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Etwas traf ihn und schleuderte ihn wieder zu Boden. Er hatte nicht die Kraft, noch einmal aufzustehen. Er dachte an Kiina, und er glaubte, den Druck dieser entsetzlichen geschuppten Pranken an seinem eigenen Hals zu spüren, bis er begriff, daß es Tränen waren, die ihm den Hals zuschnürten. Mit einer Kraft, die er gar nicht mehr haben durfte, schleppte er sich weiter, krallte die Finger seiner rechten Hand in den morastigen Boden und zog sich mit nur einem Arm auf Kiina zu, und den Quorrl, der sie umbrachte.

»Laß sie... gehen, du Bestie«, stöhnte er. »Töte mich. Mach mit mir, was du willst, aber laß... laß sie gehen!«

Der Quorrl verstand seine Worte, und tatsächlich löste er seinen Griff; aber nicht ganz, und auch nur für einen winzigen Augenblick. Er lachte.

»Das werde ich, Mensch«, sagte er. »Oh, das werde ich, keine Sorge. Wir werden dich töten, wie jeden, der hierher kommt. Aber erst sie. Erst das Menschenjunge, dann dich!«

Skar schrie auf, taumelte auf die Knie und brach sofort wieder zusammen. Die Hände des Quorrl schlossen sich um Kiinas Hals und drückten zu.

»Erst sie!« brüllte der Quorrl. »Und dann dich! Sieh zu, wie sie stirbt! Sieh es dir an, Mensch!«

Skar hob die Arme. Er wollte aufspringen, sich auf den Quorrl stürzen, aber er konnte es nicht. Seine Kraft reichte nicht einmal mehr, sich aufzurichten. Hilflos, schluchzend vor Zorn und Schmerz lag er da und sah zu, wie der Quorrl Kiina tötete. Und dann lösten sich die Pranken des Quorrl von Kiinas Hals. Langsam, ja, fast behutsam, ließ er das Mädchen zu Boden sinken, richtete sich wieder auf und kam auf Skar zu. Seine Gestalt überragte die Skars wie die eines zornigen Gottes, als er neben ihm stehenblieb und durch die dünnen Sehschlitze seines Helmes auf ihn herabsah.

»Warum wehrst du dich nicht, Satai?« fragte er.

»Ungeheuer«, flüsterte Skar. »Du verdammtes ... Tier.«

»Bin ich das?« fragte der Quorrl. »Sind wir das für euch, Mensch?«

»Du ... Bestie«, stöhnte Skar. »Mach mit mir, was du willst. Laß das Mädchen in Ruhe und mach mit mir, was du willst.«

»Das werde ich, Satai«, sagte der Quorrl und hob die Hände an den Helm, um ihn abzusetzen. Und eine Sekunde, ehe Skar endgültig das Bewußtsein verlor, sagte Titch noch einmaclass="underline" »Das werden wir, Satai.«

9.

Wie zuvor gewann er das Bewußtsein nach Sekunden zurück. Seine Ohnmacht war tief und wäre zu der absoluten Hilflosigkeit vollkommener Erschöpfung geworden, aber das Entsetzen über den Anblick des Gesichtes unter dem Helm war zu groß. Sein Geist und sein Körper schrien nach der Ruhe, die er ihnen viel zu lange verweigert hatte, aber da war noch etwas in ihm, etwas das stärker war und ihn zwang, wieder wach zu werden und sich dem Unvorstellbaren zu stellen.

Er schlug die Augen auf, als zwei von Titchs Kriegern ihn hochhoben und damit begannen, sein Gesicht von Schlamm zu reinigen; mit einem Tuch, das nicht sehr viel weicher war als die Kettenhandschuhe, die sie trugen. Skar schlug die Hände der Quorrl beiseite und versuchte sich vollends aus ihrem Griff loszumachen; mit dem Erfolg, daß er um ein Haar schon wieder zu Boden gestürzt wäre, hätte nicht eine der Riesengestalten blitzschnell zugegriffen und ihn gestützt.

Skar spürte allein an der Berührung, daß es Titch war. Aus einem ebenso absurden wie schädlichen Gefühl von Trotz heraus riß Skar sich abermals los, und der gleiche Zorn gab ihm auch die Kraft, auf seinen eigenen Beinen zu stehen, wenn auch schwankend.

»Rühr mich nicht an, du Mistkerl!« fauchte er.

Titch, der schon wieder die Hand ausgestreckt hatte, um ihn zu stützen. Sein Blick war ausdruckslos. Skar suchte vergebens nach irgendeinem Gefühl in den dunklen, pupillenlosen Fischaugen des Quorrl. Titch sah ihn nur prüfend an; auf eine angespannte, aber keineswegs feindselige Art.

»Rühr mich nie wieder an«, sagte Skar noch einmal; aber in einem Ton, bei dem er sich selbst fast lächerlich vorkam. Mit einem Ruck drehte er sich um und humpelte zu Kiina hinüber. Die Quorrl, mit denen er Augenblicke zuvor noch um sein Leben gekämpft hatte, wichen jetzt respektvoll vor ihm zurück, und als er Kiina erreichte und neben ihr niederkniete, sah er, daß Titch einen zusammengerollten Mantel unter ihren Kopf geschoben hatte, so daß sie wenigstens nicht im Schlamm lag. Sie war blaß und zitterte, ihre Augen waren weit und dunkel vor Furcht, und an ihrem Hals waren rote Würgemale, die sich bald blau verfärben würden. Aber sie war bei Bewußtsein, und ihr Blick verriet, daß sie Skar erkannte. Sie versuchte zu sprechen, brachte aber nur ein hilfloses Krächzen zustande.

»Nicht reden«, sagte Skar. »Das tut dir nur unnötig weh. Der Schmerz läßt bald nach«, fügte er hinzu, was eine glatte Lüge war - so, wie Kiinas Hals aussah, würde sie tagelang nicht richtig reden oder schlucken können und wahrscheinlich selbst beim Atemholen Schmerzen haben. Er haßte Titch für das, was er getan hatte; obwohl er seine Gründe - fast - zu verstehen glaubte. Wenigstens hoffte er das.

Nur, um seine Hände zu beschäftigen und überhaupt etwas zu tun, rückte er das improvisierte Kissen unter ihrem Kopf zurecht und schlüpfte auch aus seinem eigenen Mantel, um ihn wie eine Decke über ihr auszubreiten.

Er spürte, wie Titch hinter ihn trat, noch ehe er seine Schritte hörte. Weniger zornig, als er selbst wollte, richtete er sich auf und starrte den Quorrl an.

»Du widerliche Bestie«, murmelte er. In seiner Stimme war kein wirklicher Zorn. Sie klang nur so, wie er sich fühlte: unendlich müde.

»Ich mußte sicher sein«, antwortete Titch, ganz eindeutig nicht im Tonfall einer Entschuldigung. Skar war sicher, daß er es nicht genossen hatte, Kiina Schmerzen zuzufügen. Aber es schien ihm auch nicht sehr viel auszumachen.

»Sicher?« Skar gab ein Geräusch von sich, von dem er selbst nicht genau wußte, was es bedeutete.

»So eine Art Test, wie?« fragte er bitter.

»Wenn du es so nennen willst.«

»Du bist ein Narr, Titch.« Skar machte eine weit ausholende Geste, die nicht nur Kiina und Titch, sondern auch die gut fünfzig Quorrl-Krieger vor dem Waldrand einschloß. »Wenn ich wirklich der wäre, für den du mich hältst, dann wärst du jetzt tot. Und sie auch.« Und wenn du wüßtest, wie nahe er dir war, wärst du nicht halb so gelassen, fügte er in Gedanken hinzu. Und Titch schien zumindest zu spüren, was in Skar vorging, denn sein Achselzucken fiel nicht ganz so gleichgültig aus, wie es wohl beabsichtigt gewesen war. »Möglicherweise«, sagte er. »Aber ich hatte keine Wahl.« Er machte eine zornige Handbewegung. »Wärst du der, für den ...« Er stockte.

»Für den du mich gehalten hast?« schlug Skar vor.

»Ich wäre sowieso gestorben, oder?« schnappte Titch. »Besser früher und in einem ehrenvollen Kampf, als später und...« Wieder führte er den Satz nicht zu Ende, sondern sah Skar mit plötzlicher Betroffenheit an.

»Und was hat es dir genutzt?« fragte Skar leise. »Du unterschätzt den Daij-Djan, Titch. Wäre ich wirklich die Bestie, hätte ich dich längst getötet. Oder zugesehen, wie du Kiina umbringst, um dich zu täuschen.« Er schnaubte ärgerlich. »Du hast nichts bewiesen.«

»Vielleicht«, gestand Titch. Er wurde immer unsicherer. »Vielleicht auch nicht. Ich mußte etwas tun.«

»Etwas so Überflüssiges?« Skar wußte, wie unfair er dem Quorrl gegenüber war. Titch hatte gar nicht anders gekonnt; der Quorrl konnte so wenig aus seiner Haut hinaus wie er selbst, und schließlich konnte jeder nur im Rahmen seiner Möglichkeiten handeln. Mit dem Daij-Djan stand Titch einem Gegner gegenüber, dem er einfach nicht gewachsen war, weder an Kraft oder Schläue; und schon gar nicht an Bosheit.