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»Wieder ein Zufall? Oder wollten sie nachsehen, was mit der ersten passiert war?« fragte Coker.

Wir fuhren, nach Verlassen des Dorfes, auf schmalen Nebenstraßen landein. Ich glaubte, nun mehr Triffids zu sehen als auf unserer früheren Fahrt – oder waren sie mir vorher nur nicht aufgefallen? Möglich, daß wir ihnen auf den Hauptstraßen, die wir bisher benutzt hatten, seltener begegnet waren. Harter Boden sagte ihnen nicht zu, das wußte ich aus Erfahrung. Allmählich aber gewann ich die Überzeugung, daß wir wirklich mehr zu sehen bekamen; auch schien mir, daß sie uns irgendwie spürten; doch war nicht festzustellen, ob die Pflanzen, die wir von Zeit zu Zeit über die Felder heranstelzen sahen, diese Richtung nicht nur zufällig eingeschlagen hatten.

Entscheidender war ein anderer Zwischenfall. Ich fuhr eine Hecke entlang, als eine auf mich lospeitschte. Zum Glück verfehlte sie ihr Ziel und traf die Windschutzscheibe, wo ihre Spur in feinen Giftspritzern zurückblieb. Ehe sie nochmals zuschlagen konnte, war ich vorüber. Aber ich fuhr nun, ungeachtet der Hitze, mit geschlossenem Fenster.

In letzter Zeit hatte ich an die Triffids nur gedacht, wenn ich ihnen begegnete: im Haus von Josellas Vater, beim Angriff auf meinen Trupp in Hampstead Heath. Andere Sorgen bedrängten mich. Wenn ich mir nun unsere Fahrt ins Gedächtnis rief, die Lage in Tynsham vor Miß Durrants Ankunft und den Zustand der Dörfer, durch die wir gekommen waren, mußte ich mich ernstlich fragen, welchen Anteil die Triffids am Verschwinden der Einwohner haben mochten.

Ich verlangsamte im nächsten Dorf das Tempo, um mich aufmerksam umzusehen. In mehreren Vorgärten lagen Leichen, wohl schon seit Tagen – und fast immer erspähte ich eine Triffid in der Nähe. Triffids lauerten allem Anschein nach nur dort, wo sie während der Wartezeit ihre Wurzeln in weichen Boden eingraben konnten. Selten sah man einen Toten und nie eine Triffid an Stellen, wo sich die Haustore unmittelbar auf die Straße öffneten.

Die Nahrungssuchenden waren also halbwegs in Sicherheit, solange sie auf dem Straßenpflaster blieben, verließen sie es, oder kamen sie an einem Zaun oder einer Gartenmauer vorüber, gerieten sie in den Bereich des Giftstachels. Manche mochten aufgeschrien haben, als sie getroffen wurden, und dann warteten die Zurückgebliebenen mit wachsender Furcht vergeblich auf ihre Heimkehr. Dann trieb der Hunger einen anderen hinaus. Einige hatten Glück und kamen wieder, aber die meisten verirrten sich und wanderten umher, bis sie vor Schwäche oder unter dem Schlag einer Triffid zusammenbrachen.

Vielleicht ahnten die Zurückgebliebenen etwas; hörten, wenn ein Garten in der Nähe war, das Schwirren des Stachels und standen vor der Alternative, im Haus zu verhungern oder das Schicksal der Ausgegangenen zu teilen. Viele blieben wohl dort, wo sie waren, verzehrten die vorhandenen Vorräte und warteten auf Hilfe, die niemals kam. Das mußte die Lage des Mannes im Gasthaus in Steeple Honey gewesen sein. Auch in den übrigen Dörfern, die wir durchfahren hatten, mochten in einzelnen Häusern Gruppen bis jetzt durchgehalten haben; eine Vorstellung, die etwas Peinigendes hatte. Es war dieselbe Frage, der wir in London gegenübergestanden waren – da war wiederum das Gefühl, daß man zur Hilfeleistung verpflichtet war, und die Erkenntnis, daß alles umsonst sein würde.

Die alte Frage: was konnte man tun, auch mit dem besten Willen von der Welt, als das Elend verlängern?

Das Gewissen für eine Weile beschwichtigen, indem man dem Scheitern einer neuen Bemühung zusah.

Ich mußte es mir immer wieder sagen: es war sinnlos, ein Erdbebengebiet zu betreten, solange die Erschütterungen andauerten und die Gebäude zusammenkrachten; die Rettungs- und Aufräumungsarbeiten konnten erst nach der Katastrophe einsetzen.

Aber Vernunftgründe halfen hier nicht viel. Der alte Professor hatte nur allzu recht gehabt: die geistige Umstellung war schwierig ...

Die Triffids waren eine Komplikation von ungeahntem Ausmaß. Es gab natürlich sehr viele Kulturen außer den Plantagen meiner Firma. Man züchtete sie für uns, für private Käufer und für eine Reihe kleinerer Betriebe, die Nebenprodukte verarbeiteten; aus klimatischen Gründen meist im Süden. Doch nach dem, was wir bisher gesehen hatten, mußten sie weit zahlreicher sein, als ich angenommen hatte. Die Vorstellung, daß täglich mehr und mehr das Reifestadi-um erreichten und den gestutzten Exemplaren der Giftstachel nachwuchs, war alles eher als beruhigend...

Da wir nur zwei weitere Haltepausen einschalteten, eine, um zu essen, die andere, um Treibstoff zu tanken, ging es rasch vorwärts; wir erreichten Beaminster um fünf Uhr nachmittags. Wir waren bis zur Stadtmitte gekommen, ohne ein Zeichen gesehen zu haben, das auf die Anwesenheit der Gruppe Beadleys hätte schließen lassen.

Dem ersten Eindruck nach schien der Ort ebenso ausgestorben zu sein wie die übrigen, die wir unterwegs gesehen hatten. Auch die Hauptgeschäftsstraße war, als wir in sie einbogen, leer und verlassen, bis auf zwei Lastautos, die an einer Seite der Fahrbahn parkten. Ich war keine zwanzig Meter weit gefahren, als ein Mann hinter einem der Lastautos hervortrat, das Gewehr auf mich gerichtet. Er feuerte einen Warnungsschuß gerade über meinen Kopf und zielte dann tiefer.

Auf dem toten Punkt

Eine Warnung dieser Art läßt keine Debatte zu. Ich hielt an. Der Mann war groß und blond. Er handhabte sein Gewehr mit Sicherheit. Ohne aus dem Ziel zu gehen, deutete er mit zwei Kopfbewegungen seitwärts, was ich als Aufforderung zum Aussteigen verstand. Meine leeren Hände vorweisend, kletterte ich vom Fahrersitz. Hinter dem parkenden Wagen traten, als ich mich näherte, noch ein Mann und ein Mädchen hervor, während hinter mir Cokers Stimme erscholclass="underline"

»Mann, was soll das Gewehr? Ihr steht ja alle in unserem Schußfeld!«

Der Blick des Blonden wandte sich von mir ab und suchte den Anrufenden, ich hätte ihn anspringen können, sagte jedoch nur:

»Er hat recht. Aber keine Sorge: wir sind friedlich.«

Der Mann ließ das Gewehr sinken, ganz überzeugt war er nicht. Coker tauchte hinter seinem Wagen auf, von dem gedeckt er unbemerkt abgestiegen war.

»Was gibt's hier?« fragte er. »Krähen, die einander rupfen wollen?«

»Ihr seid nur zu zweit?« erkundigte sich der andere Mann des Trios.

Coker sah ihn an.

»Nur zu zweit. Was habt ihr erwartet? Eine Volksversammlung?«

Die drei atmeten sichtlich erleichtert auf. Der Blonde erklärte: »Wir hielten euch für eine Bande aus der Stadt. Für Lebensmittelplünderer.«

»Oh«, sagte Coker. »Man sieht, daß ihr in letzter Zeit in keiner Stadt gewesen seid. Die Sorge kann ich euch abnehmen. Die Banden, die es da und dort noch geben mag, tun dasselbe wie ihr. Derzeit zumindest.«

»Ihrer Meinung nach werden sie also nicht kommen?«

»Bin felsenfest überzeugt davon.« Er musterte die drei. »Gehört ihr zur Gruppe Beadley?« fragte er dann.

Die verständnislosen Gesichter waren Antwort genug.

»Schade«, meinte Coker. »Wäre ein Glücksfall für uns gewesen.«

»Wer oder was ist die Gruppe Beadley?« fragte der Blonde. Vom stundenlangen Fahren unter praller Sonne matt und durstig, schlug ich vor, die Diskussion an einem passenderen Ort als mitten auf der Straße abzuhalten. Wir gingen an ihren Wagen vorbei und durch ein Gewirr von Kisten mit Zwieback und Tee, von Speckseiten, Säcken mit Zucker, Blocksalz und ähnlichen Dingen, und machten es uns im nächsten Gasthaus bequem, wo Coker und ich kurz berichteten, was wir getan und erfahren hatten. Dann kam die Reihe an sie.

Die größte Enttäuschung für uns war, daß sie nichts von der Gruppe Beadley wußten. Sie waren nur in einem Dorf gerade über der Grenze von Devon auf ein paar mit Schrotflinten bewaffnete Männer gestoßen, die ihnen geraten hatten, sich dort nicht wieder blicken zu lassen. Vermutlich Ortsansässige, meinten die drei. Nach Cokers Ansicht konnte es sich nur um eine kleine Gruppe handeln.