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»Wir müssen das öfter machen, solange es noch geht«, sagte Josella. »Jetzt, da Susan heranwächst, bin ich ja nicht mehr so ans Haus gebunden.«

»Du hast dir ein bißchen Ausspannen redlich verdient«, bekräftigte ich.

Ich sagte das, weil ich noch gerne mit ihr zusammen einige Abschiedsbesuche gemacht hätte, solange es möglich war. Denn mit jedem Jahr rückte die Gefangenschaft nun näher. Um von Shirning nach Norden zu gelangen, mußte man schon jetzt die versumpfte Niederung auf einem meilenlangen Umweg umfahren. Erosion durch Regen und Wasserläufe verschlechterte die Straßen, das eindringende Wurzelwerk machte die Oberfläche rissig. Schon war die Zeit absehbar, da es nicht mehr möglich sein würde, einen Tankwagen bis zum Haus zu fahren. Eines Tages würde einer die letzte Strecke nicht mehr schaffen und die Straße blockieren. Auf trockenem Boden würde das Raupenfahrzeug noch fortkommen, aber mit der Zeit würde sich auch dafür keine Fahrbahn mehr finden.

»Und einmal müssen wir noch ein letztes Mal richtig feiern«, sagte ich. »Du mußt dich in Gala werfen, und dann gehen wir –«

»St, st!« unterbrach mich Josella mit erhobenem Finger und wandte ihr Ohr in die Richtung, aus der der Wind kam.

Ich hielt den Atem an und horchte gespannt. Ein Surren, eher zu spüren als zu hören, war in der Luft.

Es war schwach, schwoll aber allmählich an.

»Das ist – das ist ein Flugzeug!« sagte Josella.

Die Augen mit der Hand beschattend, spähten wir westwärts. Noch immer war das Geräusch nicht viel lauter als das Summen eines Insekts. Es wuchs so langsam, daß es nur von einem Hubschrauber herrühren konnte; jedes andere Flugzeug hätte uns in der Zeit überflogen oder wäre längst außer Hörweite gewesen.

Josella sah es zuerst. Ein Punkt, etwas außerhalb der Küste, schien, dem Meeresufer folgend, sich uns zu nähern. Wir sprangen auf und begannen zu winken. Als der Punkt größer wurde, winkten wir heftiger und, nicht sehr klug von uns, schrien aus Leibeskräften. Hier, auf dem offenen Strand, hätte uns der Pilot nicht übersehen können, wenn er gekommen wäre, er kam aber nicht. Einige Meilen vorher drehte er plötzlich nach Norden ab und flog landeinwärts.

Wir winkten weiter wie die Wilden, in der Hoffnung, er könne uns doch noch entdecken. Aber die Maschine hielt unverrückbar ihren Kurs, und das Motorengeräusch blieb unverändert. Stetig und unbeirrbar brummte sie davon, den Bergen zu.

Wir ließen die Arme sinken und blickten einander an.

»Kann sie einmal kommen, kann sie auch wieder kommen«, sagte Josella standhaft, doch nicht sehr überzeugend.

Aber der Anblick der Maschine hatte den Tag für uns geändert. Viel von der Resignation, die wir so sorgsam aufgebaut hatten, versank. Wir hatten uns immer gesagt, es müsse noch andere Gruppen geben, doch würden sie kaum in einer besseren Lage sein als wir, eher in einer schlechteren. Wenn aber ein Hubschrauber dahergeflogen kam wie ein Bild und ein Klang aus der Vergangenheit, weckte er mehr als nur Erinnerungen: er war ein Zeichen, daß man anderswo besser daran war als hier bei uns. – Regte sich etwas wie Eifersucht? – Und wir spürten auch, daß wir bei all unserm Glück gesellige Wesen geblieben waren.

Die Unruhe, die die Maschine hinterlassen hatte, zerstörte unsere Stimmung und unseren Gedankengang. In schweigendem Einverständnis packten wir unsere Sachen ein, gingen, jedes in die eigenen Gedanken vertieft, zurück zu dem Raupenwagen und machten uns auf die Heimfahrt.

Ein Wiedersehen

Wir hatten ungefähr den halben Weg zurück nach Shirning hinter uns, als Josella den Rauch gewahrte.

Auf den ersten Blick hätte es auch eine Wolke sein können, aber als wir uns der Höhe näherten, sahen wir die graue Säule unterhalb der aufgelösteren oberen Schicht. Josella zeigte hinüber und schaute mich wortlos an. Seit Jahren hatten wir keine anderen Brände gesehen, als die wenigen, die durch Selbstentzündung im Spätsommer ausbrachen. Wir wußten beide sogleich, daß der Schwaden vor uns in der Nachbarschaft von Shirning aufstieg.

Ich holte aus dem Raupenwagen die höchste Geschwindigkeit heraus, die ich bisher auf den schlech-ten Straßen gefahren war. Wir wurden gerüttelt und geschüttelt und schienen doch nur zu kriechen. Josella saß die ganze Zeit stumm, mit zusammengepreßten Lippen, den Blick auf die Rauchsäule geheftet. Ich wußte, sie suchte ein Anzeichen, daß die Brandstelle näher oder weiter weg war, nur nicht in Shirning selbst. Doch je näher wir kamen, um so weniger Raum blieb für Zweifel. Wir rasten das letzte Wegstück hinauf, ohne die niederschwirrenden Stacheln zu beachten. An der Biegung konnten wir endlich sehen, daß es nicht das Haus selbst, sondern der Holzstoß war, der in Flammen stand.

Auf unser Hupensignal kam Susan herausgelaufen, um an dem Seil zu ziehen, das in sicherer Entfernung das Tor öffnete. Sie schrie etwas, das aber im Gerassel unserer Einfahrt unterging. Mit der freien Hand wies sie nicht auf das Feuer, sondern auf die Vorderfront des Hauses. Als wir weiter in den Hof fuhren, sah ich, was sie meinte. Inmitten der Rasenfläche stand, nach einer glatten Landung, der Hubschrauber.

Während wir aus dem Raupenwagen stiegen, war ein Mann in Lederjacke und kurzer Hose aus dem Haus getreten. Er war groß, blond und hatte ein sonnverbranntes Gesicht. Ich hatte gleich das Gefühl, daß ich ihn schon irgendwo gesehen hatte. Er winkte und grinste uns lustig zu, als wir ihm entgegeneilten.

»Mr. Bill Masen, nehme ich an. Mein Name ist Simpson – Ivan Simpson.«

»Ich erinnere mich«, sagte Josella. »Sie brachten damals einen Hubschrauber zur Universität.«

»Richtig. Daß Sie sich das gemerkt haben. Damit Sie aber sehen, daß auch andere ein gutes Gedächtnis haben: Sie sind Josella Playton, Autorin von –«

»Sie irren«, unterbrach sie ihn energisch. »Ich bin Josella Masen, Autorin von ›David Masen‹.«

»Ach ja. Ich habe soeben die Originalausgabe gesehen, eine sehr bemerkenswerte Leistung, wenn ich so sagen darf.«

»Einen Augenblick«, sagte ich. »Dieses Feuer –?«

»Ist ungefährlich. Kann auf das Haus nicht übergreifen. Euer Holzvorrat allerdings ist, fürchte ich, zum größten Teil Rauch und Asche.«

»Wie ist es denn zu dem Brand gekommen?«

»Das hat Susan getan. Sie wollte verhüten, daß ich das Haus übersehe. Als sie die Maschine hörte, packte sie einen Flammenwerfer und stürmte heraus, um so schnell wie möglich ein Signal zu geben. Der Holzstoß lag am nächsten – ein Signal, das man nicht übersehen konnte.«

Wir traten zu den anderen ins Haus.

»Übrigens«, wandte sich Simpson zu mir, »Michael hat mir aufgetragen, Ihnen seine Entschuldigung zu überbringen.«

»Mir?« sagte ich erstaunt.

»Weil er Ihnen damals nicht geglaubt hat. Sie waren der einzige, der die Triffids als eine Gefahr erkannte.«

»Aber wußte er denn, daß ich hier war?«

»Wir erfuhren Ihren ungefähren Aufenthaltsort vor ein paar Tagen – von einem Mann, den wir alle nicht vergessen werden – einem gewissen Coker.«

»Also ist Coker auch durchgekommen«, sagte ich.

»Nach dem, was ich in Tynsham gesehen habe, war ich der Meinung, daß es ihn erwischt hatte.«

Später, nachdem wir gegessen und unseren besten Brandy hervorgeholt hatten, berichtete er, was geschehen war.

Nach ihrer Abfahrt von Tynsham, das sie Miß Durrants Herrschaft und Grundsätzen überließen, waren Michael Beadley und seine Schar also weitergezogen. Aber nicht nach Beaminster oder in dessen Umgebung, sondern in nordöstlicher Richtung, nach Oxfordshire. Beaminster war überhaupt nicht erwähnt worden. Miß Durrant mußte uns demnach absichtlich falsch informiert haben.

Die Gruppe hatte ein Landgut gefunden, das anfangs allen Erfordernissen zu entsprechen schien, und sie hätten sich dort zweifellos auch verschanzen können wie wir in Shirning, als aber die Bedrohung durch die Triffids anwuchs, zeigten sich Nachteile.