Mat seufzte. Er musste bei dem Einsatz nicht mitgehen, aber jetzt wegzugehen würde womöglich Frau Aistaings Anschuldigung auslösen. Genau wie diesen Wurf zu gewinnen. Zögernd schob er genug Silbermünzen nach vorn, um ihrem Gold zu entsprechen. Danach hatte er noch genau zwei Münzen übrig. Er schüttelte den Becher noch einmal kräftig zusätzlich, bevor er die Würfel auf den Tisch warf. Er rechnete nicht damit, so etwas zu ändern. Er machte nur seinen Gefühlen Luft.
Die roten Würfel rollten über die Tischplatte, trafen die aufgetürmten Münzen und prallten ab, drehten sich, bevor sie fielen. Jeder zeigte ein Auge. Die Augen des Dunklen Königs.
Camrin und Kostelle teilten lachend ihren Gewinn auf, so als hätten sie mehr als ihre Einsätze zurückgewonnen. Die Beobachter verzogen sich, gratulierten den beiden Kaufleuten, murmelten Mat ein paar Trostworte zu, einige von ihnen hoben ihre Becher, die er bezahlt hatte, in seine Richtung. Frau Aistaing nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Weinbecher und musterte ihn über den Rand, allem äußeren Anschein nach so betrunken wie eine Gans. Er bezweifelte, dass sie noch immer glaubte, er sei ein Falschspieler, nicht wenn er mit nur einer Mark mehr als zu Anfang vom Tisch ging. Manchmal konnte sich Pech auch als Glück erweisen.
»Also ist Euer Glück nicht endlos, Spielzeug«, sagte Tuon, als er sie zu ihrem Tisch eskortierte. »Oder habt Ihr nur Glück in kleinen Dingen?«
»Niemand hat immer Glück, mein Juwel. Ich persönlich bin der Meinung, dass der letzte Wurf einer der besten war, die ich je gemacht habe.« Er berichtete vom Misstrauen der Tarabonerin, und warum er eine Runde für den Gemeinschaftsraum bestellt hatte.
Am Tisch hielt er ihren Stuhl, aber sie blieb stehen und betrachtete ihn. »Ihr werdet in Seandar bestimmt gut zurechtkommen«, sagte sie schließlich und hielt ihm den fast leeren Krug vor die Nase. »Passt darauf bis zu meiner Rückkehr auf.«
»Wo wollt Ihr hin?«, fragte er alarmiert. Er vertraute darauf, dass sie nicht weglaufen würde, aber nicht, dass sie sich ohne seinen Schutz nicht in Schwierigkeiten bringen würde.
Sie setzte eine gequälte Miene auf. Selbst damit war sie wunderschön. »Wenn Ihr es unbedingt wissen müsst, Spielzeug, auf das Unausweichliche.«
»Oh. Die Wirtin kann Euch sagen, wo das ist. Oder eine der Mägde.«
»Danke, Spielzeug«, sagte sie zuckersüß. »Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, einfach zu fragen.« Sie signalisierte Selucia mit den Fingern, und die beiden gingen kichernd und in eine stumme Unterhaltung vertieft in den hinteren Teil des Gemeinschaftsraums.
Mat seufzte und starrte finster in seinen Wein. Frauen schien es immer Vergnügen zu bereiten, dass man sich wie ein Trottel vorkam. Und mit der hier war er bereits zur Hälfte verheiratet.
»Wo sind die Frauen?«, fragte Thom, ließ sich auf den Stuhl neben ihn sacken und stellte einen fast vollen Weinbecher auf dem Tisch ab. Er grunzte, als Mat es ihm sagte, und sprach mit gedämpfter Stimme, die Ellbogen auf den Tisch gestützt. »Hinter und vor uns liegt Ärger. Weit genug voraus, dass er uns hier vielleicht nicht betrifft, aber wir sollten gehen, wenn sie wiederkommen.«
Mat setzte sich aufrecht hin. »Was für Ärger?«
»Einige der Kaufmannskarawanen, die uns in den letzten Tagen überholt haben, haben die Neuigkeit von Morden in Jurador mitgebracht. Sie sind ungefähr zur Zeit unseres Aufbruchs geschehen. Vielleicht einen oder zwei Tage später, das lässt sich nicht genau sagen. Ein Mann wurde mit herausgerissener Kehle in seinem Bett aufgefunden, aber es gab kaum Blut.« Er musste nicht mehr sagen.
Mat nahm einen tiefen Schluck. Der verfluchte Gholam verfolgte ihn noch immer. Wie hatte er herausfinden können, dass er mit Lucas Zirkus reiste? Aber bei dem Tempo des Wanderzirkus war er immer noch einen oder zwei Tage hinter ihnen, und vermutlich würde er sie so bald nicht einholen. Mat berührte den Fuchskopf durch seinen Mantel. Wenigstens hatte er eine Möglichkeit, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen, falls er auftauchte. Das Ding trug eine Narbe, die er ihm verpasst hatte. »Und der vor uns liegende Ärger?«
»An der Grenze zu Murandy steht ein seanchanisches Heer. Wie sie das zusammengezogen haben, ohne dass ich es erfahren habe…« Er pustete seinen Schnurrbart in die Höhe, verärgert über sein Versagen. »Nun, egal. Sie lassen jeden, der an ihnen vorbei will, eine Tasse mit irgendeinem Kräutertee trinken.«
»Tee?«, wiederholte Mat ungläubig. »Was soll Tee denn für Ärger machen?«
»Gelegentlich macht dieser Tee eine Frau unsicher auf den Beinen, und dann kommen die Sul’dam und legen ihnen den Kragen um. Aber das ist nicht das Schlimmste. Sie suchen angestrengt nach einer kleinen, schwarzen Seanchanerin.«
»Nun, natürlich tun sie das. Hast du geglaubt, sie würden das nicht tun? Das löst mein größtes Problem, Thom. Wenn wir uns ihnen nähern, können wir den Zirkus verlassen, durch den Wald reiten. Tuon und Selucia können mit Luca Weiterreisen. Luca wird der Held sein, der ihnen ihre Tochter der Neun Monde zurückgebracht hat.«
Thom schüttelte ernst den Kopf. »Sie suchen nach einer Betrügerin, Mat. Jemand, der behauptet, die Tochter der Neun Monde zu sein. Aber die Beschreibung passt zu genau auf sie. Sie sprechen nicht offen darüber, aber es gibt immer Männer, die zu viel trinken, und einige reden dann auch zu viel. Sie wollen sie umbringen, wenn sie sie finden. Irgendetwas in der Art, die Schande zu tilgen, die sie verursacht hat.«
»Beim Licht!«, keuchte Mat. »Wie kann das sein, Thom?
Welcher General dieses Heer auch immer befehligt, er muss doch ihr Gesicht kennen, oder? Und vermutlich auch ein paar der Offiziere. Es muss Adlige geben, die sie kennen.«
»Wird ihr nicht viel nützen. Selbst der geringste Soldat wird ihr die Kehle aufschlitzen oder den Schädel einschlagen, sobald man sie findet. Ich habe das von drei verschiedenen Kaufleuten gehört. Selbst wenn sie sich alle irren, bist du bereit, dieses Risiko einzugehen?«
Das war Mat nicht, und sie fingen an, über ihrem Wein einen Plan zu schmieden. Nicht dass sie viel tranken. Trotz seiner vielen Besuche in Gemeinschaftsräumen und Schenken tat Thom das nur noch selten, und Mat wollte einen klaren Kopf behalten.
»Luca wird ein großes Geschrei anstimmen, wenn wir genug Pferde für alle haben wollen, ganz egal, was du ihm zahlst«, sagte Thom irgendwann. »Und wir brauchen Lastpferde für Proviant und Ausrüstung, wenn wir durch den Wald reiten.«
»Dann fange ich eben an, sie zusammenzukaufen, Thom.
Wenn wir aufbrechen müssen, werden wir genug beisammen haben. Ich wette, ich kann hier ein paar gute Tiere finden. Auch Vanin hat ein gutes Auge. Keine Sorge. Ich sorge dafür, dass er sie auch bezahlt.« Thom nickte zweifelnd. Er war nicht so davon überzeugt, dass sich Vanin so sehr verändert hatte.
»Kommt Aludra mit uns?«, fragte der weißhaarige Mann kurze Zeit später. »Sie wird ihre ganzen Sachen mitnehmen wollen. Dafür brauchen wir noch mehr Lastpferde.«
»Wir haben Zeit, Thom. Es ist noch weit bis zur Grenze von Murandy. Ich wollte nach Norden nach Andor oder nach Osten, falls Vanin einen Weg durch die Berge kennt. Osten wäre besser.« Vanin würde nur Schmugglerpfade kennen, der Fluchtweg eines Pferdediebes. Dort würde die Wahrscheinlichkeit viel geringer sein, unliebsame Begegnungen zu erleben. Die Seanchaner konnten in Altara überall sein, und der Weg nach Norden brachte ihn näher an das Heer, als ihm lieb war.
Tuon und Selucia kamen zurück, und er stand auf und nahm Tuons Umhang vom Stuhl. Auch Thom erhob sich und griff nach Selucias Umhang. »Wir gehen«, sagte Mat und versuchte Tuon den Umhang auf die Schultern zu legen. Selucia riss ihn ihm aus den Händen.