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Zitternd ging ich wieder nach unten. Nach all dem Ärger mit der launischen, unzuverlässigen Heizung hatte ich mich daran gewöhnt, hinterm Haus Holz zu hacken, mit dem wir den Kamin im Wohnzimmer fast rund um die Uhr am Brennen hielten. Ich schnappte mir ein paar frisch gehauene Klötze von der Terrasse und warf sie ins Feuer.

Nach ungefähr fünf Minuten loderte es beschaulich. Dann nahm ich eine Flasche Chivas aus unserem kärglich bestückten Spirituosenschrank in der Diele und goss einen Fingerbreit in ein schweres Kognakglas. Mit dem Rücken an der Wand hockte ich dann vorm Feuer und schaute dem Spiel der Flammen zu. Der Whiskey brannte im Hals und strahlte wohlige Wärme bis in meine Zehen aus.

Über eine Stunde verbrachte ich vor dem Kamin und sah zu, wie die Glut schwächer wurde beziehungsweise letztlich erstarb, während ich die Konversation mit Adam bei Tooey Revue passieren ließ. Ich hatte ihm freimütig gestanden, dass Kyle in London aus meinem Gedächtnis verschwunden war, und wie miserabel ich mich deshalb fühlte. Das war die Wahrheit. Doch die Rückkehr in die Staaten und unser Einzug in Westlake – in ein altes Haus voller Geflüster, voller Geheimnisse und kalter Hände, die mir nachts an die Brust fassten – hatten alles wieder aufgewühlt. War die kleine Londoner Wohnung ein sicheres Refugium gewesen, war ich nun bemüht, meinen Kopf frei zu halten. Was mich ängstigte, war die Unsicherheit, ob mich tatsächlich nur die Erinnerung an Kyle plagte – oder die Möglichkeit, dass etwas anderes an mir nagte, mich langsam bearbeitete wie ein Steinmetz und schlussendlich niederrang.

Sie hatten Elijah Dentman nie gefunden, und das bedeutete, dass sein Leichnam immer noch dort unten im stillen, schwarzen Wasser war – mit weißlich aufgeblähter Haut, an der sich die Fische gütlich taten und die Augen tief in den Schädel zurückgewichen waren. Geistig vor mir sah ich schwarz gewordene Fingerspitzen, aus denen die Knochen bereits herausragten, und grünes Haar, das wie Seetang auf einem düster leuchtenden Schädel im Schlick waberte.

Fuck, dachte ich.

Ich stand auf und ging zurück an den Schrank, wo ich den Chivas abstellte, dann wandte ich mich zurück zur Treppe.

Irgendwo im Haus schallte etwas Metallisches. Das Geräusch hallte wider und klang so, als schlüge jemand mit einem Schraubschlüssel gegen ein starres Eisenrohr.

Auf halbem Weg die Stufen hinauf hielt ich inne. Mein Puls fing zu rasen an.

Es knallte ein zweites Mal, jetzt erschreckend laut und direkt aus einem der Heizungsrohre. Ein Pfeifen wie aus der Ferne schloss sich an, was mich an die Sirene eines nahenden Feuerwehrautos erinnerte. Dann plötzlich schwoll der Lärm weiter an, wuchs sich zu einem steten, tiefen Brummen aus.

Ich machte kehrt und ging im Flur auf allen Vieren nieder, um meinen Kopf dicht über einen der Lüftungsschlitze zu halten. Daraus stieg keine Wärme auf, obwohl es gerade so geklungen hatte, als sei die Heizung angesprungen. Dieses befremdliche, fortwährende Brummen …

Es klang wie eine Stimme.

Irgendein Teil meiner selbst, der sich für die animalischen Instinkte am Grunde meiner Seele verantwortlich zeigte, flammte auf und übernahm nun die Zügel. Ich presste ein Ohr an den Schlitz und lauschte – ein unbestimmter, langgezogener i-Laut, hinter dem ich allenthalben vage schwaches Wispern ausmachte –, dann vibrierte der Heizkessel und schaltete wieder ab. Das Stottern aus seinem Inneren tönte wie verebbendes Gelächter in einem übervollen Zuschauerraum. Jetzt erst, während ich immer noch mit dem Ohr am Metallgitter klebte, bemerkte ich, dass ich die Luft angehalten hatte. So atmete ich mit bebenden Lungen aus; einen Augenblick später war mir, als tat jemand auf der anderen Seite des Schlitzes das Gleiche.

Ich fuhr hoch, wobei mein Herz wie ein wildes Tier gegen die Rippen zu drängte, die es beengten.

Nach weniger als zehn Sekunden stand ich am Absatz der Kellertreppe und schaute hinunter in das unendliche, nicht fassbare Dunkel. Meine Hand am Türknauf schwitzte. »Genug«, sagte ich laut, obwohl meine Stimme kaum so bestimmt klang, wie ich es mir wünschte. »Das muss aufhören.«

Ich verharrte einen Augenblick, wollte mir aber nicht eingestehen, dass ich eine Art Antwort von unten befürchtete, sie aber auch dringlich erwartete, vielleicht ein flüchtiges Schaben oder sogar den Blick eines glühenden Augenpaares vom Fuß der Treppe. Nichts von alledem passierte.

Fröstelnd ging ich zu Bett.

Kapitel 14

»Ich will ein paar von Elijahs Sachen zurück zu seiner Mutter bringen«, sagte ich.

Die Sonne schien an diesem Morgen im Januar, und die Luft roch nach Mesquitebäumen. Adam und ich spazierten um den See. Jeder von uns hielt einen dampfenden Pappbecher Kaffee in der Hand. Vor uns tollten Jacob und Madison zwischen den Bäumen herum, lieferten sich eine Schneeballschlacht. Ihr Lachen klang wie Kirchenglocken. Im Vergleich zu den vergangenen Wochen war es milder geworden, doch das Eis auf dem See war nach wie vor dick und sah nicht so aus, als werde es allzu bald schmelzen. Der unverhofft klare Himmel zeichnete die Gebirgskette am Horizont reliefartig scharf nach.

Adam nippte an seinem Kaffee und fuhr gleich darauf mit dem Handrücken über seinen Mund. »Wieso?« Er blickte hinaus auf den gefrorenen See und die Reihen Schwarzkiefern am Gegenufer. Seine stahlblauen Augen blickten nüchtern. Weiß dampfender Atem quoll zwischen seinen aufgesprungenen Lippen heraus.

»Schwer zu erklären«, erwiderte ich. »Ich habe einfach das Gefühl, es tun zu müssen – für mich selbst, vielleicht aber auch für die Mutter.«

Er strafte mich mit einem strengen Blick.

Ich fügte schnell an: »Es geht darum, einen Mittelweg zu finden, denk daran. Das Glück liegt in der Ausgewogenheit, über das wir bei Tooey gequatscht haben.«

»Warum erzählst du mir das?«

»Weil ich annehme, du weißt, wo Veronica Dentman lebt. Zumindest könntest du es für mich herausfinden, denn immerhin bist du Polizist.«

Sein Lachen donnerte wie ein Feuerwerkskörper.

»Was denn? Bin ich ein Arschloch, nur weil ich etwas tun möchte, von dem ich glaube, dass es eine hehre Sache ist?«

»Das haben wir schon durchgekaut. Veronica Dentman ließ dieses Zeug aus gutem Grund zurück. Ob du ihre Entscheidung gutheißt oder nicht, ist ehrlich gesagt ziemlich egal. Ich dachte, du hättest eine Räumungsfirma beauftragt, um die Sachen abzuholen.«

»Das wird noch eine Woche dauern«, antwortete ich. Es war gelogen, denn erst am Morgen hatte ich die Leute wieder angerufen und abgesagt. Jodie wusste nichts davon, und auch Adam sollte es nicht erfahren. Nach dem, was in der Nacht geschehen war, sowie allen anderen Vorkommnissen im Zusammenhang mit unserem Umzug nach Westlake hielt ich es für unangebracht, dass Fremde einmarschierten und Elijahs persönliche Gegenstände sehr wahrscheinlich zerstörten.

»Ich halte das für eine schlechte Idee.«

»Da irrst du dich.«

»Tu ich nicht. Ich denke, du übertrittst eine Grenze, indem du dich in anderer Leute Leben einmischst. Diese Frau hat ihren Sohn letztes Jahr verloren; als sie all die Kartons zurückließ, wusste sie genau, was sie tat.«

»Siehst du? Exakt darum geht es«, konterte ich. »Ich glaube, dass sie es eben nicht wusste. Gut, vielleicht war es zu jener Zeit am besten für sie, sich auf diese Weise Luft zu verschaffen, aber nachdem nun eine Weile verstrichen ist, würde sie sich bestimmt darüber freuen, die Sachen wiederzubekommen.«

»Wer bist du, Dr. Phil?«

»Ich meine es ernst. Was ist, wenn sie es bereut, den Kram nicht mitgenommen zu haben? Falls sie es im Nachhinein als kapitalen Fehler ansieht, für den sie sich selbst hasst?«

»Auch wenn dem so wäre: Was kümmert es dich?«

Weil etwas in diesem Haus wollte, dass ich das Zimmer fand, hätte ich fast gesagt. Ich stieß aus gutem Grund auf all diese Dinge.