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Wenn Sie nicht gewesen wären ...«

Ich fiel ihr ins Wort. »Und wenn Sie nicht gewesen wären, läge ich jetzt wahrscheinlich jämmerlich angetrunken in einer Bar. Ich bin Ihnen nicht weniger Dank schuldig. Alleinsein ist jetzt für uns nicht gut.«

Ich änderte das Thema und fügte hinzu: »Was Getränke anlangt, so gibt es hier noch einen famosen Amontillado und eine Reihe anderer Sorgenbrecher.

Mit dieser Wohnung haben wir einen Haupttreffer gemacht.« Ich schenkte den Sherry ein, und wir hoben die Gläser.

»Auf Gesundheit, Kraft und Glück«, sagte ich.

Sie nickte. Wir tranken.

Als wir eine offensichtlich sündteure Pastete in Angriff nahmen, fragte Josella: »Und wenn nun plötzlich der Wohnungsinhaber hereinkäme?«

»Wir wären ihm jedenfalls eine Erklärung schuldig.

Aber ich glaube, der Fall ist unwahrscheinlich. Und er oder sie wären sicher froh, jemand zu haben, der sehen kann, was in den verschiedenen Flaschen ist.«

»Ja«, stimmte sie nachdenklich zu, »der Fall ist unwahrscheinlich. Ich möchte nur wissen –« Sie ließ den Blick durch das Zimmer schweifen, bis er an einer gerillten Konsole haften blieb. »Haben Sie schon das Radio probiert – das Ding dort ist ja wohl ein Radio, nicht?«

»Zugleich Fernsehempfänger«, erklärte ich. »Aber außer Betrieb. Kein Strom.«

»Richtig. Daran dachte ich nicht.«

»Unterwegs habe ich einen Batterieempfänger probiert«, sagte ich. »Nichts zu machen. Alle Rundfunk-sender sind still wie das Grab.«

»Es ist also überall so wie hier?«

»Ich fürchte es. Nur im Zweiundvierzigmeterband ließ sich ein unentwegtes Zirpen hören. Irgendein armer Teufel, der Funkverbindung zu kriegen versuchte. Sonst alles still.«

»Es – es wird furchtbar werden, Bill, nicht?«

»Es wird – nein, ich will mir nicht den Appetit verderben«, entgegnete ich. »Reden wir von etwas anderem. Erzählen Sie doch etwas von sich, bitte.«

»Gut«, antwortete sie. »Ich bin etwa drei Meilen von hier zur Welt gekommen. Zur lebhaften Enttäuschung meiner Mutter.«

Ich zog die Brauen in die Höhe.

»Sie wollte mich auf amerikanischem Boden zur Welt bringen. Aber der Wagen zum Flugplatz kam zu spät. Meine Mutter war immer voller Einfälle, und ich glaube, ich habe etwas von ihr.«

So plauderte sie weiter. Ihre Jugendgeschichte war nicht sehr bemerkenswert, aber das Erzählen heiterte sie auf und ließ sie für eine Weile vergessen, wo wir waren. So berichtete sie von ihren Kindertagen, der Schulzeit und ihren Mädchenjahren.

»Mit neunzehn hätte ich beinahe geheiratet«, gestand sie, »und wie froh bin ich jetzt, daß nichts daraus wurde. Damals freilich dachte ich anders. Es gab einen schrecklichen Krach mit Papa, er sorgte, daß die Sache ein Ende hatte; er durchschaute Lionel von Anfang an und ...«

»Lionel?« unterbrach ich sie.

»So hieß er; ein ganz billiger Salonschlurf. Nach dem Krach zog ich von daheim weg und quartierte mich bei einer Freundin ein, die eine eigene Wohnung hatte. Und meine Eltern sperrten mir jede Unterstützung. Aber bei meiner Freundin schmarotzen, das ging auch nicht. Ich mußte mir Geld verschaffen, und daher schrieb ich das Buch.«

Ich traute meinen Ohren nicht.

»Das Buch?«

»Ja, ich habe ein Buch geschrieben.«

Sie blickte mich an und lächelte.

»Es war natürlich kein sehr gutes Buch, wie Sie sich denken können, keine hohe Literatur, aber es erfüllte seinen Zweck.«

»Es wurde veröffentlicht?«

»Sicher. Und ich verdiente viel Geld damit. Die Filmrechte –«

»Was für einen Titel hatte es?« fragte ich neugierig.

»Es hieß: ›Liebe ist mein Abenteuer‹.«

Ich starrte sie an und schlug mir die Hand vor die Stirn.

»Natürlich: Josella Playton. Deshalb kam mir der Name so bekannt vor. Sie haben dieses Buch geschrieben?« fragte ich ungläubig.

Seltsam, daß sie mir das erst sagen mußte. Ihr Bild war überall zu sehen gewesen, und auch das Buch hatte man überall sehen können. Zwei große Lesezir-kel hatten es, vermutlich allein schon wegen des Titels, in Acht und Bann erklärt. Damit war der Erfolg gesichert, und die Auflagenziffer erklomm die Hunderttausendgrenze.

»Haben Sie es gelesen?« fragte sie.

Ich schüttelte den Kopf. Sie seufzte.

»Komisch die Menschen. Sie kennen nur den Titel und die Sensation und sind schockiert. Der Titel allein ist doch nicht alles. In Wirklichkeit war es ein ganz harmloses Büchlein. Mischung aus himmelblauer Romantik und rosenrotem oder grasgrünem Zynismus, unreif und altklug. Gut war der Titel.«

»Fragt sich, was hier unter ›gut‹ zu verstehen ist«, warf ich ein. »Noch dazu veröffentlichten Sie es unter Ihrem eigenen Namen.«

»Das war ein Fehler«, gab sie zu. »Ich ließ mich von den Verlegern überreden. Sie behaupteten, es sei besser für die Propaganda. Von ihrem Standpunkt aus hatten sie ja auch recht. Eine Zeitlang stand ich wirklich im Rampenlicht. Leute, die mir ganz und gar unsympathisch waren, begannen mir förmlich die Tür einzurennen. Um sie loszuwerden und weil ich bewiesen hatte, daß ich unabhängig sein konnte, kehrte ich nach Hause zurück.

Aber mit dem Buch hatte ich mir doch etwas eingebrockt. Immer wieder suchten sich mir Leute zu nähern, die mir unsympathisch waren. Und die netten waren ängstlich oder schockiert. Und dabei war das Buch alles andere als ruchlos – eine billige Effekthascherei im Grunde; jeder vernünftige Mensch hätte das sehen müssen.«

Sie hielt inne. Es lag mir auf der Zunge, ihr zu sagen, daß die vernünftigen Leute wahrscheinlich dachten: wie das Buch, so der Autor. Ich unterdrückte diese Bemerkung.

»Nachher war alles wie verhext«, klagte sie. »Um eine Art Ausgleich zu schaffen, fing ich ein neues Buch an. Es blieb zum Glück liegen – es wäre bitter und unerquicklich geworden.«

»Und nun«, schlug ich vor, »ist es Zeit, eine Art Feldzugsplan zu entwerfen. Darf ich ein paar allgemeine Bemerkungen vorausschicken?«

Wir hatten es uns in zwei üppigen Lehnsesseln bequem gemacht. Auf dem niederen Tischchen zwischen uns standen die Mokkamaschine und zwei Gläser. Das Josellas war das kleine mit dem Cointreau.

Das plutokratische Kelchglas mit dem unbezahlbaren Brandy war für mich. Josella blies ein Rauchwölkchen in die Luft und nippte an ihrem Glas. Sie genoß das Aroma; dann sagte sie:

»Okay; schießen Sie los.«

»Wir dürfen uns nichts vormachen. Wir müssen fort. Und zwar möglichst bald. Man kann schon jetzt sehen, was hier passieren wird. Noch ist Wasser da.

Nicht mehr lange. Dann wird die ganze Stadt zu stinken anfangen wie eine Kloake. Schon jetzt liegen Leichen in den Straßen – jeden Tag werden es mehr sein.« Sie schauderte. Ich hatte vergessen, daß ich hier eine frische Wunde berührte. Rasch fügte ich hinzu:

»Cholera, Typhus, Gott weiß was, kann jederzeit ausbrechen. Wir müssen vorher fort.«

Sie nickte zustimmend.

»Die nächste Frage wäre: wohin? Haben Sie Vorschläge?« fragte ich.

»Jedenfalls irgendwohin, wo wir dem entgehen. An einen Ort, wo es Wasser gibt, etwa einen Brunnen.

Und dann, glaube ich, wird es gut sein, einen hochgelegenen Ort zu wählen mit reiner Luft und frischem Wind.«

»An Luft und Wind habe ich nicht gedacht«, sagte ich, »aber Sie haben recht. Hochgelegener Ort mit guter Wasserversorgung – so etwas läßt sich nicht im Handumdrehen finden.« Ich überlegte. Im Lake District? Zu weit weg. Und Wales? Exmoor oder Dartmoor vielleicht? Oder gleich nach Cornwall hinunter?

Um Land's End etwa, wo der vorherrschende Südwest reine Luft vom Atlantik brachte. Leider auch weit weg.

»In den Sussex Downs vielleicht?« meinte Josella.

»Ich kenne an der Nordseite ein nettes altes Bauernhaus, mit dem Blick nach Pulborough hinüber. Es liegt zwar nicht direkt auf der Höhe, aber doch ziemlich hoch. Ein Windrad pumpt das Wasser hinauf, auch haben sie eigenen Strom, glaube ich. Es ist alles umgebaut und modernisiert worden.«