Es kann nicht lange nachher gewesen sein, daß Josella meine Aufmerksamkeit in erhöhtem Maß auf die Triffids lenkte. Meine jahrelange Arbeit hatte die Vorsichtsmaßregeln ihnen gegenüber für mich zu einer Gewohnheit werden lassen, und es fiel mir weit weniger als den anderen auf, daß sie ein regelrechter Teil der Landschaft geworden waren. Ich war von früher Drahtmaske und Handschuhe gewohnt und fand nichts dabei, wenn ich sie bei jeder Ausfahrt tragen mußte. Triffids waren für mich nicht aufregender als Stechmücken in einem Malariagebiet.
Josella machte mich eines Abends, als wir im Bett lagen, auf das stakkatoartige Klappern und Trommeln aufmerksam, das sich in der Ferne hören ließ und fast der einzige Laut in der Stille war.
»In letzter Zeit ist es viel stärker geworden«, sagte sie.
Ich erfaßte zuerst gar nicht, wovon sie sprach. Diese Laute waren für mich eine Geräuschkulisse geworden, von der ich, wenn ich nicht absichtlich und bewußt hinhörte, gar nicht sagen konnte, ob sie da war oder nicht. Ich horchte.
»Es klingt für mich nicht anders als sonst«, sagte ich.
»Es ist nicht anders. Es ist nur stärker – weil es ja auch viel mehr sind als früher.«
»Ist mir nicht aufgefallen«, sagte ich gleichmütig.
»Es sind jetzt sicherlich mehr da. Schau sie dir nur morgen früh an«, sagte sie.
Am Morgen erinnerte ich mich und tat beim Ankleiden einen Blick durchs Fenster. Josella hatte recht. Über hundert konnte man hinter dem schmalen Zaunabschnitt zählen, der vom Fenster sichtbar war.
Ich erwähnte es beim Frühstück. Susan blickte verwundert auf.
»Aber es sind ja die ganze Zeit immer mehr geworden«, erklärte sie. »Ist Ihnen das nicht aufgefallen?«
»Ich muß mich um eine Menge anderer Dinge kümmern«, versetzte ich, etwas gereizt durch ihren Ton. »Außerhalb der Umzäunung macht es ja auch nichts. Solange wir innerhalb jede Aussaat im Keim ersticken, mögen sie draußen tun, was sie wollen.«
»Eigenartig ist es dennoch«, bemerkte Josella nicht ohne leise Unruhe. »Aus welchem Grund kommen sie gerade hierher in solchen Mengen? Ich bin überzeugt, daß das der Fall ist – und ich möchte wissen, warum.«
Susans Gesicht hatte wieder den aufreizend ver-wunderten Ausdruck.
»Warum? Er bringt sie«, sagte sie.
»Man zeigt nicht mit dem Finger«, rügte Josella automatisch.
»Wie meinst du das? Bill bringt sie doch sicherlich nicht her.«
»Er bringt sie aber. Er macht die Geräusche, und dann kommen sie.«
»Hör mal«, sagte ich. »Was redest du da eigentlich daher? Pfeif ich sie vielleicht im Schlaf herbei, oder was?«
Susan sah gekränkt aus.
»Gut. Wenn Sie mir nicht glauben, werde ich es Ihnen nachher zeigen«, erbot sie sich und verfiel dann in ein beleidigtes Schweigen. Nach Tisch holte sie mein Gewehr und meinen Feldstecher, und wir gingen hinaus auf den Rasenplatz vor dem Haus. Sie suchte die Gegend ab, bis sie eine marschierende Triffid fand, die noch weitab von unserer Umzäunung war, und übergab mir dann das Glas. Ich beobachtete, wie das Ding langsam über ein Feld torkelte. Die Pflanze war eine gute halbe Meile von uns entfernt und bewegte sich nach Osten. »Nun schauen Sie genau hin«, sagte Susan.
Sie gab einen Schuß in die Luft ab.
Einige Augenblicke später schwenkte die Triffid merklich nach Süden ab.
»Sehen Sie es?« fragte Susan und rieb ihre Achsel-grube.
»Das sah ja beinahe so aus – Bist du sicher? Probiere es nochmals.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Lieber nicht. Alle Triffids, die den Knall gehört haben, sind auf dem Weg hierher. Nach zehn Minuten bleiben sie stehen und horchen. Wenn sie nahe genug sind, daß sie die beim Zaun klappern hören, dann kommen sie. Und wenn sie zu weit weg sind, und wir machen wieder Lärm, dann kommen sie auch. Wenn sie aber gar nichts hören, warten sie eine Weile und gehen danach in der alten Richtung fort.«
Ich gestehe, daß ich über diesen Bericht verblüfft war.
»Hm – ahem«, sagte ich. »Du mußt sie aber genau beobachtet haben, Susan?«
»Ich beobachte sie immer. Ich hasse sie«, gab sie zur Antwort, als sei das Erklärung genug.
Dennis war zu uns getreten.
»Ich bin ganz deiner Meinung, Susan«, sagte er.
»Die Sache gefällt mir nicht. Sie hat mir schon lange nicht gefallen. Die verdammten Dinger haben es auf uns abgesehen.«
»Aber das ist doch ...«, begann ich.
»Es muß etwas dahinter sein. Es sieht ganz so aus, als ob sie etwas ahnten. Sie sind im Augenblick ausgebrochen, als niemand da war, sie aufzuhalten.
Schon am nächsten Tag waren sie vor dem Haus. Wie soll man sich das erklären?«
»Das ist nichts Ungewöhnliches«, antwortete ich.
»In Dschungelgebieten lauerten sie immer an den Wegen. Nicht selten versuchten sie, in kleine Dörfer einzudringen und mußten zurückgetrieben werden.
In manchen Gegenden waren sie eine ganz gefährliche Landplage.«
»Aber nicht hier – darauf kommt es an. Das konnten sie hier erst werden, als die Umstände es ihnen erlaubten. Sie haben es vorher auch gar nicht versucht. Doch sobald die Gelegenheit da war, benutzten sie sie – als hätten sie nur darauf gewartet.«
»Das ist doch Unsinn, Dennis. Überlegen Sie, was Sie damit sagen«, entgegnete ich.
»Ich weiß. Ich will ja auch keine endgültige Theorie aufstellen, aber das sage ich: Sie haben aus unserer Notlage mit bemerkenswerter Geschwindigkeit ihren Vorteil geschlagen. Und ich sage: Auch in ihrem gegenwärtigen Verhalten ist etwas wie Methode zu spüren.
Sie waren so beschäftigt, daß es Ihnen nicht aufgefallen ist, wie sie sich vor dem Zaun massiert haben, aber Susan ist es aufgefallen – ich habe sie darüber sprechen gehört. Und worauf warten die Dinger?«
Darauf wußte ich im Augenblick keine Antwort.
Ich sagte: »Ihr denkt also, es wäre besser, wenn ich statt des Schrotgewehrs, das sie herbeilockt, eine Triffidflinte benützte?«
»Es ist nicht nur das Gewehr, sondern jeder Lärm«, erklärte Susan. »Am schlimmsten ist der Traktor, weil er so laut ist und weil er ein dauerndes Geräusch ist, nach dem sie sich leicht orientieren können. Aber auch den Motor der Lichtmaschine können sie auf weite Entfernung hören. Ich habe sie von ihrem Weg abbiegen gesehen, sobald er zu arbeiten anfing.«
»Sag doch nicht immer ›sie hören‹, als ob es Tiere wären«, entgegnete ich gereizt. »Es sind keine. Sie können nicht ›hören‹. Es sind nur Pflanzen.«
»Irgendwie hören sie trotzdem«, beharrte Susan.
»Jedenfalls werden wir etwas gegen sie unternehmen«, versprach ich.
Wir unternahmen einiges. Die erste Falle war eine primitive Art Windmühle, die ein weithin hörbares hämmerndes Geräusch erzeugte. Wir stellten sie etwa eine halbe Meile weit von aus auf. Mit Erfolg. Sie lockte die Triffids von unserm Zaun und von anderwärts weg. Als einige Hundert beisammen waren, fuhren Susan und ich hinüber und richteten die Flammenwerfer auf sie. Auch ein zweitesmal hatten wir Erfolg – nachher aber blieb die Maschine fast unbeachtet. Unsere nächste Aktion war der Bau eines festen Geheges, einer Art Tasche innerhalb der Umzäunung, in der wir, absichtlich in Hörweite der Lichtmaschine, ein Tor offen ließen. Nach ein paar Tagen schlossen wir die Falle und vernichteten die im Gehege Eingesperrten. Auch damit hatten wir anfangs Erfolg, doch blieb er aus, sobald wir es an derselben Stelle nochmals versuchten, und auch an anderen Stellen sank die Zahl der Eingefangenen stetig.