucas hohen silbernen Weinkannen, einem rot gestreiften Krug und mit Blumen bemalten Bechern.

Tuon saß auf dem einzigen Hocker des Wagens am anderen Tischende, dichte schwarze Locken, die einen Monat lang gewachsen waren, auf dem Kopf. Selucia saß auf dem einen Bett an ihrer Seite, und Noal und Olver auf dem anderen Bett, die Ellbogen auf den Tisch gestemmt. Heute trug Selucia ein dunkelblaues Ebou Dari-Kleid, das ihren beeindruckenden Busen so gut zur Geltung brachte, dazu gehörte ein geblümtes Tuch um den Kopf. Tuon trug ein rotes Kleid, das vollständig aus winzigen Falten zu bestehen schien. Beim Licht, er hatte ihr die Seide doch erst gestern gebracht! Wie hatte sie es nur geschafft, die Zirkusnäherin dazu zu bringen, das Kleid jetzt schon fertig zu haben? Er war sich ziemlich sicher, dass das für gewöhnlich länger als einen Tag dauerte. Vermutlich mit großzügigen Angeboten seines Goldes. Nun, wenn man einer Frau Seide kaufte, musste man damit rechnen, dass man auch für das Schneiderhandwerk bezahlte. Er hatte das Sprichwort als Junge gehört, als er niemals damit gerechnet hatte, sich Seide leisten zu können, aber es war die Wahrheit.

»… man sieht nur die Frauen außerhalb ihrer Dörfer«, sagte Noal gerade, aber der weißhaarige knorrige alte Mann unterbrach sich, als Mat den Wagen betrat und die Tür hinter sich zuzog. Der Spitzenbesatz an Noals Handgelenken hatte bessere Tage gesehen, genau wie der gut geschnittene Mantel aus feiner grauer Wolle, aber beides war sauber und ordentlich. Doch in Wahrheit sahen sie in Verbindung mit seinen krummen Fingern und dem zerschlagenen Gesicht seltsam aus. Die gehörten einem alternden Wirtshausschläger, der lange nach seinen besten Tagen weitergekämpft hatte. Olver, der den guten blauen Mantel trug, den Mat für ihn hatte schneidern lassen, grinste so breit wie ein Ogier. Beim Licht, er war ein guter Junge, aber mit diesen großen Ohren und dem breiten Mund würde er nie besonders anziehend sein. Seine Art mit Frauen umzugehen musste noch wesentlich verbessert werden, falls er da jemals Glück haben wollte. Mat hatte versucht, mehr Zeit mit Olver zu verbringen, ihm den Einfluss seiner »Onkel« Vanin und Harnan und den anderen Rotwaffen zu entziehen, und der Junge schien das zu genießen. Wenn auch nicht so sehr wie mit Tuon Schlangen und Füchse zu spielen und Selucias Busen anzustarren. Es war ja schön und gut, wenn die Burschen Olver beibrachten, wie man mit dem Bogen schoss und dem Schwert umging und dergleichen, aber falls Mat jemals herausfand, wer ihm beibrachte, lüstern zu grinsen…

»Manieren, Spielzeug«, sagte Tuon mit einem breiten Akzent wie Honig, der aus einer Speise rann. Harter Honig. Solange sie nicht mit ihm Steine spielte, war ihr Gesichtsausdruck in seiner Nähe für gewöhnlich streng genug für einen Richter, der ein Todesurteil verhängte, und ihr Ton passte dazu. »Ihr klopft, dann wartet Ihr auf die Erlaubnis zum Eintreten. Es sei denn, man ist Besitz oder Diener. Dann klopft man nicht. Außerdem habt Ihr Fett auf dem Mantel. Ich erwarte, dass Ihr Euch sauber haltet.«

Olvers Grinsen verblasste, als er hörte, wie Mat gerügt wurde. Noal fuhr sich mit den krummen Fingern durch das lange Haar und seufzte, dann fing er an, den grünen Teller vor ihm zu mustern, als hoffte er, einen Smaragd zwischen den Oliven zu finden.

Grimmiger Tonfall oder nicht, Mat genoss es, die dunkelhäutige kleine Frau zu betrachten, die seine Ehefrau sein sollte. Die zur Hälfte bereits seine Frau war. Beim Licht, sie musste bloß drei Sätze sagen, und die Sache war erledigt! Aber sie war wunderschön! Zuerst hatte er sie für ein Kind gehalten, aber das hatte nur an ihrer Größe gelegen, und ihr Gesicht war von einem durchsichtigen Schleier verhüllt gewesen. Ohne den Schleier war es offensichtlich, dass das herzförmige Gesicht zu einer Frau gehörte. Ihre großen Augen waren dunkle Teiche, in denen ein Mann sein Leben lang herumschwimmen konnte. Ihr seltenes Lächeln konnte geheimnisvoll oder schelmisch sein, und er genoss es. Es gefiel ihm, sie zum Lachen zu bringen. Zumindest wenn sie ihn nicht auslachte. Sicher, sie war etwas schlanker, als er bevorzugte, aber falls es ihm je gelingen sollte, einen Arm um sie zu legen, ohne dass Selucia in der Nähe war, glaubte er, dass sie sich genau richtig anfühlen würde. Und möglicherweise konnte er sie dazu bringen, ihm mit diesen vollen Lippen ein paar Küsse zu geben. Beim Licht, davon träumte er manchmal! Es störte ihn auch nicht, dass sie ihn zurechtwies, als wären sie bereits verheiratet. Nun gut, es störte ihn selten. Sollte er doch zu Asche verbrennen, wenn er je begriff, was an ein bisschen Fett so schlimm war. Lopin und Nerim, die beiden Diener, mit denen er geschlagen war, würden sich darum prügeln, wer den Mantel sauber machen durfte. Sie hatten so wenig zu tun, dass sie das wirklich tun würden, wenn er keinen für die Aufgabe bestimmte. Das sagte er ihr aber nicht. Frauen gefiel nichts mehr, als einen dazu zu bringen, sich zu verteidigen, und sobald man damit anfing, hatten sie gewonnen.