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Über die folgenden Tage hatten wir einander nicht viel Neues zu erzählen. Nach der Auflösung ihrer Gruppe war sie der gleichen Überlegung gefolgt wie ich. Sie setzte sich in ein Auto und fuhr nach Hampstead, mich zu suchen. Sie war dort weder Überlebenden meiner Gruppe begegnet, noch denen, die der schießlustige Rotkopf führte. Sie hatte bis Sonnenuntergang gesucht und dann beschlossen, zum Universitätsgebäude zu fahren. Da sie nicht wußte, wie es dort aussehen würde, hatte sie den Wagen vorsichtshalber ein paar Straßen vorher zurückgelassen und war zu Fuß weitergegangen. Noch ein gutes Stück vom Eingang entfernt, hörte sie einen Schuß. Um zu erkunden, was da los war, hatte sie in dem Garten Deckung gesucht, wo wir schon einmal Zuflucht gefunden hatten. Von da aus hatte sie Coker beobachtet, der ebenfalls vorsichtig zu rekognoszieren schien. Sie wußte nicht, daß es mein Schuß war, der Coker zur Vorsicht veranlaßt hatte, und vermutete eine neue Falle. Ein zweitesmal wollte sie nicht in eine solche geraten, und war daher zu ihrem Wagen zurückgekehrt. Sie hatte keine Ahnung, wohin die an, deren gegangen waren – falls sie überhaupt gegangen waren. Der einzige Zufluchtsort, der ihr einfiel, war der, den sie mir gegenüber erwähnt hatte. Sie hatte beschlossen, hinzufahren, in der Hoffnung, ich würde mich, falls ich noch am Leben war, daran erinnern und versuchen, ihn aufzufinden.

»Ich rollte mich zusammen und schlief im Fond des Wagens, sobald ich aus London heraus war«, erzählte sie. »Es war noch sehr früh, als ich am nächsten Morgen hier eintraf. Das Geräusch des Wagens brachte Dennis zu einem der oberen Fenster, von wo aus er mich warnte, vor Triffids auf der Hut zu sein. Jetzt erst sah ich, daß mindestens ein halbes Dutzend das Haus umstanden, als warteten sie auf einen Heraustretenden. Während Dennis und ich einander zuriefen, fingen die Triffids an, sich zu regen, und eine kam auf mich zugewackelt, so daß ich mich schnell im Wagen in Sicherheit brachte. Als sie trotzdem weitermarschierte, schaltete ich den Motor ein und fuhr sie nieder. Aber da waren noch die anderen, und ich hatte keine Waffe, nur mein Messer. Doch Dennis wußte einen Ausweg.

›Schütte ihnen etwas Benzin in den Weg und wirf dann einen brennenden Lappen hin‹, riet er mir. ›Davor werden sie abziehen.‹

Das wirkte. Seither habe ich eine Gartenspritze benutzt. Ein Wunder, daß ich noch nichts in Brand gesteckt habe.«

Mit Hilfe eines Kochbuches war es Josella gelungen, eine Art Mahlzeiten herzustellen, und dann hatte sie in den Haushalt etwas Ordnung gebracht. Arbeiten, Lernen und Improvisieren hatten ihr wenig Zeit gelassen, über die nächsten Wochen hinaus an die Zukunft zu denken. Außer den Hausbewohnern hatte sie in diesen Tagen niemand gesehen; da sie aber überzeugt war, daß es hier noch andere Überlebende geben mußte, hatte sie das ganze Tal entlang Ausschau gehalten, tags nach Rauch, nachts nach Lichtern. Doch weder ein Rauchwölkchen noch ein Lichtschimmer war bis zum Abend, an dem ich kam, zu sehen gewesen.

Der am härtesten Getroffene des ursprünglichen Trios war Dennis. Joyce war noch schwach und leidend. Mary blieb zurückgezogen und war ganz mit ihrer künftigen Mutterschaft beschäftigt. Dennis hingegen war wie ein Tier in einer Falle. Nicht, daß er in der hilflosen Art fluchte, wie ich es andere hatte tun hören; ein verbissener Ingrimm verzehrte ihn, als sei er in einen Käfig gesperrt worden, aus dem er auszu-brechen suchte. Schon vor meiner Ankunft hatte ihm Josella aus dem Lexikon eine tastbare Kopie des Brailleschen Blindenalphabets anfertigen müssen.

Täglich übte er stundenlang, machte Notizen, die er später wiederzulesen versuchte. Er klagte nie, obwohl ihn die Untätigkeit, zu der er verurteilt war, peinigte.

Mit grimmiger Hartnäckigkeit, die Mitleid erregte, mühte er sich, dies oder jenes zu tun, und wehe, wenn man ihm ungefragt Hilfe anbot – ich tat es einmal und nicht wieder. Die Dinge, die er zuwege brachte, setzten mich in Staunen; seine eindrucksvollste Leistung aber blieb für mich die Anfertigung einer brauchbaren Drahtmaske gleich am zweiten Tag nach seiner Erblindung.

Er freute sich, wenn ich ihn manchmal auf meine Beutefahrten mitnahm und er beim Aufladen schwerer Kisten helfen konnte. Er wollte Bücher in Blindenschrift, aber damit mußte er sich gedulden, bis die Ansteckungsgefahr in den größeren Städten, wo es solche Bücher gab, geringer war als jetzt.

Die Tage verflogen, zumindest für uns drei Sehfähige. Josella hatte vor allem im Haus viel zu tun, und Susan lernte mithelfen. Auch auf mich wartete Arbeit genug. Joyce konnte zum ersten Male aufstehen und erholte sich nun rascher. Bald darauf begannen bei Mary die Wehen.

Das war eine schlimme Nacht für uns alle. Am schlimmsten wohl für Dennis, der wußte, daß alles von der Umsicht zweier williger, aber unerfahrener Mädchen abhing. Seine Selbstbeherrschung erregte meine hilflose Bewunderung.

In den frühen Morgenstunden kam Josella zu uns herunter; sie sah sehr müde aus.

»Ein Mädchen. Beide sind wohlauf«, sagte sie und führte Dennis nach oben.

Einige Minuten später kam sie zurück und nahm das gefüllte Glas, das ich für sie bereit hielt.

»Es war ganz einfach, Gott sei Dank«, sagte sie.

»Die Arme hat so gefürchtet, es könnte auch blind sein; es ist natürlich nicht blind. Jetzt weint sie ganz furchtbar, weil sie es nicht sehen kann.«

Wir tranken.

»Es ist merkwürdig«, sagte ich, »wie alles weiter-geht. Wie bei einem Samenkorn – es schaut ganz ver-runzelt und verdorrt aus, wie tot; und ist doch nicht tot. Und nun beginnt hier ein neues Leben, mitten in all dem ...«

Josella vergrub ihr Gesicht in ihre Hände.

»O Gott! Bill. Muß es jetzt immer so weitergehen? Weiter – und weiter – und immer weiter –?«

Und auch sie brach in Tränen aus.

Drei Wochen später fuhr ich nach Tynsham hinüber, um Coker aufzusuchen und unsere Übersiedlung vorzubereiten. Ich nahm einen Personenwagen, um die Fahrt hin und zurück in einem Tag zu bewältigen.

Bei der Rückkehr kam mir Josella im Vorzimmer entgegen. Sie tat einen Blick in mein Gesicht.

»Was ist los?« sagte sie.

»Daß es mit unserer Übersiedlung nichts ist«, er-klärte ich. »Tynsham ist erledigt.«

Sie starrte mich an.

»Was ist geschehen?«

»Ist unklar. Sieht aus, als sei die Seuche dort gewesen.«

Ich gab einen kurzen Bericht. War nicht viel zu erzählen. Das Tor stand offen, als ich ankam, und die freien Triffids im Park sagten mir, worauf ich mich gefaßt machen mußte. Als ich ausstieg, bestätigte der Geruch meine Befürchtungen. Es kostete mich Überwindung, das Haus zu betreten. Allem Anschein nach war es vor mindestens zwei Wochen verlassen worden. Ich steckte den Kopf in zwei Räume. Und hatte genug. Ich rief; hohl verhallte meine Stimme im Leeren. Ich ging nicht weiter.

An der Außentüre war ein Zettel befestigt gewesen, von dem nur mehr eine leere, abgerissene Ecke dort hing. Lange suchte ich den Rest des heruntergewehten Blattes. Ich fand ihn nicht. Der Hinterhof war leer, und mit den Fahrzeugen waren auch die Vorräte zum größten Teil verschwunden. Ich hatte keine Ahnung, wohin. Blieb nichts übrig, als in meinen Wagen zu steigen und zurückzufahren.

»Und – was nun?« fragte Josella, als ich geendet hatte.

»Und nun bleiben wir eben da, Liebes. Wir werden lernen uns selber zu versorgen. Und werden uns solange selbst versorgen, bis Hilfe kommt. Vielleicht wird einmal irgendwo eine Organisation aufgezogen ...«

Josella schüttelte den Kopf.

»Ich glaube, es ist am besten, wir denken an keine Hilfe. Millionen und aber Millionen Menschen haben auf Hilfe gewartet und gehofft, und es ist keine gekommen.«

»Es wird einmal etwas getan werden«, sagte ich.

»Kleine Gruppen wie die unsere muß es überall geben. Sie werden sich zusammenschließen und dann mit dem Wiederaufbau beginnen.«