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Seine Vorsicht war keineswegs übertrieben.

Die Quorrl hatten den schmalen Saumpfad am Wald erreicht und haltgemacht. Ein paar der riesigen Schuppengestalten war aus den Sätteln gestiegen und schien den Boden zu untersuchen, die anderen bildeten einen weit geschwungenen, aber fast geschlossenen Dreiviertelkreis vor den Bäumen. Sie hatten ihre Spuren entdeckt, dachte Skar düster. Und sie brauchten nicht einmal einen besonders talentierten Fährtenleser, um zu erkennen, daß sie erst wenige Minuten alt waren.

Geduckt schlich er zu seinem Pferd zurück, stieg wieder in den Sattel und griff nach dem Zügel. Er war weniger besorgt, als er Kiina gegenüber den Anschein erweckt hatte. Sicher, er war nicht in seiner besten Form, aber er hatte ein Quorrl-Pferd, ein ausgesucht kräftiges Tier sogar, und er wog zweihundertfünfzig Pfund weniger als die schuppigen Kolosse, die eine halbe Meile hinter ihm Aufstellung genommen hatten. Skar glaubte nicht, daß es ihm besondere Schwierigkeiten bereiten würde, den Quorrl einfach davonzureiten.

Was ihm Unbehagen bereitete, war Kiina. Er war nicht sicher, daß es ihm gelang, alle Quorrl vom Waldrand fortzulocken. Und er war noch sehr viel weniger sicher, daß Kiina die Nerven behalten würde, falls die Quorrl etwa auf die Idee kamen, in unmittelbarer Nähe ihres Versteckes ein Lager aufzuschlagen. Aber welche Wahl hatte er schon?

Skar zog abermals sein Schwert, ritt bis zum Waldrand und hielt wieder an. Sorgsam legte er die Waffe vor sich über den Sattel, wickelte den Zügel um den Stumpf seines linken Armes und zog zweimal prüfend daran, bis er sicher war, das Tier auf diese Weise wenigstens notdürftig dirigieren zu können.

Wie er erwartet hatte, hatte sich ein kleiner Trupp von der Hauptmacht der Quorrl gelöst und folgte seiner Spur, wobei sie sich erfreulich ungeschickt anstellten: tief über die Hälse ihrer Pferde gebeugt, entgingen ihre Gesichter zwar dem stechenden Regen, ihren Augen aber auch alles, was weiter als fünf oder sechs Schritte vor ihnen war.

Skar war nahe daran, den Quorrl einfach etwas zuzuschreien, damit sie ihn entdeckten, befürchtete dann aber, damit eher ihr Mißtrauen zu erwecken. Statt dessen stach er dem Pferd mit der Schwertspitze leicht in die Flanke.

Das Tier stieß ein schrilles Wiehern aus und machte einen Satz, und im gleichen Moment flogen die Köpfe der vordersten Quorrl in die Höhe. Eine Sekunde später drang ein vielstimmiger, gellender Schrei durch das Rauschen des Regens an Skars Ohr, und als er das Pferd wieder unter Kontrolle hatte und herumriß, begann der Boden hinter ihm unter dem Stampfen gleich mehrerer Dutzend eisenbeschlagener Hufe zu dröhnen.

Und fast in der gleichen Sekunde hörte er einen Schrei: dünn, voller Panik und Entsetzen und so weit entfernt, daß er fast im Gebrüll der Quorrl unterging - aber es war eindeutig Kiinas Stimme!

Skar fluchte, riß das Pferd in vollem Galopp herum und mußte abermals um sein Gleichgewicht kämpfen, als sich das Tier mit einem schmerzerfüllten Kreischen auf die Hinterläufe aufrichtete. Irgendwie gelang es ihm, das Tier wieder in seine Gewalt zu bringen - und dann war er unter den völlig verblüfften Quorrl wie ein schwarzer Racheengel, dessen Schwert gleich zwei, drei der schuppigen Gestalten auf einmal aus den Sätteln fegte. Es war pures Glück, daß er die nächsten Augenblicke überlebte; und wahrscheinlich einzig der Fassungslosigkeit der Quorrl zu verdanken, die mit allem gerechnet haben mochten - nur nicht damit, von einem einzelnen Menschen angegriffen zu werden. Es war kein wirklicher Kampf - Skars mächtiges Schlachtroß ritt die Quorrl, die nicht schnell genug zur Seite sprangen, einfach über den Haufen, und dann war er auch schon hindurch und preschte auf die Hauptmacht der Reptilienkrieger zu, noch immer rasend schnell und mit hoch erhobenem Schwert, das Tod versprach.

Etwas stimmte nicht.

Skar spürte es, noch ehe er es sah, mit der Erfahrung des Kriegers, der zu viele Kämpfe hinter sich gebracht hatte, um noch von irgend etwas überrascht zu werden. Die Armee der Quorrl - ein unüberwindbarer Wall aus stahlgepanzerten Pferden und Leibern, an dem er einfach zerschmettern mußte, hielt ihn nicht auf, sondern teilte sich vor ihm, in einer blitzschnellen, fast eleganten Bewegung, die so fließend und leicht war, als wäre sie tausendfach geübt worden, und er hörte wieder Kiinas Schrei und sah sie dann auch, eine winzige, sich windende Gestalt im Brennpunkt des durchbrochenen Dreiviertelkreises, den die Quorrl bildeten, schreiend vor Furcht und gehalten von drei riesigen schuppigen Gestalten, von denen eine Skar den Eindruck vermittelte, sie kennen zu müssen, ohne daß er sie wirklich erkannte, während ihm zwei der Krieger (Großer Gott, es waren Krieger! dachte Skar entsetzt) mit gezückten Schwertern und hoch erhobenen Schilden entgegentraten, er spürte, daß die Quorrl nicht nur nicht richtig reagierten, sondern daß dies nichts anderes als eine Falle war, daß die Quorrl keine Sekunde auf sein Täuschungsmanöver hereingefallen waren, sondern wahrscheinlich schon gewußt hatten, wo Kiina war, ehe sie den Waldrand erreichten, und daß er ganz genau das tat, was sie von ihm erwarteten, alles in einer einzigen Sekunde und einem einzigen, ebenso lähmenden wie entsetzenden Gedanken.

Aber er war unfähig, zu reagieren. Wie eine Maschine, die diese Taktik des Flüchtens-Herumfahrens-Zuschlagens einmal zu oft ausgeführt hatte, sprengte er einfach weiter, gefangen in seinen eigenen Reflexen und Verhaltensweisen und unfähig, die Erkenntnis zu verarbeiten, daß er in den Tod raste.

Das Pferd prallte in vollem Galopp gegen den hochgerissenen Eichenschild des ersten Quorrl und schmetterte den Krieger zu Boden.

Ein weiterer Fehler, wie Skar wieder den Bruchteil einer Sekunde zu spät begriff. Der Quorrl war nicht von seinem Ansturm überrascht worden, er hatte ihn erwartet. Der Schild, nur lose an seinem Arm befestigt, zerbrach in drei Teile und flog davon, und der Quorrl stürzte zur Seite. Aber im gleichen Moment vollführte sein Schwert eine blitzartige, ungemein kraftvolle Bewegung, die die fürchterliche Wucht des Anpralles noch ausnutzte, und durchtrennte beide Vorderläufe des Pferdes. Skar wurde aus dem Sattel geschleudert, überschlug sich zwei-, dreimal in der Luft und noch zwei- oder dreimal am Boden, ehe er halb betäubt im Morast zum Liegen kam. Der schrille Schmerzensschrei des Pferdes ging im dumpfen Geräusch seines Zusammenbrechens und dem sonderbar weichen Laut unter, mit dem Skar selbst auf dem Boden aufschlug.

Er hätte das Bewußtsein verlieren müssen, aber er tat es nicht. Dieselben Reflexe, die ihm zum Verhängnis geworden waren, mobilisierten Kraftreserven in seinem geschundenen Körper, die ihn noch immer zum Berserker machen konnten. Er sprang auf, hieb mit dem Schwert zwei-, dreimal in die leere Luft vor sich und begriff erst dann, daß niemand da war, der ihn angriff. Schweratmend, den linken, verkrüppelten Arm schützend vor den Körper gehalten, das Schwert in der Rechten, während die Spitze des Tschekal kreisende, achtförmige Bewegungen in die Luft schnitt, stand er da und sah sich um.

Sein Sturz hatte ihn wieder ein Stück von Kiina und ihrem Bewacher weggetragen. Er erhaschte einen flüchtigen Blick auf das Gesicht des Mädchens, das die Angst zu einer Grimasse gemacht hatte, und den wuchtigen Helm des riesigen Quorrl hinter ihm, der es mit brutalem Griff hielt, dann konzentrierte er sich wieder auf den anderen Krieger.

Der Quorrl war näher gekommen, aber auf halber Strecke stehengeblieben, und Skar begriff, daß er ihm nicht den Gefallen tun und selbst angreifen würde. Den Schild hatte er halb erhoben, so daß nur noch sein gepanzerter Schädel und ein Stück der rechten Schulter über seinen Rand hervorragten, und sein Schwert bewegte sich auf ähnliche Weise wie das Skars; vielleicht nicht ganz so elegant, dafür aber ungleich kraftvoller.