»Ich habe die drei nicht aus Ebou Dar geschafft, damit Ihr sie zurückbringen könnt«, sagte Mat fest und schob sich über das Bett. Der Fuchskopf wurde noch kälter, Tuon gab ein überraschtes Geräusch von sich.
»Wie habt Ihr… das gemacht, Spielzeug? Das Gewebe… zerschmolz… als es Euch berührte.«
»Das ist eine Gabe, mein Juwel.«
Als er aufstand, setzte sich Selucia geduckt in Bewegung, die Hände flehentlich ausgestreckt. Furcht stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Ihr dürft nicht«, setzte sie an.
»Nein!«, befahl Tuon scharf.
Selucia richtete sich wieder auf und wich zurück, auch wenn sie ihn nicht aus den Augen ließ. Seltsamerweise verschwand die Furcht aus ihrem Ausdruck. Er schüttelte erstaunt den Kopf. Er wusste, dass die vollbusige Frau Tuon aufs Wort gehorchte — schließlich war sie So’jhin, genau wie Tuons Pferd ein Stück Besitz, und sie hielt das auch für völlig richtig —, aber wie gehorsam musste man sein, um auf Befehl seine Furcht zu verlieren?
»Sie haben mich verärgert, Spielzeug«, sagte Tuon, als er nach Teslyns Kragen griff. Die Rote zitterte und weinte noch immer, und sie sah aus, als könnte sie nicht glauben, dass er das Ding tatsächlich entfernen würde.
»Sie ärgern mich auch.« Er legte die Finger auf den Kragen, drückte hier und da, und der Reifen öffnete sich mit einem Klicken.
Teslyn ergriff seine Hände und fing an, sie zu küssen.
»Danke«, schluchzte sie unablässig. »Danke. Danke.«
Mat räusperte sich. »Gern geschehen, aber es ist nicht nötig… Würdet Ihr damit aufhören? Teslyn?« Es kostete ihn einige Mühe, die Hände wieder freizubekommen.
»Ich will, dass sie aufhören, mich zu ärgern, Spielzeug«, sagte Tuon, als er sich Joline zuwandte. Bei jedem anderen hätte das trotzig geklungen. Die dunkelhäutige kleine Frau machte daraus eine Forderung.
»Ich glaube, hiernach werden sie damit einverstanden sein«, sagte er trocken. Aber Joline sah mit stur nach vorn geschobenem Kinn zu ihm hoch. »Ihr seid doch einverstanden, oder?« Die Grüne schwieg.
»Ich bin einverstanden«, sagte Teslyn schnell. »Wir alle sind einverstanden.«
»Ja, wir sind alle einverstanden«, fügte Edesina hinzu. Joline starrte ihn stumm und stur an, und Mat seufzte.
»Ich könnte mein Juwel Euch ein paar Tage lang behalten lassen, bis Ihr Eure Meinung geändert habt.« Jolines Kragen öffnete sich in seinen Händen. »Aber das werde ich nicht tun.«
Sie starrte ihm noch immer in die Augen und fasste sich an den Hals, als müsste sie sich vergewissern, dass der Kragen fort war. »Möchtet Ihr einer meiner Behüter sein?«, fragte sie und lachte dann leise. »Kein Grund, so ein Gesicht zu machen. Selbst wenn ich Euch gegen Euren Willen den Bund aufzwingen wollte, ich könnte es nicht tun, solange Ihr dieses Ter’angreal besitzt. Ich bin einverstanden, Meister Cauthon. Vielleicht macht das unsere beste Chance zunichte, die Seanchaner aufzuhalten, aber ich werde mir nicht länger die Mühe machen… mein Juwel.«
Tuon fauchte wie eine nass gespritzte Katze, und er seufzte erneut. Was man hier gewann, verlor man dort.
Er verbrachte einen Teil der Nacht damit, das zu tun, was er auf der Welt am wenigsten mochte. Arbeiten. Ein Loch zu graben, das tief genug war, um die drei A’dam zu vergraben. Er machte es selbst, weil Joline sie überraschenderweise haben wollte. Schließlich waren es Ter’angreale, und die Weiße Burg musste sie studieren. Das konnte schon sein, aber die Burg würde ihre A’dam eben woanders finden müssen. Er war sich ziemlich sicher, dass keine der Rotwaffen sie übergeben hätte, wenn er ihnen befohlen hätte, sie zu vergraben, aber er ging kein Risiko ein, dass die Aes Sedai auftauchten, um mehr Ärger zu machen. Es fing an zu regnen, bevor das Loch knietief war, ein kalter, harter Regen, und als er fertig war, war er bis auf die Haut durchnässt und bis zur Taille schlammverschmiert. Ein tolles Ende für einen großartigen Abend, und die Würfel klapperten in seinem Schädel umher.
10
Ein Dorf in Shiota
Der folgende Tag brachte eine Atempause, oder zumindest hatte es den Anschein. Tuon ritt in einem blauen Seidenreitgewand und mit dem breiten Ledergürtel an seiner Seite, als der Zirkus langsam nach Norden rollte, und zudem wackelte sie mit den Fingern, als Selucia versuchte, ihr Pferd zwischen sie zu drängen. Selucia hatte sich ihr eigenes Tier besorgt, einen stämmigen Wallach, der zwar nicht an Pips oder Akein herankam, aber den Schecken bei weitem übertraf. Die blauäugige Frau, die heute ein grünes Kopftuch unter der Kapuze trug, setzte sich an Tuons andere Seite, und ihr Gesicht hätte zu einer Aes Sedai gehören können, so wenig gab es preis. Mat konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Sollte sie doch mal zur Abwechslung ihre Frustration unterdrücken. Da die echten Aes Sedai keine Pferde hatten, mussten sie in ihrem Wagen bleiben; Metwyn war zu weit entfernt auf dem Kutschbock des purpurnen Wagens, um hören zu können, was er zu Tuon sagte; von dem nächtlichen Regen waren nur noch ein paar dünne Wolken übrig, und die Welt schien in Ordnung. Sogar die Würfel in seinem Kopf konnten daran nichts ändern. Nun, es gab ein paar schlechte Augenblicke, aber eben nur Augenblicke.
In aller Frühe flog ein Rabenschwarm vorbei, ein Dutzend oder mehr große schwarze Vögel. Sie flogen schnell, kamen nie von ihrem Kurs ab, aber er betrachtete sie trotzdem, bis sie zu kleinen Punkten schrumpften und verschwanden. Das reichte nicht aus, um den Tag zu verderben. Jedenfalls nicht ihm. Vielleicht für jemanden weiter oben im Norden.
»Seht Ihr ein Omen in ihnen, Spielzeug?«, fragte Tuon. Sie war im Sattel so anmutig wie in allem, was sie tat. Er konnte sich nicht daran erinnern, sie jemals unbeholfen gesehen zu haben. »Die meisten Omen, die ich über Raben kenne, haben etwas damit zu tun, dass sie sich auf einem Dach niederlassen oder in der Morgen- oder Abenddämmerung krähen.«
»Sie können Spione des Dunklen Königs sein«, sagte er.
»Manchmal. Krähen auch. Und Ratten. Aber sie haben nicht angehalten, um uns zu betrachten, also müssen wir uns keine Sorgen machen.«
Sie fuhr mit einer grün behandschuhten Hand über den Kopf und seufzte. »Spielzeug, Spielzeug«, murmelte sie und setzte die Umhangkapuze wieder auf. »Wie viele Kindergeschichten glaubt Ihr eigentlich? Glaubt Ihr, dass, wenn Ihr bei Vollmond auf dem Hügel des Alten Hobs schlaft, die Schlangen Euch die wahren Antworten auf drei Fragen verraten, oder dass Füchse die Haut von Menschen stehlen und die Nahrhaftigkeit aus der Nahrung, sodass man verhungert, obwohl man isst?«
Ein Lächeln aufzusetzen kostete Mühe. »Ich glaube nicht, dass ich das schon einmal gehört habe.« Amüsiert zu klingen erforderte ebenfalls eine Anstrengung. Wie standen wohl die Chancen, dass sie Schlangen erwähnte, die wahre Antworten gaben, wie es die Aelfinn gewissermaßen taten, und dann im gleichen Atemzug noch Füchse, die Häute stahlen? Er war sich ziemlich sicher, dass die Eelfinn das taten und daraus Leder machten. Aber es war der Alte Hob, der ihn beinahe zusammenzucken ließ. Das eine war vermutlich bloß ta’veren, das an der Welt drehte. Sie wusste mit Sicherheit nichts über ihn und die Schlangen und die Füchse. Aber in Shandalle, dem Land, in dem Artur Falkenflügel geboren worden war, war der Alte Hob oder Caisen Hob ein anderer Name für den Dunklen König gewesen. Die Aelfinn und die Eelfinn verdienten sicherlich beide, mit dem Dunklen König in Verbindung gebracht zu werden, aber das war kaum etwas, über das er nachdenken wollte, wo er doch selbst eine Verbindung zu den verdammten Füchsen hatte. Und auch zu den Schlangen? Die Möglichkeit reichte aus, um ihm auf den Magen zu schlagen.