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Auf dem Rückweg hatte sie ein paar von den ›Dingern‹ gesehen. Eines davon hatte auf sie losgeschlagen, aber zu hoch, so daß der Stachel über ihren Kopf schwirrte. Das erschreckte sie, und sie lief den Rest des Weges. Von nun an hatte sie sich vor den ›Dingern‹ sehr in acht genommen und bei weiteren Expeditionen auch Tommy zur Vorsicht ermahnt. Aber Tommy war so klein, er hatte die im Nachbargarten lauernde Triffid nicht bemerkt, als er am Morgen zum Spielen hinausgelaufen war. Susan hatte mehrmals versucht, zu ihm zu gelangen, war aber immer wieder zurückgewichen, wenn sie den Kopf der Triffid erzittern sah ...

Ungefähr eine Stunde später fand ich es an der Zeit, ein Nachtquartier zu suchen. Ich ließ das Kind im Wagen zurück und besichtigte ein, zwei Bauernhäuser, ehe ich meine Wahl traf; und dann bereiteten wir uns ein Abendessen. Ich wußte nicht viel von Kindern, doch die Mengen, die sich die Kleine ein-verleibte, erregten mein Staunen; während des Essens gestand sie, daß eine nur aus Backwerk, Kuchen und Süßigkeiten bestehende Kost ihre Erwartungen enttäuscht hatte. Nachdem sie etwas gesäubert war und ich unter ihrer Anleitung mit der Haarbürste gearbeitet hatte, fühlte ich mich mit dem erzielten Resultat recht zufrieden. Und sie schien, wenn sie jemand zum Plaudern hatte, für eine Zeitlang alles Geschehene ganz zu vergessen.

Das konnte ich verstehen. Ging es mir selbst doch ähnlich.

Aber nicht lange, nachdem ich sie zu Bett gebracht hatte und wieder nach unten gegangen war, hörte ich sie schluchzen. Ich ging zurück.

»Es ist ja alles gut, Susan«, tröstete ich sie. »Es ist alles gut. Dem armen Tommy hat es gar nicht weh tun können – es ging so schnell.« Ich setzte mich an ihr Bett und faßte ihre Hand. Sie hörte zu weinen auf.

»Es war nicht nur wegen Tommy«, meinte sie. »Es war später, wie ich ganz, ganz allein war. Ich hatte solche Angst ...«

»Weiß ich«, sagte ich. »Weiß ich. Ich habe mich auch gefürchtet.«

Sie sah zu mir auf.

»Und jetzt fürchten Sie sich nicht mehr?«

»Nein. Und du brauchst dich auch nicht mehr zu fürchten. Verstehst du, jetzt bleiben wir beisammen, damit keines Angst hat.«

»Ja«, erklärte sie ernsthaft. »Das ist gut ...«

Wir plauderten noch von diesem und jenem, bis sie einschlief.

»Wohin fahren wir?« erkundigte sich Susan bei der Ausfahrt am nächsten Morgen.

Ich erkläre ihr, daß wir eine Dame suchten.

»Wo ist sie?« lautete die nächste Frage.

Meine Antwort fiel sehr vage aus.

»Wann werden wir sie finden?« fragte Susan weiter.

Auch das mußte ich unbestimmt lassen.

»Ist es eine hübsche Dame?«

»Ja«, sagte ich und war froh, diesmal präziser sein zu können. Aus irgendeinem Grund gab sie sich nun zufrieden.

»Gut«, urteilte sie, und wir wandten uns anderen Themen zu. Ihretwegen suchte ich größere Orte zu umfahren, doch auch auf freier Strecke bekamen wir widrige Bilder zu sehen, denen ich nicht ausweichen konnte. Nach einer Weile gab ich es auf, so zu tun, als ob sie nicht existierten. Susan betrachtete sie mit dem gleichen objektiven Interesse wie die übrige Umgebung. Nicht mit Schrecken, sondern mit Verwunderung. Sie stellte Fragen. Ich sagte mir, sie würde in einer Welt aufwachsen, wo die Umschreibungen und Redensarten, die ich als Kind gelernt hatte, außer Kurs waren, und tat mein Bestes, die uns begegnenden Schrecknisse und Merkwürdigkeiten ebenfalls möglichst objektiv zu beurteilen. Was sehr heilsam auch für mich war.

Gegen Mittag hatte sich der Himmel umzogen und der Regen setzte wieder ein. Als wir um fünf Uhr knapp vor Pulborough hielten, goß es noch immer.

»Wohin fahren wir jetzt?« forschte Susan.

»Das«, gestand ich, »ist eben die Frage. Da drüben muß es irgendwo sein.« Ich wies auf die regenverschleierten Höhenzüge der Downs im Süden.

So sehr ich mich bemüht hatte, mir ins Gedächtnis zu rufen, was Josella noch über den Ort gesagt hatte, ich konnte mich nur erinnern, daß das Haus an der Nordseite der Berge lag und oberhalb der sumpfigen Niederung zwischen diesen und Pulborough. An Ort und Stelle erwies sich diese Angabe als äußerst vage: die Downs erstreckten sich meilenweit nach Ost und West.

»Vielleicht kann man da drüben irgendwo Rauch sehen«, meinte ich.

»In dem Regen ist es schwer, etwas zu sehen«, wandte Susan mit Recht ein.

Eine halbe Stunde später tat uns der Regen den Gefallen und hörte für eine Weile auf. Wir stiegen aus dem Wagen, setzten uns auf eine Mauer und musterten aufmerksam die gegenüberliegenden Berghänge; aber weder Susan mit ihren scharfen Augen, noch ich mit meinem Feldstecher vermochten Rauch oder ein anderes Lebenszeichen zu entdecken.

Dann fing es wieder zu regnen an.

»Ich habe Hunger«, sagte Susan.

Essen war jetzt meine geringste Sorge. Nun, da ich mich dem Ziel so nahe glaubte, ließ mir die Ungeduld keine Ruhe. Während Susan noch beim Essen war, fuhr ich den Hang hinter uns ein Stück hinauf, um weiteren Ausblick zu gewinnen. In den Regenpausen und bei immer schlechterem Licht suchten wir die gegenüberliegende Talseite wiederum ohne Erfolg ab.

Nirgends Leben oder Bewegung das ganze Tal entlang; nur ein paar Kühe und Schafe waren zu sehen und gelegentlich eine durch das Feld unter uns schwankende Triffid.

Ich hatte einen Einfall; dazu mußte ich ins Dorf hinunter, wollte aber Susan ungern mitnehmen, denn ich wußte, wie es dort aussehen würde; doch zurücklassen konnte ich sie auch nicht. Unten stellte sich heraus, daß ihr der Anblick weniger zu schaffen machte als mir; Kinder haben andere Vorstellungen vom Furchtbaren, sie müssen erst lernen, vor welchen Dingen sie erschrecken sollen.

Ich machte einen Fund. Ich kehrte zu unserem Wagen mit einem außerordentlich lichtstarken Autoscheinwerfer zurück, den ich von einem pompös aussehenden Rolls-Royce abmontiert hatte.

Ich brachte das Ding, auf einem Zapfen schwenkbar, neben dem Wagenfenster an und machte es zum Einschalten fertig. Und dann war nichts weiter zu tun, als auf den Einbruch der Dunkelheit zu warten und zu hoffen, daß der Regen aufhörte.

Als es völlig dunkel war, war aus dem Regen ein bloßes Getröpfel geworden. Ich schaltete die Lampe ein und sandte einen prachtvollen Lichtkegel hinaus in die Finsternis. Langsam ließ ich ihn über die gegenüberliegenden Berghänge gleiten, gleichzeitig nach einem antwortenden Licht ausspähend. Mehr als ein dutzendmal wiederholte ich dieses Manöver; nach jeder Schwenkung schaltete ich für einige Minuten aus, in denen wir nach dem schwächsten Lichtschimmer Ausschau hielten. Doch die Nacht über den Bergen blieb pechschwarz. Dann kam der Regen wieder in Strömen herunter. Ich drehte den Lichtkegel gerade nach vorn und wartete, während die Wassertropfen auf das Schutzdach trommelten und Susan, an meinem Arm lehnend, einschlief. So verging eine Stunde, dann wurde aus dem Trommeln ein Klopfen, das zuletzt auch verstummte. Susan wachte auf, als ich neuerdings die Gegend abzuleuchten begann. Ich hatte eben die sechste Schwenkung beendet, als sie ausrief:

»Schauen Sie, Bill! Da ist es! Da ist ein Licht!«

Sie deutete nach links. Ich schaltete den Scheinwerfer aus und spähte in die gewiesene Richtung. Sicher war es nicht. Es konnte eine optische Täuschung sein: ein schwacher Schimmer wie von einem fernen Glühwürmchen. Und ehe wir uns vergewissern konnten, strömte von neuem eine Regenflut herab.