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»Du siehst nicht aus wie ein Satai«, sagte er.

»Natürlich nicht«, preßte Skar mühsam hervor. Unter dem unbarmherzigen Druck der Quorrl-Pranke begannen seine Zähne wieder zu bluten. »Ich habe mich verkleidet, damit mich niemand erkennt. Du weißt doch, daß Satai in Wahrheit zwölf Fuß groß sind und Messer anstelle von Fingern an den Händen tragen.«

Der Quorrl schlug ihn. Skar sah den Hieb kommen und spannte sich, aber diesmal verlor er wirklich das Bewußtsein; wenn auch wieder nur für Sekunden. Als sich die schwarzen Schleier von seinen Gedanken hoben, hockte er auf den Knien und spuckte Blut. Die beiden Quorrl hatten ihn losgelassen, standen aber unmittelbar neben ihm, um ihn bei der geringsten verdächtigen Bewegung zu packen.

»Ein Satai, so?« Der Quorrl blickte mißtrauisch - aber auch fast ein wenig respektvoll, dachte Skar erstaunt - auf ihn herab, machte einen Schritt zurück und winkte dem Krieger, der Skar die Waffe entrissen hatte. Der Quorrl trat gehorsam herbei und reichte ihm das Tschekal mit der linken Hand. Seine Rechte blutete noch immer heftig, denn er hatte sich nicht darauf beschränkt, Skar die Waffe zu entreißen, sondern auch, sie in der gleichen Bewegung zu zerbrechen.

Nachdenklich drehte der Quorrl das Satai-Schwert in den Händen, blickte wieder auf Skar, dann auf Titch und erneut auf Skar herab und schob die Waffe schließlich scheinbar achtlos in seinen Gürtel. »Es ist ein Satai-Schwert«, sagte er. »Und? Was beweist das? Du kannst es gestohlen haben. Oder gefunden.«

»Niemand, der nicht zu Recht den Mantel eines Satai trägt, würde es wagen, ein Tschekal auch nur anzurühren«, sagte Skar. »Das solltest selbst du wissen.«

»Die Dinge haben sich geändert«, antwortete der Quorrl achselzuckend. »Wer bist du? Wie ist dein Name?«

Skar zögerte einen unmerklichen Augenblick. Dann sagte er: »Skar.« Es hatte keinen Zweck, alles mit einer überflüssigen Lüge aufs Spiel zu setzen.

»Skar?« Der Quorrl legte den Kopf schräg. Seine Augen wurden schmal, wodurch er vollends wie ein Reptil aussah. Offensichtlich, dachte Skar, war der Name Skar selbst hier, im hohen Norden Cants, nicht gänzlich unbekannt. Skar war nur nicht sicher, ob das nun unbedingt ein Vorteil war...

»Du bist Skar?«

»Irgendeiner muß es sein, oder?«

»Man hat mir Skar anders beschrieben.«

»Nicht nur die Dinge ändern sich«, antwortete Skar. »Auch Menschen. Selbst Satai werden älter.«

»Und verlieren Glieder?«

»Manchmal«, antwortete Skar leichthin. Er setzte dazu an, aufzustehen, zögerte eine halbe Sekunde und führte sie schließlich zu Ende, als seine beiden Bewacher keinen Versuch unternahmen, ihn daran zu hindern.

»Wie ist das passiert?« fragte der Quorrl mit einer Geste auf Skars Armstumpf.

»Auf dem Weg hierher«, antwortete Skar. »Jemand... wollte meinen Kopf. Aber ich konnte ihn überzeugen, mit meiner Hand Vorlieb zu nehmen.« Er machte eine unwillige Armbewegung, als der Quorrl ihn unterbrechen wollte. »Also, was willst du jetzt tun? Titch und mich töten, über meine Hand sprechen oder hören, warum wir hier sind?«

Noch vor zwei Minuten hätte der Quorrl ihn einfach erschlagen, wegen dieser unverschämten Worte. Jetzt starrte er ihn einfach nur an, noch immer zornig, aber auch verwirrt, und eigentlich viel mehr verwirrt als wirklich wütend.

»Also gut. Dann sprich, Satai.«

»Nein.«

Der Kopf des Quorrl ruckte mit einer reptilienhaft schnellen Bewegung herum, und auch Skar sah überrascht auf, als er Titchs Stimme hörte. Er hatte Titch für bewußtlos gehalten, aber der Quorrl stand hoch aufgerichtet zwischen den beiden Kriegern, die ihn hielten, mit blutüberströmtem Gesicht, aber ohne das mindeste Zeichen von Schwäche.

»Was soll das heißen?«

»Wir reden mit Rowl«, antwortete Titch. »Nicht mit dir. Crons Nachricht ist zu wichtig, um sie einem Verrückten anzuvertrauen.«

Die Augen des Quorrl blitzten tückisch. »Wer sagt dir, daß ich dich nicht auf der Stelle umbringe?«

»Niemand«, antwortete Titch gelassen. »Warum tust du es nicht?«

Die Blicke der beiden ungleichen Männer kreuzten sich. Titch wirkte mit einem Male herablassend, so kalt und hochmütig, daß es trotz allem mit einem Male der andere zu sein schien, der als Gefangener vor ihm stand.

»Also gut«, sagte der Quorrl schließlich. »Aber wenn das alles nur ein Trick war, dann wirst du herausfinden, was ich deinem Freund versprochen habe. Du wirst sehr lange sterben.« Titch machte sich nicht einmal die Mühe, zu antworten.

13.

Der Raum war klein, vollkommen finster und so kalt, daß Skars Rücken schmerzte, wo er die Wand berührte. Skar wußte nicht, wie lange sie schon hier waren, aber es mußte lange sein. Sein Magen meldete sich ab und zu mit einem grollenden Geräusch, und zu dem Hunger hatte sich schon vor einer geraumen Weile Durst gesellt; ein untrügliches Anzeichen, daß sie seit Stunden in diesem schwarzen Loch saßen und darauf warteten, daß etwas geschah.

Sie waren getrennt worden, wie er erwartet hatte, aber seine Bewacher hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, ihn zu fesseln. Es war auch nicht nötig. Die Wände der würfelförmigen, acht Schritte messenden Kammer bestanden aus massivem Fels, und Skars tastende Finger hatten nicht die mindeste Unebenheit darauf gefunden. Selbst die Tür war spurlos verschwunden, kaum daß sie sich geschlossen hatte. Skar hatte den Gedanken an Flucht fast ebenso schnell wieder aufgegeben, wie er ihm gekommen war. Außerdem waren sie nicht hierhergekommen, um zu fliehen.

Trotzdem machte sich Skar Sorgen; mehr, als er sich eingestand. Er wußte nicht genau, was er erwartet hatte, aber nach Titchs Erzählungen und dem, was auf Crons Hof geschehen war, mußte es wohl so etwas wie eine Gemeinschaft edler Räuber sein; Verfemte, die sich in ihre uneinnehmbare Festung in den Bergen zurückgezogen hatten und von dort aus gegen Ungerechtigkeit und Terror kämpften. Aber nachdem er den Wahnsinn in den Augen des Quorrl gesehen hatte, war er nicht mehr völlig sicher, daß es wirklich so war. Vielleicht waren die Bastarde nicht mehr als ganz gewöhnliche Verbrecher, und vielleicht hatten sie sich selbst der Gnade (oder wohl eher Ungnade) einer Bande halb verrückter Meuchelmörder und Strauchdiebe ausgeliefert. Und er machte sich Sorgen um das, was außerhalb des Lagers geschehen mochte. Wenn ihm sein Zeitgefühl nicht völlig abhanden gekommen war, dann mußte es draußen schon längst wieder Tag geworden sein. Vielleicht wurden Titchs Krieger nervös, wenn sie nicht zurückkamen. Oder sie - Ein schleifender Laut und rotgelber Lichtschein, der durch einen rasch breiter werdenden Spalt in der Wand vor ihm drang, rissen ihn aus seinen Überlegungen. Skar sah auf, blinzelte in das sanfte, aber seinen an stundenlange Dunkelheit gewöhnten Augen trotzdem unangenehme Licht und hob schützend die Hand vor das Gesicht. Ein riesiger Schatten erschien in der Tür, trat einen Schritt auf ihn zu und machte eine befehlende Geste. Skar richtete sich hastig auf, damit der Quorrl nicht auf die Idee kam, seiner Aufforderung mit einem Hieb Nachdruck zu verleihen, und trat an ihm vorbei aus der Tür. Zwei weitere Schuppenkrieger erwarteten ihn. Sie sprachen kein Wort, aber die Bewegung, mit der sie ihn in die Mitte nahmen, war eindeutig genug. Auf dem Weg hierher hatte Skar kaum Gelegenheit gefunden, sich in Ruhe umzusehen, was er nun nachzuholen versuchte. Aber eigentlich gab es gar nicht viel zu entdecken. Der Tunnel, durch den sie gingen, war von halbrunder Form und maß gute zehn Fuß an der höchsten Stelle, und wie die Höhle draußen bestanden auch seine Wände aus rotbraunem, rissigem Fels, der manchmal glatt und wie poliert aussah, an anderen Stellen zerborsten wie von gewaltigen Hammerschlägen, manchmal auch wie geschmolzene Lava zu bizarr gerundeten Formen erstarrt. In unregelmäßigen Abständen unterbrachen Türen die Wände, durch die er einen Blick in die dahinterliegenden Räume werfen konnte. Allerdings waren die meisten vollkommen leer. Bis auf das unheimliche rötliche Leuchten, das auch hier überall die Luft erfüllte, schien es an den Höhlen von Caran absolut nichts Geheimnisvolles zu geben.