Die Farben wirbelten, und obwohl er dagegen ankämpfte, wurden sie wieder kurz zu Rand und Loial. Das würde doch nicht so einfach werden, wie es den Anschein gehabt hatte.
»Ihr kennt den Wiedergeborenen Drachen«, sagte sie zweifelnd.
»Wir sind im selben Dorf aufgewachsen«, knurrte er und kämpfte wieder gegen die Farben. Dieses Mal verfestigten sie sich fast, bevor sie verschwanden. »Wenn Ihr mir nicht glaubt, fragt Teslyn und Joline. Fragt Thom. Aber macht es nicht, wenn jemand anderes in der Nähe ist. Vergesst nicht, es ist ein Geheimnis.«
»Die Gilde ist mein Leben gewesen, seit ich ein junges Mädchen war.« Sie schob das Holzstäbchen mit einer schnellen Bewegung über die Seite des Kästchens, und das Ding fing an zu brennen! Es roch nach Schwefel. »Die Drachen, sie sind jetzt mein Leben. Die Drachen und die Rache an den Seanchanern.« Sie bückte sich und hielt die Flamme an eine dunkle Zündschnur, die unter der Zeltplane verschwand. Sobald die Zündschnur brannte, wedelte sie mit dem Stäbchen herum, bis die Flamme erlosch, dann ließ sie es fallen. Mit einem knisternden Zischen flackerte das Feuer die Zündschnur entlang. »Ich glaube es Euch, wenn ich darüber nachdenke.« Sie hielt ihm die freie Hand hin. »Wenn Ihr geht, begleite ich Euch. Und Ihr werdet mir helfen, viele Drachen herzustellen.«
Einen Augenblick lang, so lange er ihre Hand schüttelte, war er davon überzeugt, dass die Würfel verstummt waren, aber einen Herzschlag später rollten sie schon wieder. Es musste seine Einbildung gewesen sein. Sicher würde seine Übereinkunft mit Aludra der Bande und damit auch Mat Cauthon helfen, am Leben zu bleiben, aber man konnte sie wohl kaum als schicksalhaft bezeichnen. Er würde diese Schlachten immer noch schlagen müssen, und ganz egal, wie sehr man plante und wie gut ausgebildet seine Männer waren, Glück und Pech spielten immer eine Rolle, sogar bei ihm. Diese Drachen würden daran nichts ändern. Aber klapperten die Würfel so laut wie zuvor? Er hatte nicht den Eindruck, aber wie konnte er sich da sicher sein? Sie waren noch nie zuvor langsamer geworden, ohne ganz zu verstummen. Es konnte nur Einbildung gewesen sein.
In dem abgegrenzten Raum ertönte ein dumpfes Dröhnen, beißender Qualm wallte über die Plane. Augenblicke später erblühte die Nachtblume in der Dunkelheit über Runniensbrücke, ein großer Ball aus roten und grünen Lichtstreifen. In seinen Träumen in dieser Nacht und in vielen kommenden Nächten erblühte sie immer wieder, aber diesmal erblühte sie zwischen anstürmenden Reitern und Mauern aus Piken, riss Fleisch in Stücke, wie er einst Stein durch Feuerwerk in Stücke gerissen gesehen hatte. In seinen Träumen versuchte er die Dinger mit bloßen Händen zu fangen, versuchte sie aufzuhalten, aber sie regneten in nicht enden wollenden Strömen auf hundert Schlachtfelder nieder. In seinen Träumen weinte er wegen des Todes und der Zerstörung. Und irgendwie hatte es den Anschein, dass das Klappern der Würfel in seinem Kopf wie Gelächter klang. Aber nicht sein Gelächter. Das Gelächter des Dunklen Königs.
Als die Sonne am nächsten Morgen in einen wolkenlosen Himmel aufstieg, saß er auf den Stufen seines grünen Wagens und bearbeitete den Bogenstab vorsichtig mit einem scharfen Messer. Das musste man vorsichtig, mit äußerstem Feingefühl machen; ein sorgloser falscher Schnitt konnte die ganze Arbeit zunichte machen.
Da kamen Egeanin und Domon heraus. Seltsamerweise schienen sie sich mit besonderer Sorgfalt angekleidet zu haben; sie trugen die besten Sachen, die sie hatten. Mat war nicht der Einzige gewesen, der in Jurador Stoff gekauft hatte, aber ohne den Anreiz seines Goldes nähten die Schneiderinnen noch immer für Domon und Egeanin. Die blauäugige Seanchanerin trug ein hellgrünes Kleid, das auf dem hohen Kragen reichhaltig mit winzigen weißen und gelben Blumen verziert war, die sich von dort bis zu den Ärmelrändern hinunterzogen. Ihre lange schwarze Perücke wurde von einem blumengemusterten Tuch gehalten. Domon sah mit seinem kurz geschorenen Haar und dem Illianerbart, der die Oberlippe frei ließ, richtig seltsam aus; er hatte seinen abgetragenen braunen Mantel ausgebürstet, bis er beinahe ordentlich aussah. Sie drängten sich wortlos an Mat vorbei und eilten los, und er dachte nicht weiter darüber nach, bis sie eine Stunde später zurückkamen und verkündeten, dass sie im Dorf gewesen waren und sich von Mutter Darvale hatten vermählen lassen.
Er konnte nicht verhindern, dass er sie anstarrte. Egeanins strenges Gesicht und ihr scharfer Blick waren ein deutlicher Hinweis auf ihren Charakter. Was konnte Domon nur dazu veranlasst haben, diese Frau zu heirate n? Da hätte man genauso gut einen Bären heiraten können. Ihm wurde bewusst, dass der Illianer anfing, ihn finster anzublicken, und er sprang hastig auf die Füße und brachte eine ordentliche Verbeugung über dem Bogenstab zustande. »Meine Glückwünsche, Meister Domon. Meine Glückwünsche, Frau Domon. Möge das Licht Euch beide mit seinem Schein erleuchten.« Was hätte er sonst sagen sollen?
Aber Domons Miene hellte sich keineswegs auf, als hätte er Mats Gedanken gehört, und Egeanin schnaubte bloß.
»Mein Name ist Leilwin Schiffslos, Cauthon«, sagte sie in ihrem lang gezogenen Akzent. »Das ist der Name, den man mir gegeben hat, und der Name, mit dem ich sterben werde. Und es ist ein guter Name, denn er hat mir geholfen, eine Entscheidung zu treffen, die ich schon vor Wochen hätte treffen sollen.« Stirnrunzelnd warf sie einen Blick auf Domon. »Du verstehst doch, warum ich deinen Namen nicht annehmen konnte, Bayle?«
»Nein, mein Mädchen«, erwiderte Domon sanft und legte ihr die schwere Hand auf die Schulter, »aber ich nehme dich mit jedem Namen, den du benutzen willst, solange du nur meine Frau bist. Das habe ich dir gesagt.« Sie lächelte und legte ihre Hand auf die seine, und er fing auch an zu lächeln. Beim Licht, aber die beiden waren einfach bloß ekelerregend. Falls eine Heirat einen Mann so zuckersüß lächeln ließ… Nun, Mat Cauthon würde das nicht passieren. Er mochte ja so gut wie verheiratet sein, aber ein Mat Cauthon würde niemals wie ein Narr umherstolzieren.
Und so endete er in einem grün gestreiften Zelt, das nicht besonders groß war und zwei Domani-Brüdern gehörte, die Feuer und Schwerter schluckten. Selbst Thom gab zu, dass Balat und Abar gut waren, und sie waren recht beliebt bei den anderen Artisten, also fiel es leicht, eine andere Unterkunft für sie zu finden, aber das Zelt kostete fast so viel wie der Wagen! Jeder wusste, dass er mit Gold um sich werfen konnte, und die beiden seufzten bloß bei dem Gedanken, ihr gemütliches Zuhause aufgeben zu müssen, als er versuchte, sie herunterzuhandeln. Nun, ein frisch gebackenes Ehepaar brauchte seine Privatsphäre, und er verschaffte sie ihnen nur zu gern, wenn das bedeutete, nicht mehr mit ansehen zu müssen, wie sie sich verliebte Augen machten.
Davon abgesehen war er es leid, abwechselnd auf dem Boden schlafen zu müssen. In dem Zelt hatte er wenigstens seine eigene Pritsche — so schmal und hart sie auch sein mochte, war sie noch immer weicher als der Wagenboden —, und da er nun allein war, hatte er auch mehr Platz als in dem Wagen, und das selbst nachdem der Rest seiner Kleidung gebracht und in zwei mit Messingbändern beschlagenen Truhen verstaut worden war. Er hatte seinen eigenen Waschständer, einen Stuhl mit Lehne, der nicht zu wackelig war, einen stabilen Hocker und einen Tisch, der groß genug war, um Platz für einen Teller und eine Tasse und zwei vernünftige Messinglampen zu bieten. Die Truhe mit dem Gold ließ er in dem grünen Wagen. Nur ein blinder Narr würde versuchen, Domon zu berauben. Nur ein Verrückter würde versuchen, Egeanin zu berauben. Oder Leilwin, worauf sie bestand, auch wenn er noch immer davon überzeugt war, dass sie irgendwann wieder zur Vernunft kommen würde. Nach der ersten Nacht in der Nähe des Aes Sedai-Wagens, in der der Fuchskopf die Hälfte der Zeit eiskalt gewesen war, ließ er das Zelt gegenüber von Tuons Wagen aufstellen, indem er dafür sorgte, dass die Rotwaffen es aufbauten, bevor jemand anders den Platz für sich beanspruchen konnte.