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»Ich habe aber noch gar keinen Kampf gesehen«, protestierte Tuon viel zu laut. Einige Leute drehten sich um, um sie anzustarren, Kaufleute und Mägde.

»Ich erkläre es draußen«, sagte er leise. »Weitab von neugierigen Ohren.«

Tuon sah ausdruckslos zu ihm hoch. Er wusste, dass sie zäh war, aber sie war so winzig, wie eine hübsche Puppe, dass man leicht auf den Gedanken kommen konnte, sie würde zerbrechen, wenn man sie zu grob anfasste. Er würde tun, was auch immer erforderlich war, um sicherzugehen, dass sie nicht in Gefahr geriet, zerbrochen zu werden. Was auch immer erforderlich war. Schließlich nickte sie und ließ sich von Selucia den blauen Umhang umlegen. Thom wollte das Gleiche für die blonde Frau tun, aber sie nahm ihm den Umhang ab und legte ihn sich selbst um. Mat konnte sich nicht daran erinnern, jemals gesehen zu haben, dass sie sich dabei helfen ließ.

Die gewundene Gasse draußen war menschenleer. Ein brauner Hund betrachtete sie misstrauisch, dann trottete er um die nächste Biegung. Mat wählte genauso schnell die andere Richtung und erklärte dabei alles. Falls er Staunen oder Entsetzen erwartet hätte, wäre er enttäuscht worden.

»Es könnten Ravashi oder Chimal sein«, sagte die kleine Frau nachdenklich, als wäre es bloß eine nette Abwechslung, dass ein ganzes seanchanisches Heer sie töten wollte. »Meine beiden Schwestern, die alt genug sind. Aurana ist dazu vermutlich noch zu jung, sie ist erst acht. Ihr würdet sagen vierzehn. Chimal ist nicht ambitioniert genug, aber Ravashi ist schon immer der Meinung gewesen, man hätte besser sie ernannt, nur weil sie älter ist. Sie könnte jemanden geschickt haben, um Gerüchte in die Welt zu setzen für den Fall, dass ich eine Zeit lang verschwinde. Das ist wirklich ziemlich schlau von ihr. Falls sie es ist.« So kühl, als würden sie sich über das Wetter unterhalten und ob es regnen würde.

»Man könnte diese Verschwörung leicht aus der Welt schaffen, wäre die Hochlady im Tarasin-Palast, wo sie hingehört«, sagte Selucia, und Tuons kühle Blasiertheit verschwand augenblicklich.

Oh, ihre Miene wurde so kalt wie die eines Henkers, aber sie fuhr zu ihrer Dienerin herum, und ihre Finger blitzten so schnell auf, dass sie eigentlich hätten Funken sprühen müssen. Selucia wurde leichenblass; sie sank auf die Knie und senkte den Kopf, blieb zusammengeduckt dort hocken. Ihre Finger bewegten sich nur kurz, und Tuon ließ die Hände sinken und schaute schwer atmend auf den von einem Schal verhüllten Kopf. Einen Moment später beugte sie sich vor und zog ihre Dienerin auf die Füße. Ganz nahe bei ihr stehend sagte sie etwas sehr Knappes in der Fingersprache. Selucia gab eine stumme Antwort, Tuon wiederholte die Gesten, und sie wechselten ein zittriges Lächeln. Tränen funkelten in ihren Augen. Tränen!

»Verratet ihr mir, worum es dabei ging?«, sagte Mat. Sie wandten ihm die Köpfe zu.

»Wie sehen Eure Pläne aus, Spielzeug?«, fragte Tuon schließlich.

»Nicht Ebou Dar, falls Ihr das meint, mein Juwel. Wenn ein Heer Euch töten will, dann wollen es vermutlich alle, und zwischen hier und Ebou Dar gibt es zu viele Soldaten. Aber sorgt Euch nicht; ich werde eine Möglichkeit finden, Euch sicher zurückzubringen.«

»Also denkt Ihr immer…« Ihr Blick glitt an ihm vorbei, ihre Augen weiteten sich, und er schaute über die Schulter und sah sieben oder acht Männer um die letzte Biegung kommen. Jeder Mann hielt ein blankgezogenes Schwert in der Hand. Bei seinem Anblick beschleunigten sich ihre Schritte.

»Tuon, lauf!«, rief er und wirbelte zu seinen Angreifern herum. »Thom, schaff sie hier weg!« Messer glitten aus den Ärmeln in seine Hände, und er warf sie beinahe gleichzeitig. Die Klinge aus der linken Hand traf einen ergrauenden Mann ins Auge, die aus der rechten einen dürren Burschen in den Hals. Sie stürzten, als wären ihre Knochen geschmolzen, aber bevor ihre Schwerter auf das Straßenpflaster klirrten, hatte er bereits zwei neue Messer aus den Stiefelschäften gerissen und rannte auf sie zu.

Sie wurden völlig überrascht, weil sie so schnell zwei der ihren verloren hatten und er die Distanz überbrückte, statt zu fliehen. Aber da er so schnell näher kam und sie sich in der schmalen Straße gegenseitig nur im Weg standen, verloren sie größtenteils den Vorteil, den ihnen ihre Schwerter über seine Messer gaben. Aber leider nur größtenteils. Seine Klingen konnten ein Schwert abwehren, aber er stach nur zu, wenn jemand zu einem Stoß ausholte. In kürzester Zeit hatte er eine prächtige Sammlung von Schrammen, an den Rippen, der linken Hüfte, auf der rechten Wange — ein Schnitt, der ihm den Hals aufgeschlitzt hätte, hätte er ihn nicht gerade noch rechtzeitig zur Seite gerissen. Aber bei einem Fluchtversuch hätten sie ihn von hinten niedergemacht. Am Leben und blutend war besser als tot.

Seine Hände bewegten sich so schnell wie nie, kurze Bewegungen, beinahe zierlich. Angeberei hätte ihn umgebracht. Ein Messer drang in das Herz eines fetten Kerls und wieder hinaus, bevor der Bursche in die Knie sackte. Er schnitt in die Ellenbeuge eines Mannes, der wie ein Schmied gebaut war, der sein Schwert fallen ließ und unbeholfen mit der linken Hand sein Gürtelmesser zog. Mat ignorierte ihn; der Kerl taumelte bereits durch den Blutverlust, bevor seine Klinge aus der Scheide war. Ein Mann mit kantigem Gesicht keuchte auf, als Mat ihm den Hals unter dem Ohr aufschlitzte. Er drückte eine Hand auf die Wunde, schaffte aber nur zwei Schritte zurückzutaumeln, bevor er fiel. Da die Männer starben, gewannen die anderen an Raum, aber Mat bewegte sich noch schneller, tänzelte umher, dass ein stürzender Gegner ihn vor einem Schwerthieb beschützte, während er in den Schlag eines Dritten hineindrängte. Für ihn bestand die Welt nur aus seinen beiden Messern und den Männern, die sich gegenseitig im Weg standen, um ihn zu erwischen, und seine Klingen zielten nach den Stellen, wo man am heftigsten blutete. Einige dieser Erinnerungen stammten von Männern, die alles andere als nett gewesen waren.

Und dann, welch ein Wunder, heftig blutend, aber zu erhitzt, um den Schmerz schon vollständig zu spüren, stand er vor dem letzten Gegner, den er zuvor gar nicht bemerkt hatte. Sie war jung und schlank, trug zerlumpte Kleidung, und man hätte sie als hübsch bezeichnen können, wäre ihr Gesicht sauber und ihre Zähne nicht gebleckt gewesen. Der Dolch, den sie von Hand zu Hand warf, wies eine doppelseitig geschliffene Klinge von der zweifachen Länge seiner Hand auf.

»Du hast keine Chance, das zu Ende zu bringen, worin die anderen zusammen versagt haben«, sagte er zu ihr. »Lauf. Ich lasse dich unbeschadet gehen.«

Mit dem Aufschrei einer Wildkatze stürzte sie sich auf ihn, hieb und stach um sich. Er konnte nur unbeholfen rückwärts tänzeln und versuchen, sie abzuwehren. Sein Stiefel glitt in einer Blutpfütze aus, und als er stolperte, wusste er, dass er sterben würde.

Plötzlich war Tuon da, mit der linken Hand packte sie das Handgelenk der jungen Frau — leider nicht das Gelenk der Dolchhand — und verdrehte es, sodass der Arm gerade ausgestreckt nach hinten gerissen wurde. Das Mädchen war gezwungen, sich nach vorn zu krümmen. Und dann spielte es keine Rolle mehr, in welcher Hand sie den Dolch hielt, denn Tuons rechte Handkante blitzte wie eine Axt auf und traf ihre Kehle so hart, dass er Knorpel brechen hörte. Würgend griff sie nach ihrer zerstörten Kehle, dann sackte sie auf die Knie, kippte zur Seite, noch immer heiser nach Atem ringend.

»Ich habe dir gesagt, du sollst gehen«, sagte Mat, sich nicht sicher, wen der beiden er eigentlich meinte.

»Ihr habt Euch um ein Haar von ihr umbringen lassen, Spielzeug«, sagte Tuon ernst. »Warum?«

»Ich habe mir geschworen, nie wieder eine Frau zu töten«, erwiderte er müde. Sein Blut kühlte wieder ab, und beim Licht, er hatte Schmerzen! »Sieht so aus, als hätte ich diesen Mantel ruiniert«, murmelte er und fummelte an einem der blutbesudelten Schlitze herum. Die Bewegung ließ ihn aufstöhnen. Wann war er am linken Arm getroffen worden?