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Als wir glücklich draußen waren, gingen wir eine Zeitlang zu Fuß weiter, hielten aber dabei Ausschau nach einem geeigneten Fahrzeug. Nach einer Meile Weges fanden wir eines: einen Lieferwagen, höchst zweckmäßig für den Plan, den ich im Sinn hatte.

In Clerkenwell hat man sich seit zwei, drei Jahr-hunderten mit der Erzeugung von Präzisionsinstrumenten befaßt. Die kleine Werkstätte, wo ich früher zuweilen von Berufs wegen zu tun hatte, brauchte ich nicht lange zu suchen, und ich hatte mir auch bald Einlaß verschafft. Als wir wegfuhren, geschah es mit dem Gefühl größerer Sicherheit, hatten wir doch im Laderaum unseres Wagens einige vortreffliche Triffidflinten samt der nötigen Munition, ein paar tausend Stück jener kleinen Stahlscheiben sowie einige Drahtmasken verstaut.

»Und jetzt – Kleider?« schlug Josella vor.

»Vorläufiger Plan, offen für Kritik und Verbesserung«, antwortete ich. »Punkt eins: eine Art Absteigequartier, wo wir ausruhen und sprechen können.

Ich habe an eine leerstehende Wohnung gedacht.

Sollte nicht schwer zu finden sein. Wir könnten uns dort etwas erholen und einen Feldzugsplan entwerfen.

Dann zu Punkt zwei: die Kleiderfrage. Hier ist es vielleicht besser, wenn jeder seine eigenen Wege geht.

Nur heißt es aufpassen, damit wir in unser Quartier zurückfinden.«

»Ja«, sagte sie etwas unsicher.

»Es wird schon gehen«, beruhigte ich sie. »Sie müssen sich's nur zur Regel machen, zu niemand zu sprechen, und man wird nicht merken, daß Sie sehen können. Nur weil Sie ganz unvorbereitet waren, sind Sie in die Patsche geraten.

Triffids werden Sie in der Innenstadt nicht treffen – wenigstens jetzt noch nicht.«

»Und nach den Kleidern?« fragte Josella zögernd.

»Punkt drei ist ganz eindeutig: Essen«, erklärte ich.

Wie ich erwartet hatte, gab es bei der Quartierbeschaffung keine besonderen Schwierigkeiten. Wir parkten, nachdem wir den Wagen versperrt hatten, mitten auf der Fahrbahn vor einem einigermaßen pompösen Wohnblock und stiegen in den dritten Stock hinauf. Der Vorgang war einfach. Wir klopften oder klingelten, antwortete jemand, gingen wir weiter. Beim viertenmal blieb es still. Ein kräftiger Stoß mit der Schulter sprengte das Türschloß, und wir waren in der Wohnung.

Wir befanden uns in einer modernst eingerichteten Wohnung. Höchste Eleganz war die Grundnote. Nirgends war gegen den guten Geschmack gesündigt.

Ich wandte mich zu Josella, die das alles mit großen Augen anstarrte.

»Nehmen wir vorlieb mit dem Gebotenen, oder suchen wir etwas anderes?«

»Oh, ich denke, wir bleiben hier«, gab sie zur Antwort. Und dann wateten wir zusammen über den kostbaren cremefarbenen Teppich auf Erkundung.

Ohne es zu beabsichtigen, hatte ich das beste Mittel entdeckt, Josella von den Ereignissen des Tages abzulenken. Immer wieder blieb sie mit einem Ausruf stehen; bald war es Bewunderung, bald Neid, Freude, Verachtung, hie und da – es soll nicht verheimlicht werden – auch Bosheit. An der Schwelle eines Zimmers, dessen Ausstattung eine aggressiv weibliche Note zeigte, erklärte sie:

»Hier werde ich schlafen.«

»Lieber Himmel!« sagte ich. »Nun, über Geschmack läßt sich nicht streiten.«

Wir beendeten unseren Rundgang; das übrige erwies sich als weniger sensationell. Dann ging sie, um die Kleiderfrage zu regeln. Ich prüfte die Wohnung nochmals auf ihre Vorzüge und Nachteile und startete danach ebenfalls zu meiner Expedition.

Ich brauchte länger, als ich vorausgesehen hatte, bis ich alles Nötige beisammen hatte. Erst nach etwa zwei Stunden kehrte ich zurück. Ich ließ ein, zwei Stücke aus meiner Ladung fallen, als ich die Tür aufmachte. Josella rief mit etwas Nervosität in der Stimme aus ihrem hyperfemininen Schlafzimmer.

»Nur ich«, beruhigte ich sie, als ich mit meiner Last den Flur entlangschritt.

Ich stellte sie in der Küche ab und ging zurück, um die Sachen zu holen, die mir heruntergefallen waren.

Vor dem Schlafzimmer hielt ich an.

»Sie können jetzt nicht herein«, sagte Josella durch die Tür. »Wollte ich auch nicht«, entgegnete ich. »Ich wollte nur wissen: können Sie kochen?«

»Bis zu gekochten Eiern reicht es«, ertönte ihre gedämpfte Stimme.

»Meine Ahnung! Wir werden eine ganze Menge lernen müssen«, warnte ich sie.

Ich kehrte in die Küche zurück. Stellte den mitgebrachten Petroleumkocher auf den nutzlosen Elektroherd und machte mich an die Arbeit.

Nachdem ich den kleinen Tisch im Salon für zwei Personen gedeckt hatte, war ich mit dem erreichten Effekt ziemlich zufrieden, verbesserte ihn noch mit ein paar Kerzen und Leuchtern, die ich bereitstellte.

Von Josella war noch immer nichts zu sehen, vor einer Weile allerdings hatte ich das Geräusch von fließendem Wasser gehört. Ich rief.

»Komme schon«, antwortete sie.

Ich schlenderte zum Fenster hinüber und sah hinaus. Ich begann, Abschied zu nehmen von all dem, was da sichtbar war. Die Sonne stand tief. Die steinernen Türme, Giebelspitzen und Fassaden schimmerten weiß oder rosig vor dem verdämmernden Himmel. Mehr Brände waren da und dort ausgebrochen. Dicker schwarzer Qualm schob sich in die Höhe; am Grunde züngelte manchmal eine Flamme auf.

Nicht lange, sagte ich mir, und ich sah dieses vertraute Bild zum letzten Male. Vielleicht schon morgen. Wohl mochte eine Zeit kommen, da man zurückkehren konnte. Aber man würde alles verändert finden.

Ich stand und schaute. Noch wollte das Herz nicht glauben, was dem Kopf einleuchtete. Noch immer wehrte sich mein Gefühl gegen die Ungeheuerlichkeit des Geschehens.

Ich sah noch immer hinaus, als ich hinter mir ein Geräusch hörte. Ich drehte mich um. Josella war eingetreten. Sie trug ein langes Abendkleid aus blaßblau getöntem Georgette und ein Jäckchen aus weißem Zobel. Im Ausschnitt ihres Kleides blitzte eine Dia-mantenbrosche und kleinere Steine funkelten an ihren Ohrgehängen. Haar und Gesicht schimmerten, als wäre sie eben aus einem Schönheitssalon gekommen.

Als sie über den Fußboden schritt, glitzerte es silbern von ihren Schuhen und ein Stück der spinnwebdünnen Strümpfe wurde sichtbar. Ich starrte sie wortlos an. Das Lächeln um ihren Mund erlosch.

»Gefällt es Ihnen nicht?« fragte sie kindlichenttäuscht.

»Doch, es gefällt mir – Sie sind schön«, sagte ich.

»Ich war nur nicht gefaßt auf so etwas ...«

Worte, die nicht genügten. Ich wußte, daß sie sich nicht für mich schön gemacht hatte. Ich fragte:

»Eine Abschiedsfeier?«

Ein anderer Ausdruck kam in ihre Augen.

»Sie verstehen mich also. Ich habe es gehofft.«

»Ich bin froh, daß Sie auf diesen Gedanken gekommen sind. Es wird später einmal eine schöne Erinnerung sein«, sagte ich. Ich nahm sie bei der Hand und führte sie ans Fenster.

»Ich habe auch Abschied genommen – von all dem.«

Lange schauten wir so hinaus, gedankenverloren.

Dann seufzte sie. Sie blickte an ihrem Kleid hinunter und streifte mit den Fingerspitzen über die zarte Seide.

»Ich bin wohl dumm? Götterdämmerung?« Um ihren Mund zuckte ein schmerzliches Lächeln.

»Nein«, sagte ich. »Sie haben einen guten Gedanken gehabt, und ich danke Ihnen. Es ist eine Mahnung, daß mit dem, was nun untergeht, auch vieles Schöne versinkt. Sie hätten mir kein schöneres Bild vor Augen bringen können.«

Der schmerzliche Ausdruck in ihrem Lächeln verschwand.

»Danke, Bill.« Sie schwieg. Dann sagte sie: »Habe ich mich bei Ihnen schon bedankt? Ich glaube nicht.