Выбрать главу

»Sie hatten euch geschickt, um Caran zu erobern?« fragte Skar leise den Quorrl.

Titch nickte. »Die Bastarde hatten einen Bestimmer getötet«, antwortete er. »Nur einen, und es war noch dazu umsonst. Sie schlugen zu früh zu. Die Brut, die er nach Ninga bringen sollte, befand sich noch im Dorf ihres Vaters. Aber sie töteten ihn und alle, die bei ihm waren. Ich war jung damals, Satai. Ein Krieger, aber ohne Erfahrung. Trash suchte mich aus, um das Heer zu führen, denn er selbst hatte Cant bereits verlassen und Blut gekostet, so daß er nie mehr zurückkehren durfte. Wir sollten sie auslöschen, ein für allemal. Der Befehl kam direkt aus dem Goldenen Tempel in Ninga.«

Wieder schwieg der Quorrl für endlose, quälende Sekunden. Er schloß die Augen. Sein Gesicht arbeitete, als wären die Muskeln unter seiner grüngrauen Schuppenhaut lebendig geworden; winzige zuckende Würmer, die sich hin und her warfen und aus ihrem Gefängnis zu entkommen versuchten.

»Wir hatten einen von ihnen gefangengenommen«, fuhr er fort. »Die Tempelpriester brachten ihn zum Reden, so daß wir von diesem Eingang wußten. Ich führte das Heer zum Berg. Es ... es war ein Tag wie heute, Satai. Ein Abend im Winter. Die Nacht kam, und wir lagerten auf dem gleichen Plateau, auf dem die Männer auch jetzt sind. Wir rechneten mit einem Angriff. Ich ließ das Lager befestigen und dreifache Wachen aufstellen. Aber nichts geschah. Wir fühlten uns sicher. Stark.« Er stieß das Wort hervor wie einen Schrei.

»Als die Sonne aufging, drangen wir in den Berg ein, durch den Eingang dort vorne. Wir sahen niemanden, aber ich war närrisch genug, nicht auf diese Warnung zu achten. Ich glaubte mich schon am Ziel. Niemand war dem Berg vor uns so nahe gekommen, und keiner hatte ihn je betreten.«

Er lachte hart. Seine Stimme wurde bitter, als er nach einer sekundenlangen Pause weitersprach. »Keiner, von dem man je wieder gehört hätte. Wir... wir kamen hierher und durchsuchten die Höhle, auf eine Falle gefaßt oder einen Hinterhalt.«

»Es war eine Falle«, vermutete Skar.

Titch nickte. »Und wir waren schon mittendrin. Später habe ich erfahren, daß sie uns zehnmal hätten vernichten können, schon lange, ehe wir dem Berg auch nur nahe waren. Sie sind viele, Skar, viel mehr, als ich damals ahnte. Aber wozu sollten sie kämpfen? Wir Narren haben uns selbst umgebracht. Ich habe sie umgebracht. Alle.«

»Wie?« fragte Skar einfach.

»Ich brachte sie hierher. An genau diese Stelle. Der... der Gefangene war bei uns. Er zeigte uns den Eingang. Das Tor, das ins Innere des Berges führt. Es liegt irgendwo hinter diesen Felsen, aber du kannst ein Leben lang vergeblich danach suchen, wenn du nicht genau weißt, wo es ist. Er... er zeigte es mir. Er führte mich und das Heer hierher und zeigte mir den geheimen Mechanismus, der den Wächter aktiviert. Keiner von uns wußte, daß es ihn gab. Keiner wußte, was er war.«

»Dieses... Auge?« Skar deutete mit einer Kopfbewegung auf die Stelle über Titchs Kopf, an der der Felsen auseinandergeklappt war. Sein Blick streifte den offenstehenden Eingang des Felstunnels und saugte sich an der lastenden Schwärze dahinter fest, und seine überreizten Nerven gaukelten ihm Schatten und Bewegungen vor, die nicht da waren. Es kostete ihn Mühe, sich von dem unheimlichen Anblick loszureißen und sich erneut Titch zuzuwenden.

»Es war genau wie heute«, sagte der Quorrl. »Der ... der Fels spaltete sich, und dann hörten wir die Stimme. Großer Gott, diese Stimme, Skar. Ich habe sie nie wieder vergessen. Niemals.«

»Aber damals hast du nicht geantwortet«, sagte Skar. Er sprach schnell, fast hastig. Titchs Blick flackerte. Er spürte, daß der Quorrl die Beherrschung zu verlieren drohte. Die Erinnerungen wurden übermächtig. Titch zitterte am ganzen Leib, gemartert von einem Entsetzen, das aus sorgsam zugeschütteten Abgründen seiner Erinnerungen wieder hervorbrach.

»Ich wußte nicht, daß es eine Antwort gab«, murmelte der Quorrl. »Wir... wir hörten die Stimme, und ich spürte, daß etwas geschah. Das Licht. Ich... ich hatte Angst. Alle fühlten es. Ein paar Männer flohen. Auch ich wollte fort, aber ich konnte es nicht. Ich war wie... wie gelähmt. Sie sprach, aber ich... ich konnte nicht antworten, Skar. Ich wußte die Antwort doch nicht!« Skar berührte Titchs Hand. Die Schuppenhaut des Quorrl fühlte sich eiskalt an, und er spürte, wie Titchs Puls jagte. »Und weiter?« fragte er. Titch würde den Verstand verlieren, wenn er es nicht aussprach. Er mußte es tun, jetzt. Die Erinnerungen waren wie ein vergifteter Pfeil, der in seiner Seele steckte. Sie würden ihn umbringen, wenn er ihn nicht herauszog; ganz gleich, wie weh es tat. Skar spannte sich insgeheim. Er wäre nicht überrascht gewesen, hätte Titch ihn angegriffen.

Aber die Spannung fiel so schnell von dem Quorrl ab, wie sie gekommen war. Seine Glieder zitterten weiter, aber der gefährliche Moment war vorüber. Titchs Stimme brach fast, als er weitersprach.

»Sie starben alle«, flüsterte er. »Der Wächter... Caran tötete sie.«

»Aber wie?« fragte Skar. »Was hat sie umgebracht, Titch?« Titch machte eine Handbewegung ins Nirgendwo. »Der Berg. Angst. Ich weiß es nicht. Du hast es gefühlt, Skar. Du... du mußt es gespürt haben. So wie ich. Wie alle, damals.«

Skar nickte zögernd. Er glaubte zumindest zu verstehen, was der Quorrl meinte. Es waren keine körperlichen Gegner gewesen, die Titch und seine Männer angriffen; keine Monster wie der Daij-Djan oder die Ultha, und auch nicht die Wirkung irgendeiner unvorstellbaren Götterwaffe wie der Scanner der Errish oder des grünen Feuers der Ssirhaa. Es war der Atem dieses Höllenauges gewesen, das kalte tödliche Feuer, das in seiner Tiefe glomm.

»Es wurde stärker«, fuhr Titch fort. »Es... es wurde einfach stärker. Er stellte die Frage, aber ich wußte die Antwort nicht. Die Männer begannen zu fliehen, einer nach dem anderen, und schließlich lief auch ich davon. Aber es... es war zu spät. Es war überall, nicht nur hier. In der Luft. Im Fels. In... in uns.« Und da war es von Anfang an, dachte Skar. Schon lange, bevor ihr hierhergekommen seid. Es war eure eigene Angst, die euch umbrachte, mein Freund.

Titch sprach nicht weiter, sondern senkte den Blick und verbarg das Gesicht hinter den Händen, aber Skar wußte auch so, was geschehen war. Er hatte den Haß und die Furcht gespürt, die das Dämonenauge im Fels verströmte wie ein unsichtbares Gift, den Atem der Sternengeborenen. Den Haß, den es in die Seelen seiner Opfer säte und das Grauen, von dem es sich nährte. Es war das gleiche, alles Lebende und Denkende verspottende Prinzip, auf dem die fürchterliche Macht der Netzkreatur beruht hatte: indem es seine Opfer mit Haß nährte, züchtete es sich seine eigene Nahrung. Angst, aus der es neue Kraft gewann, um neue Opfer zu vernichten.

»Es war nicht deine Schuld, Titch«, sagte er leise. Er war nicht sicher, ob Titch ihn gehört hatte, denn der Quorrl sah ihn nicht an, aber nach ein paar Sekunden fügte er hinzu: »Du wußtest nichts von dieser Falle. Du konntest es nicht wissen.«

Aber Titch hatte seine Worte gehört. »Ich habe sie hierhergebracht, Satai. Fragt ihr einen General eures Volkes, ob er von einer Falle gewußt hat, wenn er seine Armee verliert?« Er nahm die Hände herunter und sah Skar wieder direkt an, und plötzlich wurde sein Blick hart. »Damals habe ich mir geschworen, sie zu vernichten, Skar. Ich wußte nicht wen. Ich dachte, es wären die Bastarde, die diese teuflische Falle errichtet hatten, und ich schwor mir, daß sie eines Tages dafür bezahlen würden. Später begriff ich dann, daß sie nicht mehr waren als wir. Werkzeuge. Sie benutzen diese Dinge nur, aber sie wissen nicht einmal wirklich, was sie tun. Sowenig wie alle anderen. Wie du oder ich, oder die Tempelpriester in Ninga. Das war der Grund, aus dem ich meinem Vater folgte und das Heer anführte. Ich wollte euch niemals helfen, Skar. Die Menschen sind mir gleich. Ich hasse sie nicht, aber ich empfinde auch keine Freundschaft für sie.«