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Es war nur ungefähr in meine Richtung gedreht.

»Hallo, Chef«, sagte der Mann nicht unfreundlich.

»Sind wir wieder auf dem Damm? Gedulden Sie sich ein Weilchen. Ich bringe gleich eine Tasse Tee.« Und er verschwand.

Ich brauchte wirklich nicht lange zu warten. Nach ein paar Minuten kehrte er zurück, eine Teekanne in der Hand.

»Wo sind Sie denn?« fragte er.

»Gerade vor Ihnen, im Bett«, erklärte ich.

Er tappte mit der Linken vorwärts bis ans Fußende des Bettes, tastete weiter und hielt mir die Kanne hin.

»Da haben Sie, Kollege. Wird ein bißchen komisch schmecken. Der alte Charlie hat nämlich einen Schuß Rum hineingetan. Schätze aber, es wird Ihnen nicht schaden.«

Ich nahm ihm die Kanne ab; es war schwierig, mit meinen zusammengeschnürten Händen das Gefäß zu halten. Der Tee war stark und süß und mit dem Rum war nicht gespart worden. Das Getränk schmeckte wohl etwas merkwürdig, aber es wirkte wie ein Lebenselixier.

»Danke«, sagte ich. »Sie sind ein Wundertäter. Bill ist mein Name.«

Der seine war Alf.

»Was wird hier gespielt, Alf?« fragte ich ihn.

Er setzte sich auf die Bettkante und hielt mir ein Paket Zigaretten und eine Schachtel Zündhölzer hin.

Ich nahm eine, zündete zuerst die seine und dann die meine an und gab ihm die Schachtel zurück.

»Die Sache ist die, Kamerad«, begann er. »Gestern früh ist es vor der Universität zu einem kleinen Radau gekommen. Waren Sie vielleicht dort?«

Ich sagte ihm, daß ich zugesehen hatte.

»Nachher war Coker – das war der Mann, der geredet hat – richtig böse. ›Okay‹, sagte er bissig. ›Die Hundsfötter wollen es nicht anders. Ich habe es zuerst im guten probiert. Jetzt müssen sie ausfressen, was sie sich eingebrockt haben.‹ Wir haben noch zwei Burschen und eine Alte bei uns gehabt, die sehen konnten, und die haben miteinander die Sache gedeichselt. Ist ein Kerl, der Coker.«

»Es war also eine Falle – kein Feuer?« fragte ich.

»Feuer – keine Spur! Die haben nichts weiter getan, als ein bißchen Stolperdraht gelegt, eine Menge Papier und Späne in der Halle angebrannt und dann mit der alten Glocke Alarm geläutet. Wir rechneten, daß die, die sehen konnten, als erste kommen würden, weil noch etwas Mondlicht da war. Und sie kamen auch. Coker und noch einer nahmen sie in Empfang, wie sie herunterstolperten, und machten sie k.o., und wir schleppten sie ab und hinaus zu unserem Lkw.«

»Hm«, sagte ich etwas bitter. »Scheint tüchtig zu sein, dieser Coker. Wie viele von uns Schafsköpfen sind ihm denn in die Falle geschlittert?«

»Glaube, wir haben zwei Dutzend erwischt, aber fünf, sechs Blinde darunter; das haben wir erst später bemerkt. Wir luden auf, was auf unserem Wagen Platz hatte, den Rest ließen wir liegen und hauten ab.«

Was immer Coker von uns halten mochte, Alf schien uns gegenüber keine Gehässigkeit zu fühlen.

Er schien die ganze Angelegenheit als eine Art Ulk anzusehen. Ich war zwar anderer Meinung, lüftete aber im Geist meinen Hut vor Alf. In seiner Lage hätte mir jeder Sinn für Humor gefehlt. Ich trank den Tee aus und ließ mir noch eine zweite Zigarette spendieren.

»Und wie lautet das weitere Programm?« fragte ich ihn.

»Cokers Idee ist, uns alle in Gruppen aufzuteilen, und einer von euch soll bei jeder Gruppe sein. Ihr sollt uns beim Organisieren helfen, sozusagen unsere Augen sein. Sollt uns so lange über Wasser halten, bis Rettung kommt.«

»Ich verstehe«, antwortete ich.

Alf hob den Kopf. Ihm konnte man nichts vormachen. Er hatte aus dem Tonfall meiner Antwort mehr herausgehört als aus den Worten.

»Sie glauben, das wird lange dauern?« sagte er.

»Keine Ahnung. Was meint Coker?«

Coker hatte sich anscheinend auf keine Details ein-gelassen. Doch Alf hatte sich eine eigene Meinung gebildet.

»Ich sage: es wird niemand kommen. Die müßten sonst schon da sein. Wäre was anderes, wenn sich's um irgendein Provinznest handelte. Aber London! Ist ja ganz klar, daß sie hier zuerst sein würden. Nein, wie ich es sehe, ist bis jetzt niemand gekommen, wird nie jemand kommen. Und warum? Weil keiner da ist, der kommen könnte. Menschenskind, wer hätte gedacht, daß so etwas passiert!«

Ich erwiderte nichts. Alf gehörte nicht zu denen, die man mit billigem Trost aufmuntern kann.

»So sehen Sie es doch auch?« fragte er nach einer kleinen Pause.

»Rosig sieht es ja nicht aus«, gestand ich. »Aber eine Möglichkeit ist immer noch da – vielleicht kommt Hilfe von auswärts ...«

Er schüttelte den Kopf.

»Müßte schon da sein. Lautsprecherwagen würden durch die Straßen fahren, und man würde uns Anweisungen geben, was wir tun sollen. Nein, Kollege, diesmal hat's uns erwischt: niemand wird von irgendwoher kommen. So steht die Sache.« Wir schwiegen eine Weile.

»Vorbei ist vorbei«, meinte er. »War gar nicht so übel, das alte Leben, hat sich gelohnt, solange es dauerte.«

Wir unterhielten uns noch ein wenig über das Leben, das er geführt hatte. Er hatte sich in mehr als einem Beruf versucht, jeder war, wie es schien, mit einer interessanten Untergrundtätigkeit verbunden gewesen. Er zog die Bilanz:

»Im großen und ganzen bin ich auf meine Rechnung gekommen. Was haben Sie getan?«

Ich sagte es ihm. Imponierte ihm nicht sehr.

»Triffids, puh! Scheußliche Dinger, eigentlich unnatürlich, kommt mir vor.«

Damit ließen wir es gut sein.

Alf ging, und ich blieb mit meinen Gedanken und einem Paket Zigaretten allein. Ich dachte über die Lage nach. Sie gefiel mir nicht. Gern hätte ich gewußt, was die anderen dazu sagten. Insbesondere Josella.

Ich stieg aus dem Bett und trat ans Fenster. Keine erfreuliche Aussicht. Ein schmaler Lichthof, glatte, weiße Mauern ringsum, vier Stock tief unten ein Glasdach. In dieser Richtung war nicht viel zu machen. Alf hatte zwar die Tür hinter sich abgesperrt, ich probierte auf alle Fälle. Nichts in dem Zimmer brachte mich auf einen Einfall. Ein leeres Zimmer in einem drittrangigen Hotel. Vollkommen leer bis auf das Bett. Ich setzte mich wieder auf das Bett und überlegte. Ich konnte es vielleicht mit Alf aufnehmen; auch mit meinen gebundenen Händen. Falls er kein Messer hatte. Aber wahrscheinlich hatte er eins, und das konnte unangenehm werden. Ein Blinder durfte mit einem Messer nicht bloß drohen, das war klar, er mußte es gebrauchen. Und vorher mußte ich mich vergewissern, welch weitere Hindernisse zu überwinden waren, ehe ich ins Freie gelangte. Überdies hatte ich nichts gegen Alf. Das klügste schien: ab-warten. Für einen Sehenden unter Blinden mußte sich doch einmal eine Gelegenheit ergeben.

Eine Stunde später kam Alf wieder mit einem Teller voll Essen, einem Löffel und weiterem Tee.

»Rauh, aber herzlich«, entschuldigte er sich. »Messer und Gabel sind verboten. Müssen sich eben so behelfen.«

Beim Essen erkundigte ich mich nach den anderen.

Er kannte keine Namen und konnte mir daher nicht viel sagen, aber er berichtete, daß man auch Frauen hergebracht hatte. Nachher blieb ich einige Stunden allein; ich verschlief sie, um auf die Art meine Kopfschmerzen loszuwerden.

Als Alf wieder aufkreuzte mit weiterem Essen und der unvermeidlichen Teekanne, kam er nicht allein.

Coker begleitete ihn. Er sah etwas müder aus als an dem Tag, da ich ihn das erstemal erblickt hatte. Er trug ein Bündel Papiere unter dem Arm. Er schaute mich prüfend an.

»Sie wissen Bescheid?« fragte er.

»Was Alf mir erzählt hat«, antwortete ich.

»Gut.« Er legte den Stoß Papier aufs Bett, nahm das oberste Blatt und entfaltete es. Es war eine Straßenkarte von London und Umgebung. Er wies auf eine mit dicken blauen Bleistiftstrichen eingerahmte Stelle, die einen Teil von Hampstead und Swiss Cottage umschloß.

»Das ist euer Gebiet«, erklärte er. »In diesem Revier arbeitet Ihre Gruppe und wechselt in kein anderes hinüber. Nicht alle können die gleiche Stelle abgrasen. Ihre Aufgabe ist es, innerhalb dieses Reviers Lebensmittel aufzustöbern für Ihre Gruppe – und was sie sonst braucht. Verstanden?«