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Er hatte keine Chance. Das hier waren keine Bauern, auch keine unerfahrenen Schläger, wie die Mitglieder der Tempelgarde, die Titch und er besiegt hatten, sondern Krieger, jeder einzelne so gut ausgebildet wie er und zehnmal so stark. Die berittenen Quorrl schienen nicht in den Kampf eingreifen zu wollen, sondern bildeten eine lebende Arena, aber selbst, wenn er diesen einen besiegte...

Es war vorbei, dachte er. Er konnte genausogut das Schwert fortwerfen und auf einen gnädigen raschen Tod hoffen.

»Laßt das Mädchen in Ruhe!« rief er, wider besseres Wissen und mit einer Stimme, die vor Hilflosigkeit und Zorn zitterte. »Laßt sie gehen, und ihr könnt mich haben!«

Der Quorrl, der Kiina festhielt, verstärkte seinen Griff, und aus ihren panikerfüllten Schreien wurde ein erstickendes Keuchen.

Skar riß sein Schwert in die Höhe und stürzte sich auf den Krieger.

Der Quorrl parierte seinen ersten Hieb mit dem Schild, was ein Fehler war. Skars Klinge aus Sternenstahl zerschnitt das fingerdicke Eichenholz wie Pergament und hinterließ eine blutige Wunde in dem Arm, der es hielt. Der Quorrl prallte zurück und hieb kraftvoll nach Skar, ein Schlag, der ungezielt war, Skar aber trotzdem zwang, seinen Angriff abzubrechen und sich hastig in Sicherheit zu bringen. Sofort setzte er nach, duckte sich unter einem weiteren Schwertstreich des Quorrl weg und schlug wuchtig nach dessen Klinge. Sein Tschekal traf das Breitschwert des Quorrl dicht über dem Griff und zerbrach es. Der Quorrl wankte, und zum ersten Mal glaubte Skar so etwas wie Furcht in seinen dunklen Augen aufblitzen zu sehen.

Aber er hatte die Fairneß der Quorrl überschätzt. Er kam nicht dazu, seinem Gegner nachzusetzen und den Kampf zu beenden. Hinter ihm stampften schwere Hufe auf den Boden, dann traf ihn etwas mit fürchterlicher Wucht genau zwischen die Schulterblätter und ließ ihn auf die Knie fällen.

Diesmal raubte ihm der Schmerz wirklich die Sinne. Er verlor nicht das Bewußtsein, aber er spürte, wie das Schwert seinen plötzlich kraftlosen Fingern entglitt und er nach vorne kippte. Sein Gesicht tauchte in den Morast ein. Kälte und klebrige Feuchtigkeit füllten seinen Mund und seine Nase, und er spürte, wie er zu ersticken begann.

Eine Hand packte ihn, riß ihn in die Höhe und wirbelte ihn herum, dann fuhren grobe, in Eisen gehüllte Finger durch sein Gesicht und ließen ihn wieder atmen. Skar riß sich instinktiv los, torkelte einen Schritt zurück und hob schützend die Arme über den Kopf.

Er war von einem Dutzend Quorrl umgeben. Jeder der Krieger trug einen schweren Eichenschild, aber keine Waffe, und es dauerte trotz allem noch immer Sekunden, bis Skar begriff, was sie taten, und warum.

Ein harter Stoß traf seinen Rücken. Er taumelte, kämpfte vergeblich um seine Balance und stürzte, fiel aber nicht wirklich, denn fast im gleichen Moment traf ihn der Stoß eines anderen Schildes vor die Brust und schleuderte ihn wieder zurück. Er schrie, schlug blindlings mit beiden Armen um sich und wurde abermals von einem Schildstoß getroffen, der ihm die Luft aus den Lungen trieb. Sein Blick suchte Kiina, aber er fand sie nicht, denn die Welt hatte sich in ein irrsinniges auf und ab aus tanzenden Farben und vorstoßenden und zurückprallenden Schilden verwandelt, die ihm das Leben aus dem Leib prügelten. Wieder fiel er auf die Knie, und wieder wurde er in die Höhe gerissen. Die Quorrl stießen ihn zwischen sich hin und her wie ein Spielball, und ihr rauhes Lachen mischte sich mit dem pfeifenden Geräusch seines Atems und Kiinas Schreien, die immer gellender und verzweifelter wurden.

Dann bekam er einen der Schilde zu fassen. Ohne wirklich zu wissen, was er tat, zerrte er daran, warf sich einen Sekundenbruchteil später mit aller Macht gegen den Krieger und spürte, wie dieser unter seinem plötzlichen Ansturm den Halt verlor. Der Quorrl stürzte und riß Skar mit sich, aber der Kreis war durchbrochen, und Todesangst und Verzweiflung gaben Skar übermenschliche Kräfte. Er sprang auf, schmetterte einem zweiten Quorrl die Faust ins Gesicht und riß die Waffe des zusammenbrechenden Kriegers an sich. Sein wütender Hieb prallte an dem hastig hochgerissenen Schild eines weiteren Quorrl ab, aber allein die schiere Wucht des Schlages reichte, den Krieger zurückweichen zu lassen und Skar für einen Moment Luft zu verschaffen.

Aber es war nur eine Atempause, und er hatte nichts erreicht. Kiina schrie noch immer, aber ihre Schreie waren leiser geworden, fast nur noch ein Wimmern, und ihre Bewegungen langsamer. Skar begriff voller Entsetzen, daß der Quorrl, der sie hielt, damit begonnen hatte, sie zu erwürgen, ganz langsam, so daß er es sehen mußte, und sich vielleicht in die verzweifelte Hoffnung hineinsteigerte, noch rechtzeitig zu kommen, um sie zu retten. Obwohl er wußte, wie sinnlos es war, rannte er los.

Er kam genau vier Schritte weit.

Ein berittener Quorrl versperrte ihm den Weg. Skar täuschte einen Stich gegen seine Beine an, warf sich im letzten Moment vor und rollte unter dem scheuenden Pferdeleib hindurch, aber der Quorrl reagierte mit unglaublicher Schnelligkeit: als Skar auf die Füße federte, traf ihn ein Fußtritt gegen die Schulter. Aus seinem Sprung wurde ein ungeschicktes Stolpern, er fiel, stemmte sich wieder hoch und stürzte ein zweites Mal, als der Quorrl sein Pferd herumriß und ihn einfach niederritt. Es glich einem Wunder, daß er den wirbelnden Pferdehufen entkam und seine Waffe behielt.

Er kam noch einmal auf die Füße, aber er spürte, wie seine Kräfte endgültig versiegten. Er machte einen Schritt, taumelte und ließ das Schwert fallen. Er war kein Satai mehr, begriff er voller Entsetzen. Er hatte noch das Wissen eines Satai, seine Erfahrung und Reflexe, aber die geheimen Kräfte der Kriegerkaste standen ihm nicht mehr zur Verfügung. Das Reservoir an scheinbar unerschöpflichen Kräften in seinem Inneren war versiegt. Er hatte es einmal zu oft angezapft.

Skar fiel. Er hatte nicht mehr die Kraft, den Sturz abzufangen, sondern konnte sich gerade noch zur Seite kippen lassen, um nicht abermals mit dem Gesicht in den Morast zu stürzen und diesmal wirklich zu ersticken; obgleich dies wahrscheinlich eine Gnade gewesen wäre, gegen das, was ihn erwartete.

Er versuchte, Kiina zu entdecken. Wie er war sie auf die Knie gesunken, aber der Quorrl, der sie niederdrückte, hielt sie auch gleichzeitig fest. Seine gewaltigen Pranken hatten sich um ihre Kehle gelegt und drückten unbarmherzig zu.

»Laßt sie... in Ruhe... ihr... verdammten ... Tiere«, stöhnte Skar. Er wußte nicht, ob die Quorrl seine Worte überhaupt hörten. Seine Stimme war nicht mehr als ein kraftloses Flüstern. Tränen füllten seine Augen. Er wollte nicht, daß sie starb. Nicht so.

Ein Wort, Bruder, flüsterte der Versucher hinter seiner Stirn. Ein Gedanke, und sie lebt.

Sie lebt.

Die beiden Worte schienen millionenfach gebrochen in Skars Kopf nachzubauen, wie ein höllisches, nicht enden wollendes Echo. Sie lebt. Lebt. Lebt. Lebt... Er konnte ihr Leben retten. Aber um welchen Preis.

»Nein«, flüsterte er. »So nicht.«

Etwas... löste sich von ihm; ein entsetzlicher Druck, der die ganze Zeit auf seiner Seele - und seinem Körper! - gelastet hatte, den er aber erst jetzt überhaupt bemerkte, als er nicht mehr da war, und plötzlich hatte er wieder Kraft; nicht viel, aber genug, sich in die Höhe zu stemmen und das Schwert zu ergreifen. Er taumelte auf den Quorrl zu, der Kiina erwürgte.

Ein Fußtritt traf seine Kniekehle und schleuderte ihn abermals zu Boden.

Skar schlug ungeschickt mit dem Schwert nach dem Quorrl, verfehlte ihn und stemmte sich abermals hoch. Vor seinen Augen wirbelten Farben, aber auch Schlieren grauen Nebels, die dichter wurden, die Welt langsam, aber unbarmherzig verschlangen. »Laßt sie in Ruhe!« stöhnte er. »Tötet... mich, aber laßt sie gehen!«