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»Könnte mir keine denken, die mich mehr reizt«, erklärte ich.

»Soll das heißen, daß Sie uns alle auf Ihre Insel einladen?« fragte Dennis.

»Nun, auf Probe zumindest«, antwortete Ivan. »Bill und Josella werden sich noch an die allgemeinen Grundsätze erinnern, die damals auf der Universität erklärt wurden. Sie gelten noch immer. Wir sind nicht darauf aus, das Alte wiederherzustellen – wir wollen etwas Neues und Besseres aufbauen. Eine Sache, für die sich manche nicht eignen. Die können wir nicht brauchen. An einer Oppositionspartei, die die alten Mißstände verewigen will, haben wir kein Interesse.

Es ist uns lieber, diese Leute gehen anderswohin.«

»Anderswohin ist leicht gesagt«, bemerkte Dennis.

»Oh, nicht daß wir sie zu den Triffids zurückschicken. Wir hatten solche Leute bei uns, und es mußte ein Platz für sie gefunden werden; zu diesem Zweck ging ein Trupp auf die Kanalinseln und führte dort die gleiche Säuberung durch wie wir auf der Insel Wight. An die hundert zogen hinüber. Auch ihnen geht es gut.«

»Wir haben nun diese Probezeit eingeführt. Neuankömmlinge bleiben sechs Monate, dann folgt eine Verhandlung vor dem beratenden Ausschuß. Gefällt es ihnen nicht bei uns, sagen sie es; und halten wir sie für ungeeignet, sagen wir es auch. Sind sie geeignet, bleiben sie; wenn nicht, bringen wir sie auf die Kanalinseln – oder zurück aufs Festland, sollten sie diesen seltsamen Wunsch haben.«

»Klingt etwas diktatorisch – wie ist denn dieser beratende Ausschuß zusammengesetzt?« wollte Dennis wissen.

Ivan schüttelte den Kopf.

»Es würde jetzt zu lange dauern, Verfassungsfragen zu erörtern. Am besten, ihr kommt hin und unterrichtet euch an Ort und Stelle. Gefällt es euch, bleibt ihr – aber auch wenn das nicht der Fall sein sollte, werdet ihr es auf den Kanalinseln immer noch besser haben als hier in ein paar Jahren.«

An dem Abend, nachdem Ivan abgeflogen und im Südwesten verschwunden war, setzte ich mich auf meine Lieblingsbank in einer Ecke des Gartens.

Ich schaute hinunter in das Tal und erinnerte mich an die wohlentwässerten und gepflegten Wiesen von einst. Nun war alles weit fortgeschritten auf dem Weg zur Wildnis. Auf den verlassenen Feldern wucherte Gestrüpp, breiteten sich Röhricht und Tümpel aus. Die größeren Bäume versanken langsam in dem aufgeweichten Boden.

Ich dachte an Coker und an das, was er über den Führer, den Lehrer und den Arzt gesagt hatte – und an all die Arbeit, die es kosten würde, die Nahrung für uns aus diesem Stückchen Erde herauszuholen.

An die Zeit, wo wir hier wie Gefangene sein würden.

An die drei verbittert alternden Blinden. An Susan und ihre Chance, einen Mann und Kinder zu haben.

An David und an Marys Töchterchen und die anderen Kinder, die noch kommen konnten und Bauernarbeit leisten mußten, sobald sie stark genug waren.

An Josella und mich, immer schwerer arbeitend, je älter wir wurden, da mehr Menschen zu erhalten waren und mehr Arbeit mit der Hand getan werden mußte ...

Und draußen warteten geduldig die Triffids. Außerhalb der Umzäunung konnte ich sie sehen, zu Hunderten, eine dunkelgrüne Hecke. Da war Forschungsarbeit zu leisten – ein natürlicher Gegner mußte gefunden werden, ein Gift, ein Schädling irgendwelcher Art; dazu mußte man von anderen Aufgaben befreit werden, und zwar bald. Die Zeit arbeitete für die Triffids. Sie brauchten bloß zu warten, bis unsere Hilfsquellen erschöpft waren. Zuerst der Brennstoff, dann der Draht zum Ausbessern des Zaunes. Und die Triffids dieser oder der nächsten Generation würden noch warten, wenn der Draht durchgerostet war ...

Und doch war uns Shirning zur Heimat geworden.

Ich seufzte.

Ein leichter Schritt streifte durch das Gras. Josella kam und setzte sich neben mich. Ich legte den Arm um ihre Schultern.

»Wie denken sie darüber?« fragte ich sie.

»Sie sind sehr niedergeschlagen, die Armen. Sie können das mit den Triffids auch gar nicht richtig verstehen. Und dann, weißt du, hier finden sie sich zurecht. Es muß für einen Blinden furchtbar sein, an einen ganz fremden Ort zu kommen. Sie wissen nur, was wir ihnen erzählen. Ich glaube, sie können sich nicht vorstellen, wie unmöglich es hier werden wird.

Wären nicht die Kinder, ich meine, sie würden glatt nein sagen. Es ist ihr Besitz, ihr alles. Sie fühlen das zutiefst.« Nach einer Pause fügte sie hinzu: »Das denken sie – aber in Wahrheit ist es nicht mehr ihr, sondern unser Besitz, nicht wahr? Schwer genug haben wir dafür gearbeitet.« Sie legte ihre Hand auf die meine. »Du hast uns hier das Leben ermöglicht, Bill.

Was meinst du? Bleiben wir noch ein, zwei Jahre?«

»Nein«, sagte ich. »Ich habe gearbeitet, solange es einen Zweck hatte. Nun erscheint es – ziemlich sinnlos.«

»Oh, Lieber, das darfst du nicht sagen! Ein fahrender Ritter ist nicht sinnlos. Du hast für uns alle gekämpft und die Drachen zurückgeschlagen.«

»Es war in erster Linie wegen der Kinder«, sagte ich.

»Ja – wegen der Kinder«, stimmte sie zu.

»Besser, wir warten die Niederlage nicht ab und gehen jetzt.«

Sie drückte meine Hand.

»Keine Niederlage, lieber Bill, sondern – wie sagt man da? – ein strategischer Rückzug. Wir ziehen uns zurück, um für unsere Wiederkehr zu arbeiten und zu planen. Denn zurückkehren werden wir. Du wirst einen Weg finden, diese schändlichen Triffids auszu-tilgen und unser Land von ihnen zurückzugewinnen.«

»Du hast einen starken Glauben, Liebste.«

»Und warum nicht?«

»Nun, zumindest werde ich den Kampf mit ihnen aufnehmen. Aber zuerst gehen wir – wann?«

»Könnten wir nicht diesen Sommer noch hier zubringen? Es wäre eine Art Urlaub für uns alle – keine Vorbereitungen für den Winter. Wir verdienen auch einen Urlaub.«

»Ich glaube, das läßt sich machen«, stimmte ich zu.

Wir blieben sitzen und sahen das Tal in die Dämmerung zerfließen; Josella sagte:

»Es ist seltsam, Bill. Jetzt, da ich gehen kann, will ich nicht recht. Manchmal ist es mir hier wie in einem Gefängnis vorgekommen – und jetzt sieht das Fortgehen wie Verrat aus. Weißt du, ich – ich habe hier trotz allem die glücklichste Zeit meines Lebens verbracht.«

»Und ich, Liebste, ich habe vorher überhaupt nicht gelebt. Aber wir werden es noch besser haben – das verspreche ich dir.«

»Es ist dumm, aber ich werde weinen, wenn wir gehen. Richtig heulen. Aber das darf dich nicht kümmern«, sagte sie. Doch es kam ganz anders, und wir hatten gar keine Zeit für Tränen ...

Strategischer Rückzug

Wie Josella angedeutet hatte, bestand kein Grund zur Eile. Während wir den Sommer noch in Shirning verlebten, konnte ich mich auf der Insel nach einem neuen Heim für uns umsehen und nach und nach den wertvollsten Teil unserer Vorräte und unserer Ausrü-

stungsgegenstände hinübertransportieren. Nun war aber unser Holzlager in Flammen aufgegangen. Da wir für ein paar Wochen Brennmaterial für die Küche benötigten, fuhren Susan und ich am nächsten Morgen aus, um Kohle zu holen.

Dafür war der Raupenwagen ungeeignet, und wir nahmen einen leichteren Lkw. Das nächste Kohlenlager der Bahn war zwar nur zehn Meilen entfernt, doch infolge der vielen Umfahrungen schlechter oder blockierter Straßen brauchten wir fast den ganzen Tag. Obwohl wir keine größere Panne hatten, ging es gegen Abend, als wir heimkehrten.

Wir bogen um die letzte Ecke, während die Triffids unermüdlich wie eh und je auf den vorüberfahrenden Wagen von den Böschungen herunterpeitschten, und trauten unseren Augen nicht. Hinter unserem Tor und mitten in unserem Hof parkte ein abenteuerli-ches Fahrzeug. Der Anblick verblüffte uns dermaßen, daß wir eine Weile starrten und staunten, bevor Susan nach Helm und Handschuhen griff, ausstieg und das Tor aufmachte.