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»Du meinst das ernst, nicht?« murmelte Skar. »Ich meine - du würdest uns gehen lassen. Auch auf die Gefahr hin, daß wir alles verderben.«

»Ich glaube nicht, daß es irgend etwas gibt, woran ich dich hindern könnte«, erwiderte Titch. Seine Stimme klang hörbar ungeduldiger als bisher. Er spürte, daß Skar eigentlich nur noch redete, um Zeit zu gewinnen.

Aber wieder antwortete Skar nicht direkt, sondern drehte sich erneut um und sah zu Kiina zurück. Sie waren zu weit von ihr entfernt, als daß er erkennen konnte, ob sie noch bei Bewußtsein war oder schlief. Einer von Titchs Quorrl war neben ihr in die Hocke gegangen und tat etwas an ihrem Hals. Der Anblick beunruhigte Skar mehr, als er sich erklären konnte. »Und was hat das alles mit ihr zu tun?«

»Eigentlich nichts«, antwortete Titch. »Aber vielleicht alles. Ich weiß, wie viel dir an ihr liegt. Du hältst sie für deine Tochter, richtig?«

Skar zögerte. Für einen winzigen Moment haßte er Titch fast dafür, die Frage laut ausgesprochen zu haben. Dann zuckte er mit den Schultern. Vielleicht war sie es, vielleicht nicht - welche Rolle spielte das? Sie war auf jeden Fall das Kind, das er sich immer gewünscht hatte, ohne es auch nur zu wissen. »Und wenn?«

»Ich kann sie wegbringen lassen«, fuhr Titch fort. »Weg von hier, weg von Cant.«

»Und wohin?«

»Irgendwohin«, erwiderte Titch. »An einen Ort, an dem sie in Sicherheit wäre, bis die Entscheidung gefallen ist.«

»Du weißt genau, daß das nicht geht. Sie muß nach Ninga. Wozu, zum Teufel, glaubst du wohl, tue ich das alles?«

»Das weiß ich nicht«, antwortete Titch. »Auf keinen Fall nur, um Kiina zum Wasser des Lebens zu bringen. Sie ist krank, ich weiß, aber nicht so krank, daß ein paar Wochen oder auch Monate einen Unterschied machen würden. Wenn wir gewinnen, kannst du sie immer noch holen lassen. Wenn nicht...« Er zuckte mit den Schultern. »... dann spielt es keine Rolle mehr, ob sie noch zehn oder fünfzig Jahre zu leben hat.«

Für einen Moment war die Verlockung fast übermächtig, Titchs Vorschlag nachzugeben. Seine Worte klangen so logisch, so zwingend einleuchtend, daß Skar für Sekunden kein Argument einfiel, sie zu entkräften. Dann schüttelte er den Kopf, einfach aus dem Gefühl heraus, daß es richtig war.

Titch seufzte. »Du -«

»Woher kommt diese plötzliche Sorge um das Mädchen?« unterbrach ihn Skar.

»Das Mädchen?« Titch lachte hart. »Das Mädchen interessiert mich nicht«, behauptete er, obwohl er selbst wissen mußte, wie durchsichtig diese Lüge war. »Du bist es, der mir Sorgen bereitet, du Starrkopf. Seit dieses Menschenjunge in deiner Nähe ist, bist du nicht mehr du selbst. Du wirst eine Dummheit begehen, wenn sie in Gefahr gerät. Und sie wird in Gefahr kommen, wenn wir sie mitnehmen, das verspreche ich dir.« Er deutete erregt nach Norden, wo sich die Umrisse der Berge bereits als mächtige schwarze Schatten aus der Dämmerung herausgeschält hatten. »Wir reiten geradewegs in eine Falle. Vor uns die Bastarde, hinter uns die Ssirhaa...« Er sprach nicht weiter, aber Skars Phantasie reichte durchaus, sich den Rest vorzustellen.

Trotzdem.

»Sie bleibt«, sagte er bestimmt.

10.

»Es war richtig, daß du es nicht zugelassen hast«, sagte Kiina später, als er ihr von seinem Gespräch mit Titch erzählte. »Ich hätte diesem Fischgesicht die Augen ausgekratzt, wenn es mich weggeschickt hätte. Und dir auch«, fügte sie hinzu.

Sie wandte den Blick und sah Skar auf eine Art an, die Antwort erwartete; oder wenigstens ein Lächeln oder ein Verziehen der Lippen der Zustimmung, vielleicht auch nur ein Blick.

Skar tat nichts von alledem; zum einen aus Müdigkeit - es war jetzt fast Mittag, und sie ritten ununterbrochen, und in scharfem Tempo -, zum anderen, weil er Kiina nicht das Gefühl geben wollte, er hätte es um ihretwillen getan. In dem Moment, in dem er sich Titch gegenüber geweigert hatte, Kiina fortzuschicken, hatte er dies vielleicht sogar geglaubt, aber es war nicht die Wahrheit. Hätte er auch nur eine Sekunde an sie gedacht, hätte er getan, was Titch vorschlug, und sie weggeschickt, so schnell und so weit er konnte. Aber ihre Handlungen wurden schon lange nicht mehr von Vernunft gelenkt.

Er straffte die Schultern und sah mit einer demonstrativen Bewegung weg, um Kiina zu sagen, daß er nicht antworten würde. Er hatte keine Lust zu reden, weder mit ihr noch mit sonst irgend jemandem; vielleicht am allerwenigsten mit ihr. Skar ritt ein wenig schneller, um an Titchs Seite zu gelangen, und deutete nach Norden, als er sein Pferd neben dem Quorrl zügelte und Titch aufsah. Der Quorrl trug wieder seine goldene Prachtrüstung, hatte aber den Helm nicht aufgesetzt. Er sah besorgt aus. Während Skar an Kiinas Seite geritten war, war ihm aufgefallen, daß Titch sich immer wieder im Sattel umgedreht und in die Richtung geblickt hatte, aus der sie gekommen waren. »Wie weit ist es noch?«

»Bis zu den Höhlen?« Titch zuckte mit den Schultern. »Einen halben Tagesritt. Vielleicht weniger. Wenn die Sonne untergeht, sind wir da.«

Wenn die Sonne untergeht - großer Gott, wie hatte sich alles geändert! Skar war nicht sicher, ob er noch so lange durchhalten würde. Er war so müde. So unendlich müde.

»Wir wären schneller, wenn wir allein reiten würden.«

Titch reagierte nicht einmal mit einem Blick auf seine Worte, und Skar beeilte sich, hinzuzufügen: »Nur als Kundschafter, meine ich. Ich verlange nicht von dir, deine Männer zurückzulassen. Die Bastarde werden nicht begeistert sein, wenn wir mit einem Heer vor ihrer Bergfestung erscheinen«, fügte er nach einer neuerlichen Pause hinzu, als Titch immer noch nicht antwortete.

»Es ist keine Festung«, antwortete der Quorrl. »Und sie wissen längst, daß wir kommen.« Er rang sich ein flüchtiges Lächeln ab. »Sie wären vielleicht noch weniger begeistert, wenn sie annehmen müßten, daß wir ein falsches Spiel spielen. Und das würden sie, wenn sie sähen, daß wir fünfhundert Krieger zurücklassen und allein weiterreiten.«

Er hob die Hand und deutete nach Norden. »Siehst du den Berg dort - zwischen den beiden schneebedeckten Gipfeln, den kleinen, dunkleren?«

Auch Skar hob die Hand über das Gesicht und schützte seine Augen vor dem noch immer beständig nieselnden Regen. Nach einem Moment sah er, was Titch meinte.

Er war nicht ganz sicher, ob es wirklich ein Berg war - seine Flanken waren zu glatt und zu ebenmäßig, und seine Form erinnerte an eine gigantische, zu einem knappen Drittel abgeflachte Pyramide. Aber er verscheuchte den Gedanken, daß es sich bei diesem Berg um ein künstliches Gebilde handeln konnte, fast so schnell, wie er ihm gekommen war. Der Berg mußte zwei Meilen hoch sein, wenn nicht mehr. Er nickte.

»Caran«, erklärte Titch. »In seinem Fels befinden sich die Höhlen, in denen die Bastarde leben. Und ich glaube, auch noch ein gutes Stück darunter. Was schätzt du, wie weit man von seinem Gipfel aus sehen kann?«

»Keine Ahnung«, murmelte Skar. »Aber auf jeden Fall weit genug. Du hast recht.« Er seufzte. »Du warst schon einmal hier?«

»Mehr als einmal. Und auch nicht allein. Ich spreche aus Erfahrung, weißt du? Es gibt keine Möglichkeit, sich Caran unbemerkt zu nähern. Eine Menge guter Männer haben ihr Leben gegeben, um das herauszufinden.«

Skar sah überrascht auf. Er kannte Titch mittlerweile gut genug, um diese Bemerkung als das zu deuten, was sie war: als Einladung zu einem Gespräch. Titch sagte niemals etwas nur so. Soviel er wußte, gab es das Wort Konversation in der Sprache der Quorrl nicht einmal.

»Ich kam als Feind damals«, fuhr Titch fort, ohne Skar anzusehen und mit sonderbarer Betonung. Skar spürte, daß er lächelte, obwohl auch er nicht aufsah, sondern die Kapuze wieder weit ins Gesicht gezogen hatte, um sich vor dem Regen zu schützen. »Um sie zu vernichten. Heute komme ich als Flüchtling zu ihnen. Als Bittsteller. Ich hoffe, sie lassen mir Zeit, zu sagen, was ich von ihnen will.«