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»Danke«, sagte ich zu dem anderen Gehilfen und nahm eine Wurst von dem Tablett.

»Paga für alle, von unserem Gastgeber, dem ehrenwerten Borton!« rief Philebus. Mädchen eilten geschäftig umher und bedienten. Ich streckte die Hand aus und hielt Temione fest. »Herr?« fragte sie.

»Du bedienst mich!«

Philebus kettete sogar die Mädchen von dem Pfahl los, damit sie ebenfalls bedienen konnten. Sobald sie frei waren, sprangen sie auf. Er warf Temione einen Blick zu, die sich ängstlich bewegte, gab ihr aber kein Zeichen. Offensichtlich gehörte sie zu mir.

Als der Gehilfe wieder an mir vorbeiging, nahm ich ein Stück Brot von dem Tablett. Wäre Marcus dagewesen, hätte auch er ein kostenloses Abendessen gehabt.

Der Tarnsmann hatte genug von der Keule und warf den Rest einem Freund zu.

»Trinken wir auf Borton den Edlen, Borton den Großzügigen!« rief ein Mann und erhob sich unsicher auf die Beine.

»Ja, auf ihn!« stimmten andere ein.

Ich schloß mich ihnen an und hob den Becher. Ich machte mir einen Spaß daraus, das zu tun.

Temione konnte den Blick nicht von dem bärtigen Kerl wenden. Vor langer Zeit hatte Temione genau wie Amina, Klio, Elene, Rimice und Liomache zu den Frauen gehört, die von Männern lebten. Vielleicht war es der Krieg gewesen, der Mangel an vermögenden Reisenden, die Horden halb verhungerter Flüchtlinge oder die hohen Preise; als ich sie kennengelernt hatte, ging es ihnen schlecht. Aufgrund der unbezahlten Rechnungen und da ihre Ausflüchte das Herbergspersonal nicht länger zufriedenstellten, hatte man sie ergriffen und an Stricken um den Hals vor den Verwalter geführt. Er hatte sie voll bekleidet in einen Käfig auf Rädern auf eine Bank gesetzt, in der Nähe des Eingangs, wo sie Gelegenheit hatten, Männer anzubetteln, ihre Rechnung zu bezahlen. Nachdem sich dies als erfolglos erwies, ließ er sie von kräftigen freien Frauen durchsuchen und entkleiden, um sie dann wieder in den Käfig bringen, wo sie nun wieder auf der Bank saßen, diesmal jedoch nackt und völlig mittellos. Später hatte er sie mit zusammengebundenen Knöcheln neben dem Eingang aufgereiht, mit freien Händen, damit sie die Herbergsgäste noch flehentlicher anbetteln konnten. Zur siebzehnten Ahn hatte der Verwalter sie fortschaffen lassen; vielleicht hatte er sie nicht mehr sehen können, oder er hatte einfach nicht mehr daran geglaubt, daß sich jemand fände, der ihre Rechnungen bezahlte. Zum erstenmal in ihrem Leben hatten sie Ketten getragen. Ich hatte die einstige Lady Temione aus Cos im Pagaraum kennengelernt, wo sie nackt und in Ketten als meine Bedienung fungierte. Dort war sie auch dem Mann begegnet, der sich nun als Borton entpuppte. Er hatte sie nicht haben wollen, da sie keine Sklavin war, hatte sogar wütend abgelehnt, auch nur von ihr bedient zu werden. »Bringt mir eine Frau!« hatte er gebrüllt. »Eine richtige Frau!«

Das war ein schwerer Schlag für ihre Eitelkeit, ihr Selbstbewußtsein und ihren Stolz gewesen, da sie sich, wie die meisten freien Frauen, für einen wunderbaren und kostbaren Schatz hielt.

»Die Sklavinnen sollen sich zeigen!«, rief ein Mann und hob seinen Becher Paga.

»Die Sklavinnenparade!« stimmte ein anderer ein. »Die Sklavinnenparade!«

»Ja, ja!«

Die ›Sklavinnenparade‹, wie man sie manchmal nennt, findet für gewöhnlich in Paga-Tavernen und Bordellen statt. Natürlich veranstaltet man sie auch anderswo, in den Häusern reicher Männern, bei Festgelagen und dergleichen. Es ist eine Zurschaustellung von Schönheit und körperlichen Reizen. Die Sklavinnen bieten sich, für gewöhnlich eine nach der anderen, von Musik begleitet, den Gästen dar. In gewisser Weise ähnelt es den Modeschauen der Erde, wobei es natürlich hier nicht darum geht, Sklavenmode vorzuführen – obwohl auch das vorkommt –, sondern um sozusagen die Schätze des Hauses zu präsentieren. Während bei den Modeschauen auf der Erde sich die Frau für die Mode und der Mann für die Frau interessiert und die Frauen für die Designer lediglich Mittel zum Zweck sind, nehmen an einer Sklavinnenparade grundsätzlich keine freien Frauen teil, und die Männer können sich an der Schönheit der Sklavinnen erfreuen, wie es von der Natur beabsichtigt ist. Und die Frauen dienen nicht den Designern, sondern einem Herrn, der, falls er sie auswählt, ihr Mietgeld bezahlt. Die Frauen ziehen ebenfalls ihren Gewinn daraus, nicht nur was das Geldverdienen angeht, sondern in einer tiefergehenden psychologischen und biologischen Hinsicht; so können sie ihre wahre Natur ausdrücken und erfüllen.

Ein Flötentrillern ertönte, eine einfache Flöte, keine Doppelflöte, gefolgt vom schnellen Schlag einer kleinen Tabor; die Instrumente waren in den Händen von Philebus’ Gehilfen. Die Sklavinnen des Ausschanks sahen einander an, ängstlich und aufgeregt zugleich. Dann ließ Philebus eine Peitsche knallen; es klang wie ein Schuß. Die Mädchen in ihren Eisenkragen und knappen Kostümen schrien entsetzt auf. Selbst Temione zuckte zusammen, obwohl sie an meiner Seite kniete. Es war ein Laut, der Sklavinnen nicht unbekannt war.

»Dora!« rief Philebus.

Sofort wirbelte eines der Mädchen im Takt der Musik zwischen den Gästen umher, eine sinnliche Sklavin mit breiten Hüften und süßen Brüsten; halb tanzend und halb gehend bot sie sich besonders Borton dar, wich vor und zurück, drehte sich.

»Lana!« rief Philebus, und Dora wirbelte aus der Mitte des Kreises heraus und vollendete ihren Tanz durch den Schankraum, wobei sie sich bemühte, den zupackenden, liebkosenden Händen der Männer zu entgehen, und kniete dann im Hintergrund nieder.

Das Mädchen, das der Tarnsmann seinem Freund zum Vergnügen überlassen hatte, sprang auf die Füße und begann ihre Runde auf ziemlich die gleiche Weise wie ihre Vorgängerin. Sie war eine aufregende, langbeinige Frau, und ihr Kleid, das aus dünner Seide bestand, die immer wieder aufklaffte, überließ kaum einen ihrer Reize der Phantasie.

»Aii!« rief ein Mann und huldigte damit der Schönheit der vorbeitanzenden Sklavin.

Sie posierte verführerisch vor Borton.

»Wie schön sie doch ist!« entfuhr es Temione.

»Aii!« rief ein anderer Mann.

Mit einem Schwenken seines Bechers und einem Lachen entließ Borton sie.

Diesmal eilte sie unverzüglich los, bewegte sich auf wunderschön anzusehende Weise an den Männern vorbei und vollendete ihre Schau. Sie hatte keinen Augenblick lang gezögert. Sie war fortgeschickt worden.

»Tula!« rief Philebus, und ein weiteres Mädchen sprang auf die Füße.

Lana, die ihre Runde beendet hatte, kehrte an die Seite des Mannes zurück, dem Borton sie vorhin überlassen hatte. Sie gehörte noch immer ihm, durch den Willen eines anderen, bis man sie entließ.

»Lina!« rief Philebus. Sie hatte kurze Beine und war ziemlich stämmig, mit einer wunderbar breiten Liebesschaukel, wie man so sagt. Das sind oft die besten Sklavinnen.

»Ich habe Angst«, sagte Temione.

Die wüsten Komplimente, mit denen sie überschüttet wurde, ließen Lina erröten. Dann tanzte sie, ebenfalls entlassen, aus dem Kreis heraus und kniete im Hintergrund nieder.

»Sucha!« rief Philebus. Sie war ebenfalls ziemlich klein, mit dunkler Haut. Meiner Meinung nach stammte sie möglicherweise aus der Tahari.

»Ina!« rief Philebus. Sie war größer und blond, kam vielleicht aus einem Dorf in der Nähe von Laura. Trotz ihrer blonden Haare war offensichtlich, daß in ihrem Leib das Sklavenfeuer entfacht worden war. Ich lächelte. Ohne jeden Zweifel würde sie trotz ihrer Haarfarbe in den Armen eines Mannes so hilflos sein wie jede gewöhnliche Sklavin.

»Susan!« rief Philebus. Susan war eine Rothaarige.