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Thom führte sie bald in ein Labyrinth aus gewundenen Straßen, von denen die meisten die Bezeichnung nur deshalb verdienten, weil sie mit groben Steinblöcken in der Größe von zwei Männerfäusten gepflastert waren. Häuser in der Größe wie auf der Hauptstraße, von denen einige Läden im Erdgeschoss beherbergten, ragten über ihnen auf und verbargen beinahe den Himmel. Viele der Straßen waren zu schmal für Pferdekarren — in einigen hätte Mat nicht die Arme ganz ausstrecken müssen, um beide Häuserseiten berühren zu können —, und mehr als nur einmal musste er Tuon gegen eine Hauswand drängen, um schwer beladene Handkarren auf den unregelmäßigen Pflastersteinen vorbeipoltern zu lassen; die Karrenmänner riefen Entschuldigungen, ohne aber langsamer zu werden. Träger liefen ebenfalls durch dieses enge Labyrinth, Männer, die die Nase fast auf dem Boden hatten und von denen jeder einen Ballen oder Kisten auf dem Rücken trug, die von einem gepolsterten, um die Hüften geschlungenen Lederriemen gehalten wurden. Allein ihr Anblick bereitete Mat Rückenschmerzen. Sie erinnerten ihn daran, wie sehr er Arbeit hasste.

Er wollte Thom schon fragen, wie weit sie noch gehen mussten — Maderin war keine so große Stadt —, als sie den We iß en R ing in einer gepflasterten Seitengasse erreichten, ein Ziegelgebäude mit zwei Stockwerken gegenüber einem Messerladen. Das Schild über der roten Tür, ein weißer Kreis aus gekräuselter Spitze, ließ seine Schultermuskeln erneut verkrampfen. Man konnte das ja als Ring bezeichnen, aber das war eindeutig das Strumpfband einer Frau. Es mochte keine Spelunke sein, aber Schenken mit derartigen Schildern waren auf ihre Weise sehr ungemütlich. Er lockerte die Messer in seinen Ärmeln und auch die in seinen Stiefelschächten, tastete nach den Klingen unter dem Mantel, zuckte mit den Schultern, bloß um den Stahl zu fühlen, der dort hing. Obwohl, wenn es dazu kam… Tuon nickte anerkennend. Die verdammte Frau konnte es nicht er wart en , dass er in eine Messerstecherei verwickelt wurde! Selucia hatte genug Verstand, um die Stirn zu runzeln.

»Ah, ja«, sagte Thom. »Eine weise Vorsichtsmaßnahme.«

Und er überprüfte die eigenen Messer, was die Knoten in Mats Schultern noch verkrampfter werden ließ. Thom trug fast so viele Klingen wie er auch, in den Ärmeln, unter dem Mantel.

Selucia wandte sich in der Zeichensprache an Tuon, und plötzlich waren sie mit blitzenden Fingern in eine Diskussion vertieft. Natürlich konnte das nicht sein — Tuon besaß Selucia, so wie man einen Hund besaß, und man diskutierte nicht mit seinem Hund —, aber es schien eine Diskussion zu sein, und beide Frauen hatten die Unterkiefer stur nach vorn geschoben. Schließlich faltete Selucia die Hände und beugte fügsam den Kopf. Eine zögernde Unterwerfung.

»Alles wird gut gehen«, sagte Tuon fröhlich zu ihr. »Du wirst sehen. Alles wird gut gehen.«

Mat wünschte sich, er wäre da so sicher gewesen. Er holte tief Luft, hielt ihr erneut das Handgelenk für ihre Hand hin und folgte Thom.

Der geräumige, holzgetäfelte Gemeinschaftsraum des Weißen Rings beherbergte mehr als zwei Dutzend Männer und Frauen, von denen offensichtlich mehr als die Hälfte Fremde waren. Sie saßen an rechteckigen Tischen unter einer mit vielen Balken versehenen Decke. Alle waren ordentlich in feine Wolle mit nur wenig Verzierungen gekleidet; die meisten unterhielten sich größtenteils nur zu zweit leise über ihren Wein gebeugt, die Umhänge über die niedrigen Lehnen der Stühle gehängt. An einem Tisch saßen allerdings drei Männer und eine Frau mit langen, perlengeschmückten Zöpfen und würfelten mit hellroten Würfeln. Aus der Küche kamen angenehme Düfte, einschließlich dem nach bratendem Fleisch. Vermutlich Ziege. Neben dem breiten Steinkamin, in dem ein Feuer loderte und auf dessen Sims eine Messinguhr stand, schwang eine junge Frau die Hüften und sang. Sie war fast so gut ausgestattet wie Selucia — und die beinahe bis zur Taille aufgeschnürte Bluse bewies dies. Sie wurde begleitet von Flöte und Zimbel und sang von einer Frau, die mit ihren vielen Liebhabern jonglierte. Sie sang mit passend schlüpfriger Stimme. Keiner der Gäste schien zuzuhören.

»An ein em schönen Frühlingstage , traf ich den jungen Jac beim Heumachen, sein Haar so schön wie seine Visage .

Ich gab ihm einen Kuss, wie hätte ich nicht?

Wir schmusten und kitzelten uns bis zum Vormittage, und wie er mich zum Seufzen brachte, das verrat' ich nicht .«

Tuon senkte die Kapuze, blieb in der Tür stehen und blickte sich stirnrunzelnd um. »Seid Ihr sicher, dass das auch eine Spelunke ist, Meister Merrilin?«, fragte sie. Dem Licht sei Dank mit leiser Stimme. An einigen Orten konnte eine solche Frage einen wieder hinausbefördern, und zwar auf die grobe Weise, ob man nun Seide trug oder nicht. An anderen verdoppelten sich die Preise einfach.

»Ich versichere Euch, Ihr werdet nirgendwo in Maderin zu dieser Stunde eine größere Ansammlung von Dieben und Schurken finden«, murmelte Thom und strich sich über den Schnurrbart.

»fetzt hat Jac eine Stunde , wenn Himmel ist klar, und Willi die, wenn der Vater ist nicht nah.

Moril treff ich im Heuschober, denn er kennt keine Furcht, und Keilin kommt mittags; er kennt keine Eifersucht!

Lord Brelan kommt abends , wenn die Nacht ist so kalt . Meister Andril den Morgen, denn er ist so alt.

Was soll ein armes Mädchen bloß anderes tun? So viele Liebhaber und am Tag so wenig Stund'.«

Tuon sah wenig überzeugt aus, aber zusammen mit Selucia ging sie zu der Sängerin, die sich einen Moment lang von ihrer intensiven Musterung irritieren ließ, bevor sie mit dem Lied weitermachte. Sie sang über Tuons Kopf hinweg in dem offensichtlichen Versuch, sie zu ignorieren. Anscheinend fügte die Frau bei jeder neuen Strophe ihrer Liste einen weiteren Liebhaber hinzu. Der Musikant, der die Zimbel spielte, lächelte Selucia an und erhielt einen frostigen Blick als Antwort. Die beiden Frauen zogen auch andere Blicke auf sich, war doch die eine so klein und mit ausgesprochen kurzen Haaren versehen, während die andere der Sängerin Konkurrenz machte und ein Kopftuch trug, aber es blieb bei den Blicken. Die Gäste kümmerten sich um ihre eigenen Angelegenheiten.

»Es ist keine Spelunke«, sagte Mat leise, »aber was ist es dann? Warum sollten mitten am Tag so viele Leute hier sein?« Auf diese Weise füllten sich Gemeinschaftsräume für gewöhnlich nur morgens und abends.

»Die Ortsansässigen verkaufen Olivenöl, Lackarbeiten oder Spitze«, erwiderte Thom genauso leise, »und die Fremden kaufen. Anscheinend ist es hier Brauch, mit ein paar Stunden Unterhaltung bei einem Becher Wein anzufangen. Und wenn man nichts verträgt«, fügte er trocken hinzu, »wird man nach dem Nüchternwerden herausfinden, dass man mit weinschwerem Kopf einen weitaus schlechteren Handel als gedacht abgeschlossen hat.«

»Beim Licht, Thom, sie wird niemals glauben, dass das hier eine Spelunke ist. Ich dachte, du würdest uns irgendwo hinbringen, wo die Kaufmannswächter trinken. Das hätte sie vielleicht überzeugend gefunden.«

»Vertrau mir, Mat. Ich glaube, du wirst noch entdecken, dass sie in vielerlei Hinsicht ein sehr behütetes Leben geführt hat.«

Behütet? Wo ihre eigenen Brüder und Schwestern versucht hatten, sie zu töten? »Darauf würdest du aber keine Krone setzen, oder?«

Thom kicherte. »Dein Geld nehme ich immer gern.«

Tuon und Selucia kamen mit ausdruckslosem Gesicht angerauscht. »Ich hatte damit gerechnet, dass die Gäste viel schlechter gekleidet sind«, sagte Tuon leise, »und es vielleicht zu einem oder zwei Kämpfen kommt, aber das Lied ist zu zotig für eine respektable Schenke. Obwohl sie meiner Meinung nach viel zu dick angezogen ist, um es richtig zu singen. Wofür ist das?«, fügte sie misstrauisch hinzu, als Mat Thom eine Münze gab.